Frau Flemming nickte und ich ließ mich in dem Stuhl zurücksinken.
,,Und das ganze konnten Sie mir nicht einfach bei mir zu Hause erzählen, weil?", fragte ich, auch wenn ich die Antwort schon ahnte.
,,Mr Álvarez lässt Sie selten aus den Augen", sagte sie.
,,Ich werde also verfolgt?", fragte ich entsetzt.
Sie nickte. Na toll. Das wurde ja immer besser.
,,Wenn ich mit Ihnen Firmengeheimnisse bespreche, dann mache ich mich doch aber strafbar oder nicht?"
Sie zögerte.
,,Das ist richtig. Doch, sobald wir die Beweise haben, können wir Sie entlasten!", versicherte sie mir.
,,Und wenn ich Ihnen nicht genug liefern kann und er es herausfindet? Sollte ich mich dann mehr um ein Gerichtsverfahren oder meine Ermordung sorgen?", fragte ich langsam ein wenig hysterisch. Was war das denn für eine Aussage? Sobald wir Beweise haben.
,,Ich verstehe, dass das sehr viel auf einmal ist, was ich Ihnen hier gerade mitgeteilt habe. Ich kann Ihnen versichern, dass ich persönlich mit dem Staatsanwalt im Falle einer Anklage sprechen werde!", versuchte sie mich zu beschwichtigen.
Ich schüttelte den Kopf.
,,Nein, tut mir leid. Ich will damit nichts zu tun haben! Ich werde bis Montag meine Kündigung eingereicht haben! Ich riskiere nicht mein Leben für etwas mit dem ich gar nichts zu tun habe!"
,,Bitte bleiben Sie ruhig und treffen keine voreiligen Entscheidungen, Frau Parker. Wir brauchen Ihre Hilfe. So eine Chance, wie jetzt gibt es vielleicht nicht so schnell wieder. Bitte denken Sie nochmal darüber nach. Ich bin mir sicher, dass wir mit einer angemessenen Bezahlung zu einer Einigung kommen können. Sie sollen ja vorerst auch gar nichts tun, außer ein wenig aufmerksamer zu sein, als bisher und uns Bericht erstatten!"
Sie sah mich immer noch auf diese aufmerksame Art an und schien keineswegs so verzweifelt, wie sie mir gerade weiß machen wollte.
,,Was bringt mir das Geld, wenn ich eventuell auf dem Friedhof lande. Obwohl man meine Leiche vermutlich nicht mal finden würde - wir haben es ja schließlich mit der Mafia zu tun! Nein - tut mir sehr leid, aber ich kann das nicht!", sagte ich entschlossen.
Sie seufzte.
,,Eigentlich wollten wir diese Art der Überzeugung vermeiden, doch Sie lassen uns keine Wahl. Wir haben nicht nur Sie, sondern auch den Rest Ihrer Familie beschatten lassen, als wir herausfinden wollten, wie Sie zu der Álvarez Familie stehen. Dabei ist uns aufgefallen, dass Ihr Bruder in einige interessante Geschäfte verwickelt ist", sagte sie ruhig und blätterte in ihrem Ordner, bis sie mir ein paar Bilder rüberschob.
Ich erkannte meinen Bruder, wie er einem Typen ein Tütchen mit weißem Pulver gab, auf dem nächsten Bild nahm er Geld entgegen. Verdammte Scheiße. Auf einem weiteren Bild sah ich meinen Bruder mit ein paar seiner Freunde, wie sie an ein Haus sprayten.
Frau Flemming meldete sich wieder zu Wort: ,,Wenn Sie mit uns kooperieren, dann werden wir so tun, als hätte es diese Bilder nie gegeben. Wenn nicht, sind wir gezwungen diese an die örtliche Polizeibehörde weiterzuleiten. Ihren Bruder erwarten dann bis zu fünf Jahre Haft!", sagte sie.
Ich wischte mir mit beiden Händen über das Gesicht. Das durfte doch alles nicht wahr sein.
,,Sie erpressen mich also?", fragte ich und sah sie wütend an. Am liebsten würde ich sie schlagen.
,,Nein, wir machen Ihnen ein Angebot, bei welchem Ihr Bruder einer Gefängnisstrafe entgehen könnte!", sagte sie immer noch ganz entspannt. Kein Wunder, sie hatte schließlich die Karten in der Hand.
Ich könnte auf der Stelle losheulen. Wie konnte eine halbe Woche mein ganzes Leben zerstören.
,,Wir lassen Sie dort nicht allein!", versicherte Frau Flemming erneut. Ich schnaubte nur, schließlich musste Sie nicht am Montag Morgen in der Höhle des Löwens auftauchen und so tun, als wäre alles in Butter.
Das konnte doch einfach nicht wahr sein.
,,Wenn Sie möchten, bringt Sie jemand nach Hause. Melden Sie sich einfach, wenn Sie an Informationen gelangen. Ansonsten melden wir uns von Zeit zu Zeit!"
Ich nickte. Was blieb mir für eine andere Wahl?
Eine viertel Stunde später saß ich wieder in dem Auto mit dem ich hergekommen war und wir befanden uns auf der Hauptstraße.
Dieses Mal war auch das Radio ausgeschaltet, wodurch eine Stille herrschte, die perfekt zu meiner Laune passte.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich nach dem Wochenende wieder zu den Álvarez gehen und so tun sollte, als wüsste ich von nichts. Wie sollte ich mit Enzo umgehen, wenn ich zu diesem verdammten Firmenball gehen würde?
Apropos Firmenball - was wenn das ein verdecktes Mafiatreffen war? Schwebte ich dann nicht in Lebensgefahr?
Mir wurde schlecht und plötzlich bereute ich es zutiefst, dass ich nicht auf Enzo gehört hatte. Ich ließ die Gespräche mit ihm im Kopf Revue passieren. Er hatte mir so oft gesagt, ich solle mich von ihm und seiner Familie fernhalten. Ich solle den Job ausschlagen.
Als ich ihn gefragt hatte, was er in der Familie tat, hatte er mir schwammig geantwortet, dass jeder seinen Beitrag leiste. Was war damit gemeint? Was tat er für die Familie? Kaufte er Frauen für die Prostitutionsgeschäfte in Spanien? War er ein Mörder? Wusch er das Geld?
Ich fragte mich, ob alle in der Immobilienfirma eingeweiht waren, doch ich erinnerte mich, dass Frau Flemming meinte, dass außer Malina keiner, der nicht zur Familie gehörte, Bescheid wusste.
Wahrscheinlich fragte niemand nach, von wo das Geld für die Häuser kam, die die Firma besaß. Sie verkauften sie nur.
Meine Gedanken wanderten zu Nate. Er hatte mich draußen neben dem Club fast vergewaltigt und der BND verfolgte mich vermutlich schon eine ganze Weile. Wenn sie wissen wollten, was für eine Beziehung ich zu den Álvarez hatte, dann waren sie an diesem Abend sicherlich dort. Geholfen hatte mir aber keiner.
Ich fragte mich, was Nate für die Familie tat. Der nach außen hin so charmante und witzige Nate, der aber eine Kälte in sich trug, die ich am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.
Zu ihm passte der Killerjob besser als zu Enzo. Ihm würde ich zwar auch einiges zutrauen, auch wenn ich ihn nie von Grund auf schlecht gehalten hatte, aber ich konnte mir schwer vorstellen, dass er jemanden kaltblütig tötete. Oder?
Wie passte aber Dash da rein? Er schien so nett und noch so jung. Ganz anders als seine Brüder. Wusste er vielleicht gar nichts? Und wenn doch, wusste Celine ebenfalls Bescheid? Sie schienen sich ja sehr lange und gut zu kennen.
Und sie war sehr oft dort.,,Wie sind da!", riss mich der Fahrer aus meinen Gedanken.
Ich bedankte mich nicht, genauso wenig, wie ich mich verabschiedete. Ich stieg einfach aus und ging zu meiner Haustür.
Nachdem ich in meiner Wohnung war, zog ich erstmal die stinkigen Sportklamotten aus und sprang unter die Dusche.
DU LIEST GERADE
Lo Que Quieres - Was du wirklich willst
Romance"Ach, ich hatte vergessen, dass du schlechte Erfahrungen mit One Night Stands gemacht hast. Tut mir natürlich leid, dich jetzt in so eine Situation gebracht zu haben!" Enzo lehnte sich nun mit hinterm Kopf verschränkten Armen auf dem Sofa der Sitzec...