Es war Freitag Abend und ich schaute ein letztes Mal in den großen Spiegel in meinem Zimmer. Mein Herz pochte viel zu schnell dafür, dass es ein einfacher Firmenball war.
Das lange, fliederfarbene Kleid war oben etwas enger geschnitten, trägerlos und hatte einen runden Ausschnitt, der mein Dekoltée zur Geltung brachte. Nach unten hin fiel es jedoch in die Weite und der Rock hatte kleine, dezente Verzierungen, die im Licht schimmerten. Meine Haare hatte ich mit einem Lockenstab bearbeitet und zu einer Hochsteckfrisur zusammengebunden. Ich hatte eine etwas breitere, silber glitzernde Kette gewählt, die ich mit einem dazu passenden Armband kombiniert hatte.
Laurel hatte mir ihre silbernen Pumps geliehen, die man zwar nicht sah, aber die ich mir schonmal geliehen hatte, da sie trotz ihrer Höhe vergleichsweise bequem waren. Es hatte sich wie immer ein wenig ungewohnt angefühlt hohe Schuhe zu tragen, doch ich hatte mich schnell wieder daran gewöhnt.
Vor zehn Minuten hatte ich das Taxi Unternehmen angerufen, weil ich nicht riskieren wollte beim Fahren meines eigenen Autos das Kleid zu zerknittern. Ich steckte mein Handy in die zu den Schuhen passende Clutch, die ich mir ebenfalls von Laurel geliehen hatte und verzichtete auf eine Jacke, da es heute für Ende August noch recht warm war. Außerdem hatte ich keine Jacke, die meinen Look optisch nicht völlig ruiniert hätte.
Ich schloss meine Haustür ab und ging nach unten. Genau in dem Moment, in dem ich aus der Tür trat, hielt ein Taxi in der Straße. Eine Frau stieg aus.
,,Sind Sie Frau Parker?", rief sie mir vom Bordstein zu. Ich nickte und ging auf Sie zu. ,,Super! Brauchen Sie Hilfe beim Einsteigen?", fragte sie lächelnd mit einem Blick auf mein Kleid. Ich schüttelte den Kopf. ,,Nein, das bekomme ich hin. Danke!"
Sie nickte und stieg wieder ins Auto. Als ich auch eingestiegen war, nannte ich ihr die Adresse, die in der Einladung gestanden hatte und sie fuhr los.
,,Und was findet dort heute statt?", fragte sie neugierig. ,,Ein Firmenball. Ich arbeite bei A&P", sagte ich. Sie pfiff leise durch die Zähne. ,,Wow, dass klingt nach einem guten Job!" Ist es nicht.
,,Sind Sie dort mit jemandem verabredet? Oder gehen Sie allein hin?", fragte sie weiter um die Konversation am Laufen zu halten. ,,Ich bin dort mit einem Kollegen verabredet", erzählte ich ihr.
Sie nickte und meinte dann: ,,Sofern er nicht vergeben ist, überlegt er es sich bestimmt nach dem heutigen Abend zweimal, ob er nur mit Ihnen arbeiten möchte. Sie sehen fantastisch aus! Ich habe eine sechs Jahre alte Tochter, die würde jetzt sagen, dass Sie wie eine Prinzessin aussehen!", meinte sie augenzwinkernd und ich lachte.
,,Danke! Ich finde man hat heutzutage auch zu wenig Gelegenheiten, sich wie eine Prinzessin anzuziehen!", meinte ich grinsend und die Taxifahrerin meinte schmunzelnd: ,,Das sieht meine Tochter auch so!"
Wir hielten noch ein wenig Smalltalk bis wir an der Halle ankamen, in der der Ball stattfinden sollte. Ich atmete erleichtert aus, als ich sah, dass ich nicht die einzige war, die sich so herausgeputzt hatte. Ich gab der Taxifahrerin das Geld und stieg aus. Mein Blick schweifte über den Parkplatz, ohne zu wissen, ob Enzo überhaupt auf mich wartete. Wir hatten schließlich nur gesagt, dass wir zusammen auf den Ball gehen würden, aber nicht ab wo das ,zusammen' anfing.
Dann entdeckte ich ihn jedoch. Er stand mit Dash und Celine zusammen. Sie hatten Mr Álvarez offensichtlich überredet, dass sie auch kommen durften. Celine entdeckte mich als erste und winkte. Sie sah unglaublich aus. Ihre langen, blonden Haare fielen ihr glatt wie ein Wasserfall über die Schultern. Sie trug einen schmalen Haarreif und ein weinrotes, enges Kleid, dass sich an ihre Kurven anschmiegte.
Ich winkte zurück und sah dann zu Enzo, was ein Fehler war, da meine Knie augenblicklich weich wurden. Was war verdammt nochmal los mit mir?
Sein Blick glitt an meinem Kleid hinab und landete schließlich wieder in meinem Gesicht. Er legte leicht den Kopf schief. Ich hatte mit seinem typischen undurchdringlichen Blick gerechnet, aber sein Mundwinkel hatte sich leicht angehoben und sein intensiver, warmer Blick brachte etwas in meiner Brust zum Flattern.
Ich blinzelte gegen die untergehende Sonne. ,,Hey Leute! Ihr habt es geschafft!", meinte ich an Celine gewandt und versuchte mich auf diese Weise gekonnt von Enzo abzulenken, um meine Fassung wieder zu erlangen. Ich hatte Laurels Worte vom Selbstverteidigungskurs letzten Freitag noch im Ohr. Als sie mir erzählte, dass selbst sie beim Anblick eines Mannes in Anzug schwach werden würde.
Und sie hatte recht! Zu 100 Prozent recht! In dem einen Moment, in dem ich ihn angesehen hatte, hatte mein Hirn scheinbar ein gedankliches Foto von ihm geschossen. Der schwarze Anzug saß so perfekt, dass ich mir sicher war, dass er nicht von der Stange war. Seine dunken Locken fielen ihm leicht in die Stirn und der Dreitagebart rundete sein markantes Gesicht ab. Er sah aus, als wäre er aus einer Parfumwerbung gefallen oder dem Cover einer Zeitschrift mit dem Titel ,Wie perfektioniert man sein Aussehen - Ein Kommentar von Enzo Gonzalez Álvarez' entsprungen.
,,Ja - Dash hat nochmal mit seinem Dad geredet!", meinte Celine mit funkelnden Augen und schenkte Dash einen verliebten Blick. Dieser grinste nur und winkte ab: ,,Ach, jetzt wo wir offiziell ein Paar sind und da ich ja sowieso bald in die Firma mit einsteige, hatte er ja auch kaum eine Wahl!"
Die Firma. Dieses eine Wort erinnerte mich wieder daran, wo ich hier eigentlich war und setzte meinen dummen, schwärmerischen Gedanken ein Ende. Fürs erste.
,,Du siehst überigens wunderschön aus, Celine! Und ihr natürlich auch!", sagte ich lächelnd. ,,Und das sagst du! Das Kleid sieht aus als wäre es für dich angefertigt worden!", erwiederte sie strahlend. Auch Dash gab das Kompliment zurück. Nur Enzo schwieg zur Abwechslung. Schließlich beschlossen wir reinzugehen.
Enzos Hand legte sich ganz sanft auf meinen unteren Rücken und ich spürte seine Wärme durch den Stoff hindurch. Ich versuchte jedes sich regende Gefühl in meinem Inneren niederzuringen.
,,Du bist heute so still, Enzo!", meinte ich und wagte es immer noch nicht zur Seite zu sehen, als wir Dash und Celine mit ein wenig Abstand folgten.
,,Das geht schätze ich auf deine Kappe!", sagte er leise und nun musste ich ihn doch ansehen. Ich hatte Mühe nicht zu stolpern - Gott, wie konnte ein Mann so schön sein?
,,Was meinst du?", fragte ich und merkte selbst, wie belegt meine Stimme klang. Er verzog den Mund wieder zu diesem schiefen Lächeln: ,,Es schaffen wirklich nicht viele Menschen mich sprachlos zu machen, aber dir ist es heute gelungen! Te ves increíble!"
Meine Sprachkenntnisse reichten gerade noch aus, um increíble als unglaublich zu übersetzen. ,,Du kannst dich aber auch sehen lassen!" Ich spürte, dass ich ein wenig rot wurde und wandte schnell meinen Blick ab.
Was zur Hölle hatte ich plötzlich für ein Problem und seit wann konnte Enzo mich so leicht aus der Fassung bringen? Ich versuchte mir all die Dinge, die mir der BND über die Familie mitgeteilt hatte, in Erinnerung zu rufen, doch ertappte mich selbst dabei, wie ich versuchte ihn zu verteidigen. Ich wusste ja eigentlich gar nicht, was genau er für eine Rolle in dem Familiengeschäft spielte.
Wir traten nun in einen großen, festlich geschmückten Saal, der von Leuten nur so wimmelte. ,,Arbeiten die alle für - bei A&P?", fragte ich an Enzo gewandt und er nickte.
,,Mehr oder weniger! Nicht alle sind von hier! Wir haben auch noch einen Sitz in Spanien." Kein verräterisches Zucken in seinen Augen - nichts, dass mich darauf schließen lassen könnte, dass er mir ein wesentliches Detail verschwieg. Doch ich wusste ja, dass er es tat. Bei dem Unternehmen in Spanien handelte es sich wohl um einige andere Mitglieder Camorra, die dort das illegale Geld verdienten.,,Verwandte oder Kollegen?", fragte ich trotzdem und tat weiterhin ahnungslos. ,,Sowohl als auch!"
Ehe noch jemand von uns etwas sagen konnte, entdeckte ich gleich mehrere bekannte Gesichter. Mr Álvarez stand in einer kleinen Gruppe mit seiner Frau und ein paar Männern. Einen erkannte ich wieder. Er hatte mich an meinem ersten Tag eingearbeitet. Ich meinte mich zu erinnern, dass er Valerio hieß. Mr Álvarez hob die Hand und winkte mich zu sich herüber.
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Lo Que Quieres - Was du wirklich willst
Romance"Ach, ich hatte vergessen, dass du schlechte Erfahrungen mit One Night Stands gemacht hast. Tut mir natürlich leid, dich jetzt in so eine Situation gebracht zu haben!" Enzo lehnte sich nun mit hinterm Kopf verschränkten Armen auf dem Sofa der Sitzec...