Kapitel 1

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Es ist schon dunkel draußen, als ich mich auf den Weg zum Haus mache. Die Luft ist kühler, jetzt wo die Sonne nicht mehr scheint und die Luft nicht mehr von ihrer Wärme erhitzt wird. Es ist jedoch nicht unangenehm, im Gegenteil, nach einem so heißen Tag wie heute ist es wunderbar, ein leichtes, kühles Lüftchen auf meiner schweißnassen Haut zu spüren. Der Sommer dieses Jahr ist noch heißer als letztes Jahr, und es scheint so, wie wenn jeder Tag den davor an Hitze und Trockenheit übertrifft.
Ich trainiere jetzt schon seit 3 Monaten, also seit Juni, am Abend, immer erst dann, wenn die Sonne nicht mehr hoch oben am Horizont steht, sondern schon langsam ihre Reise nach unten antritt. Und trotzdem ist es noch immer fast unerträglich heiß, wenn ich durch den Wald renne. Wenigstens schenken mir dort die großen Bäume zusätzlichen Schatten. Ich sollte mich wohl nicht beschweren, denn wenn der Winter beginnt, werde ich mir diese Hitze zurückwünschen, und meine eingefrorenen und steifen Gliedmaßen verfluchen.

Ich laufe langsam über unsere großen grünen Flächen und durch ein paar kleine Blumengärten, bei denen mehrere Angestellte stehen, um die Pflanzen dort zu bewässern. All das gehört zum Anwesen meiner Familie, genauer gesagt meinem großen Bruder Phileas, er ist hier der Herr und Lord. Ich lebe hier mit ihm, seiner Frau Hellen und meiner Mutter. Mein Vater lebt nicht mit uns, er lebt gar nicht mehr. Er ist verstorben, als ich grade einmal vier Jahre alt war. Wegen meinem jungen Alter erinnere ich mich leider nicht mehr wirklich an meinen Vater, und die kleinen Erinnerungen, die ich noch besitze, und die mir manchmal in den Kopf kommen, verblassen immer mehr mit der Zeit. Ich habe ja auch nichts womit ich das verhindern könnte.

Jetzt bin ich nur noch ein paar Meter von der Hintertür, die durch die Küche ich einen großen Flur führt, entfernt. Ich bleibe stehen. Drehe mich um, meine Hände ruhen auf meinen Hüften. Langsam setze ich mich auf die erste Stufe von dreien, die zur besagten Tür führen. Ich muss bei dem Vorgang mich zu setzen, wohl wie eine alte Frau wirken, denn mir tun jegliche Gelenke weh und meine Größe trägt nicht immer dazu bei, dass meine Bewegungen elegant und anmutig wirken, grade bewirkt sie wohl das komplette Gegenteil, steif, unbeweglich und grob. Ich stütze mich mit meinen Unterarmen auf die höhere Stufe und lege den Kopf in den Nacken, um in den Himmel zu blicken.
Manche würden die Zeit nicht mehr als Abend, sondern schon als Nacht bezeichnen, aber ich bleibe gerne lange wach, dann ist die Hektik des Tages verschwunden und diese heimische Ruhe nimmt ihren Platz ein. Mein Atem geht wieder ruhiger und mein Herz schlägt in einem normalen, natürlichen Takt. Der einzige Beweis für meine Einheit Sport vorhin sind jetzt meine Klamotten mit den Schweißflecken und der Schweißgeruch, der noch an mir hängt, doch beides stört mich grade nicht im Geringsten.

Ich genieße noch ein paar kurze Minuten, die wie im Flug vergehen, die jetzt angenehme Temperatur und den Blick in den atemberaubenden Nachthimmel. Der Himmel scheint in einem hellerem Blau zu erscheinen, als andere Abende, aber dennoch, es ist ein wunderschönes tiefes Nachtblau. Und einzeln sind Sterne zu erkennen, die den Himmel wunderschön erstrahlen, und ihm noch mehr Schönheit verleihen, als er bräuchte. Ich reiße meinen Blick von diesem Kunstwerk, das sich mir bietet, los und erhebe mich genauso krüppelig, wie ich mich auch hingesetzt habe. In der Küche ist es schwül, und obwohl der Geruch, der in der Luft liegt, bewirkt, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft, ist der Dampf, der im Raum ist, unangenehm warm und feucht. Mit großen Schritten eile ich aus der Küche und weiche den Küchenhilfen geschickt aus, auf meinem Weg nach draußen. Obwohl ich meinen Namen höre, der grade von jemanden gerufen wird, halte ich nicht an und eile, so schnell ich kann, durch den Flur zur Treppe und diese hinauf. Dabei versuche ich, immer 2 Stufen auf einmal zu nehmen, um so schnell wie möglich zu meinem Zimmer zu kommen. Oben angekommen drehe ich den Türknauf, der Tür, die zu meinem Zimmer führt, um und husche schnell hinein. Als ich die Tür schließe, drehe ich auch direkt den Schlüssel im Schloss um, um jeden draußen zu halten, egal, was der oder die von mir möchte. In meinem Badezimmer, was direkt neben meinem Zimmer ist, lass ich Wasser in die Badewanne.

Natürlich haben wir Zugang zu warmen und heißen Wasser, nicht so wie die meisten im Land, aber ich habe es gern in eiskaltem Wasser zu baden. Ich mag das Gefühl, wenn sich eine Gänsehaut auf meiner Haut bildet und sich die Haut vor Kälte zusammenzieht. Ich ziehe mir das nasse, früher einmal strahlend weiße Hemd über meinen Kopf, drücke mir mit meinem rechten Schuh den linken vom Fuß und greife dann mit beiden Händen nach dem Rechten. Nach ein paar Hüpfern auf einem Bein schmeiße ich den rechten Schuh in die Ecke. Dann ziehe ich auch noch die Hose aus. Nur in Unterwäsche, die aus einer Unterhose und aus einem Band, was ich mir eng um meine Brüste gebunden habe, besteht, laufe ich zu dem großen Spiegel der in meinem Ankleidezimmer direkt neben meinem Bad, steht. Ich bleibe vor dem Spiegel, der äußerst kunstvoll mit kleinen goldenen Elementen an beiden Seiten verziert ist, stehen und betrachte mich genaustens.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt