Kapitel 38

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Stramm sitze ich im Sattel, es ist das erste mal, soweit ich mich erinnere, dass ich reite, seitdem mir Abbadon gestohlen wurde. Jetzt sitze ich auf einer braunen Stute, deren Mähne mit geflochtenen Zöpfen geschmückt wurde. In meinen, mit Lederhandschuhen bedeckten, Händen halte ich die Zügel, und führe das Pferd östlich, von unseren Anwesen. Auf dem Weg zum Friedhof, überlege ich mir, was genau man bei so einem Besuch tun sollte. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr besucht, und noch nie alleine. Gebete kann ich nicht wirklich, und ich weiß, dass er, wie der Rest der Familie, nicht sonderlich gläubig war.

Auch wenn ich auf einen Friedhof gehe, bin ich versteckt bewaffnet, es fühlt sich falsch an, an so einen Ort mit Waffe zu kommen. Der Friedhof ist sehr groß und zwischen den einzelnen Gräbern, mit Grabsteinen, sind große Abstände. Ich kann keinen weit und breit sehen. Der Friedhof ist nicht wirklich abgesichert, oder eingezäunt, aber ein großes Tor gibt es trotzdem. Direkt neben dem Tor befindet sich ein kleiner Tempel. Ich steige vom Pferd und führe es zu einem Baum, den ich vom Friedhof selbst, auch noch sehen können müsste. Aus der Satteltasche krame ich eine Lehmskulptur, nichts besonderes, aber sie hat die Form eines Sterns und ich dachte, damit könnte ich das Grab schmücken.

Es ist wenigstens einfallsreicher, als ihm Blumen hinzulegen. Den Stern habe ich aus der Stadt, dort war ich vor zwei Tagen, um mir eine Maske für den Maskenball zu holen, und ich wurde auch fündig. Ich klopfe mir den Staub von meinem schwarzen Kleid und gehe los. Hellen weiß wo ich bin und hat mich daran erinnert, dass Schwarz die Farbe der Trauer sei. Ihr zur Liebe habe ich mich dann umgezogen und jetzt stehe ich hier, in einem schwarzen Kleid, mit weißen Rüschen an Ärmeln, Kragen und Samt. Da ich aber einen Mantel darüber habe, sieht keiner mein Kleid, was noch ein Grund dafür ist, dass ich die ganze Tuerei für sinnlos empfinde. Ich gehe auf dem Kiesweg quer über den Friedhof. Das grab meines Vater ist mittig und nicht weit vom Anfang entfernt. Schließlich bleibe ich stehen, ich knibble an meinem Armband rum und drücke den Stern in meiner rechten Hand fest, als Ventil, für das seltsame Gefühl in mir. Auf dem Grab steht ein hoher Stein, aus Marmor, auf dem der Name meines Vaters, Hector Alloy, sein Todes Alter, 41, und auch die Daten seines Todes stehen, 06. Februar, eingraviert ist. Sogar ein paar Worte stehen darunter.

In Gedenken an Hector,

Einen Ehemann, Vater, Freund, Sohn und vieles mehr

Ein ehrenwerter Mann

Ich schaue betrübt auf den Stein, lese die Worte immer und immer wieder. Ich muss nicht weinen, aber ich trauere. Der Stern, den ich in meiner Hand fast zerdrücke, lege ich auf sein Grab, was mit Gras überwachsen ist. Dafür knie ich mich hin und strecke mich über das Grab, bis hin zum Grabstein. Die Skulptur steht angelehnt, an ihm. Ich bleibe auf den Knien sitzen, lege meine Hände auf die Oberbeine und sitze einfach nur da. Er ist nicht da, ich habe keine Verbindung mehr zu ihm und trotzdem sitze ich hier. Und tief in mir drin hoffe ich er könnte mir was sagen, letzte Worte, die ich in Ehren halten kann. Ich lege meine rechte Hand auf sein Grab, als könnte ich ihn fühlen, irgendwas. Aber da ist es dieses Nichts. Mir stehen jetzt doch Tränen in den Augen und ich weiß nicht einmal genau warum. Ich schaue nach oben und fasse mir vorsichtig mit der linken Hand an den Augenrand, um das gesammelte Tränenwasser weg zu wischen, bevor Tränen kullern. Ich schaue wieder runter, und stehe wieder auf. Obwohl hier nichts ist, will ich nicht weg.

"Ich vermisse dich." Ich spreche Worte, die ihn nicht erreichen. Endlich wende ich mich ab. Die Hände vor mir verschränkt, mein Blick nach vorne gerichtet. Nur wenige Meter vor dem Tor, entscheide ich mich anders und gehe in den Tempel. Der Tempel ich achteckig, und hat einen kleinen Vorbau. Von außen wirkt er kleiner, als er eigentlich ist. Obwohl Schwarz die Trauer Farbe sein soll, ist hier drin alles weiß. Sogar die Blumen, die an den Bänken hängen sind cremeweiß. Erst denke ich auch hier ist niemand, aber in der ersten Reihe sitzt jemand mit gesenkten Haupt. Als ich die Peron entdecke, will ich wieder umdrehen, doch sie spricht mich an. "Was führt dich hier hin, mein Kind." Seine Stimme ist warm und einladend. "Ich weiß es nicht.", gebe ich leise zu, man hört die Trauer, glaube ich zumindest. "Warum willst du denn hier sein?" Ich weiß nicht genau worauf er hinaus will, lasse mich aber auf das Fragenspiel ein. "Warum sollte man hier her kommen?"

Er steht jetzt auf. Er hat weißblonde Haare, ist schon etwas älter und trägt eine Weiße Robe. Die Ärmel sind weit und auch der restliche Schnitt, ist sehr luftig. Um seinen Hals hängt ein Amulett, mit einem weißen Auge als Anhänger. "Viele suchen Antworten." Er läuft ein paar Schritte auf mich zu, seine Robe schwebt über dem Boden und seine Sandalen werden sichtbar, dann bleibt er stehen. "Und auf was suchen sie Antworten?" Er hat eine schräge Mimik. "Auf alles. Warum sterben geliebte Menschen? Wo sind sie? Warum bin ich hier? Nur ein paar der Fragen." Ich kenne mich nicht gut mit den verschiedenen Glaubensrichtungen aus, aber da das hier ein staatlicher Friedhof ist gehe ich davon aus, dass er ein Priester der Weltschen ist. Auch sein Amulett sagt mir das. Das weiße Auge steht für Reinheit, und die Beobachtung der Heiligen, über uns. Mir gefällt diese Idee nicht, und meinem Vater hat sie auch nicht gefallen, und doch liegt er hier. "Du bist eine Ungläubige." Das ist keine Frage, es ist eine Feststellung. Bis jetzt werden Ungläubige, soweit ich weiß, noch nicht verfolgt, aber besonders angesehen sind sie auch nicht. "Was ist schon ein Ungläubiger." Er scheint zu Grinsen. "Sie sind interessant. Eine interessante Frau." Seine Worte gefallen mir immer weniger, und statt, dass der Tempel ein Rückzugsort ist, ein Ort zum trauern ist, ist er einfach nur beengend mit einem komischen Priester darin. "Ich werde gehen.", gebe ich bekannt und drehe mich um. "Der Segen der Heiligen sei mit Ihnen." Ich gehe zur Tür, aber seine Worte, die er mir nach seinem Wunsch zuspricht, versetzen mir eine Gänsehaut. "Ich hoffe ihnen schon bald das Glauben zu lehren. Ungläubige." Es sind nur leere Worte, wir werden uns nicht wieder sehen, aber der Priester sagt nur das, was viele andere seiner Art auch denken werden.

Das macht mir Angst.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt