Treinta y ocho

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,,Wer ist er?", fragte ich leise an Dash gewandt, als ich sah, dass vor Mr Álvarez noch ein weiterer Mann in das Auto stieg. ,,Das ist unser Notar. Der kümmert sich um den ganzen Immobilienkaufkram, soweit ich das verstanden habe!", murmelte er.

,,Dash - du kommst mit uns, ich möchte dich Herrn Schmidt vorstellen und die Fahrt bietet eine perfekte Gelegenheit zu besprechen, was du morgen tun kannst!", schnitt die Stimme meines Chefs zu uns rüber. Dash sah mich entschuldigend an.

,,Frau Parker, mein anderer Sohn wird bei Ihnen im Wagen mitfahren, damit Sie nicht allein fahren müssen. Ich hoffe das ist in Ordnung?", wandte er sich mir zu und ich nickte. Ich hatte mir sowieso ein Buch mitgenommen und ein paar Folgen How I Met Your Mother runtergeladen, obwohl ich die Serie schon durchgeschaut habe.

Die Männer stiegen in den Firmenwagen und fuhren davon. Wenig später kam Enzo tatsächlich auch aus dem Haus - eine viertel Stunde später als vereinbart. Ein wenig überrascht sah er sich um und ich verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Wo sind die anderen?", fragte er. ,,Schon weg. Wir sollen zusammen fahren!", gab ich weiter und er nickte.

Ich runzelte die Stirn, als er zur Fahrerseite ging, denn der andere Wagen wurde von einem Angestellten gefahren. ,,Fährst du?", fragte ich überrascht und er nickte. ,,Hast du ein Problem damit?", hakte er nach. ,,Naja, nein - solang du uns nicht in den Graben fährst!" Er lachte: ,,Keine Sorge - ich bin ein guter Fahrer!"

Kurze Zeit später stellte ich fest, dass er mich angelogen hatte. Er war ein miserabler Fahrer, jedenfalls in meinen Augen. Er war einer dieser Leute, die auf der Autobahn drängelten und halsbrecherische Manöver hinlegten.

,,Ist dir bewusst, dass wir innerhalb von einer Stunde Fahrt schon fast dreimal hätten sterben können?", fragte ich panisch, als er bei einem Tempo von zweihundertzehn gerade noch bremste, ehe er dem Auto vor uns auffuhr. Ich klammerte mich an meinen Türgriff.

,,Wir können immer sterben!", stellte er trocken fest und ich rollte mit den Augen. ,,Du beschleunigst unser Schicksal allerdings!", setzte ich entgegen. ,,Würde es dir etwas ausmachen, etwas langsamer und weniger - todessehnsuchtshaft zu fahren?" Er begann zu lachen.

,,Todessehnsuchtshaft? Gibts das Wort wirklich oder hast du dir das gerade ausgedacht?", fragte er, bremste aber glücklicherweise ein wenig und fädelte sich auf dem Mittelstreifen ein. ,,Du hast dieses Wort gerade mit deinem Fahrstil erschaffen!", nörgelte ich und rutschte ein wenig tiefer in den Sitz.

,,Sorry - mir war nicht bewusst, dass mein Fahrstil todessehnsuchtshaft ist!" Ich sah ihn an und säße er nicht am Steuer hätte ich ihn für das belustigte Grinsen geboxt. ,,Mach dich nur lustig", murrte ich. ,,Warum hast du nicht früher was gesagt, anstatt dich nur an die Tür und deinen Gurt zu tackern?"

Ich verengte die Augen. ,,Naja, wenn du das offensichtlich wahrgenommen hast, hättest du ja auch so ein Gentleman sein können und ein wenig vom Gas gehen können!" ,,Ich bin aber kein Gentleman." ,,Was du nicht sagst!"

Nach zwei weiteren Stunden machten wir eine Pause auf einer Raststätte. Es war jetzt kurz nach zehn und wenn alles gut lief, würden wir spätestens um halb zwei in Heidelberg sein. ,,Soll ich gleich fahren?", fragte ich, auch wenn ich nicht mit einem ja rechnete. Zu meiner Überraschung nickte Enzo. ,,Von mir aus. Wenn du uns nicht in den Graben fährst!", imitierte er mich. ,,Ha ha!", sagte ich und boxte ihn dieses Mal wirklich gegen die Schulter.

,,Ich bin eine gewissenhafte Fahrerin", entgegnete ich, während wir mit jeweils einem Croissant in der Hand auf den Wagen zuliefen. Enzo erwiederte nichts darauf. Kurze Zeit später waren wir wieder auf der Autobahn. Dieses Mal mit mir am Steuer und mir ging es sogleich um einiges besser.

,,Du bist eine langsame Fahrerin!", merkte er an und ich nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass er mich dabei musterte. ,,Vorsicht ist besser, als Nachsicht!", ließ ich den typischen Dad-Spruch los, was Enzo mit einem Schauben quittierte. Plötzlich beugte er sich runter und zog meinen Rucksack hoch.

,,Was zur Hölle machst du?", fragte ich ihn empört. ,,Ich schau, was du so für die Fahrt eingepackt hast!", erklärte er trocken und zog im nächsten Moment mein Buch hervor.

,,Begin again", las er vor uns drehte das Buch um. ,,Leg das wieder hin, Enzo!", forderte ich ihn auf und überholte einen silbernen Ford. ,,Er stellt die Regeln auf - sie bricht jede einzelne davon", las er theatralisch weiter. Er schwieg einen Moment, da er scheinbar die Rückseite studierte. ,,-Und je besser sie ihn kennenlernt, desto unmöglicher wird es ihr das heftige Prickeln zwischen ihnen zu ignorieren...- soso, sowas liest du also!", meinte er grinsend.

,,Eine Lovestory meinst du? Ja, tatsächlich lese ich sowas!" Zu meiner Überraschung kam kein weiterer Kommentar seinerseits. Er legte das Buch wieder weg und zog stattdessen mein Tablet hervor. Plötzlich griff er nach meiner Hand und ehe ich mich versah hatte er meinen Daumen auf den Fingerabdruckscanner gelegt. Mich schockierte jedoch viel eher die Hitze, die seine Berührung auf meiner Haut hinterließ.

Schnell legte ich meine Hand zurück aufs kühle Lenkrad. ,,Das überrascht mich jetzt irgendwie nicht, nachdem ich deine Netflix Liste gesehen habe!", meinte er. ,,Darf ich?"

,,Was meinst du?" Ich runzelte die Stirn und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. ,,Darf ich mir die erste Folge ansehen?" Ich seufzte: ,,Wenn du dann aufhörst meinen Rucksack zu durchsuchen!"

,,Wieso? Gibts da noch etwas, was ich finden könnte, was ich aber nicht finden sollte?", fragte er und ich hörte den schmutzigen Unterton aus seiner Stimme heraus. Ich lachte auf. ,,Nein, außer den Nacktfotos aus dem letzten Jahr, hab ich glaub ich nur noch ein wenig Wasser dadrin!", scherzte ich.

,,Dann sollte ich vielleicht weiter suchen. Wegen des Wassers natürlich!"

Lo Que Quieres - Was du wirklich willstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt