Kapitel 5

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Ich sitze auf meinem Himmelbett, und um mich herum liegen die Entwürfe der Kleider. Mit einer Tasse Tee in der einen Hand schaue ich mir Hellens Werke noch einmal genaustens an. Das erste Kleid ist hellblau, fast schon weiß, die Ärmel liegen über den Oberarmen und sind in einem etwas dunklerem blau. Die Ärmel ziehen sich bis hin zum Dekolleté, wo sie dann elegant die Brüste betonen. Ein Band liegt um die Taille herum, es hat die Farbe der Ärmel. Bei genauerem Hinschauen erkennt man kleine Steine auf dem Gürtel, die sogar in der Zeichnung zu glitzern scheinen. Das Kleid fällt grade nach unten, und der Stoff fällt über die Füße auf den Boden, hinten ist der Stoff etwas länger und sammelt sich auf dem Boden zu einer kurzen Schleppe. Hellen hat sogar an Schmuck gedacht, ein blaues Band, was dem Gürtel sehr ähnlich sieht und die Farbtöne des Kleides wieder aufgreift, ist der Figur um den Hals gelegt. Das nächste Kleid ist hochgeschlossen bis zum Hals, doch auch bei diesem Kleid wird das Dekolleté perfekt in Szene gesetzt. Zwischen den Brüsten befindet sich nämlich ein großen Ausschnitt, der hinunter bis zum Bauch gezogen ist. Die Ärmel sind kurz, sitzen locker und ziehen wunderschöne Falten. Der knallige Türkiston des Kleides ist allein schon ein Blickfänger, nur hört der Stoff in der Farbe an den Knien auf. Der Stoff endet schräg von rechts oben bis nach links unten und wird von einem hellen, durchsichtigen Stoff abgelöst. Um die Unterarme der Figur sind dünne Bänder gebunden, diese schnüren sich hoch bis zu den Ärmeln und sehen ein wenig wie Schlangen aus, die sich ihren Weg über die Arme suchen.

Die Skizzen sind so gut gezeichnet worden, dass es mir sehr einfach gelingt, die Kleider in meinen Gedanken an mir selbst zu sehen. Sogar die Stoffe kann man förmlich fühlen durch die Zeichnungen. Das letzte Kleid ist wohl das pompöseste Kleid von allen. Es ist schulterfrei, und es sind auch keine Ärmel an das Gewand angebracht. Am Oberkörper ist kein ein einfacher, typischer Ausschnitt, denn er ist mit scharf aussehenden Zacken geschmückt, die mal länger, mal kürzer und mal breiter, mal schmaler sind. Sie erinnern mich an Eiszapfen, die von den überstehenden Dächern im Winter hängen. Es ist das einzige Kleid, das nicht grade geschnitten ist, sondern weit und majestätisch. Das Kleid verläuft am Oberteil von einem dunklen Blau, das fast schon schwarz aussieht, zu einem immer heller werdenden Blauton, der trotzdem noch zu den tiefen Farbtönen gehört. Der Rock des Kleides sieht wie ein Nachthimmel aus, auf dem sich verschiedene finstere Blaue tummeln und eine zauberhafte Atmosphäre erschaffen. Überall auf dem Unterteil des Kleides tauchen kleine silberne Sterne auf, die um die Wette strahlen. Aber auch für dieses Kleid gibt es ein außergewöhnliches Accessoire, über den Armkehlen ist auf jeder Seite jeweils ein dunkles Armband angebracht, an denen unterschiedlich dunkelblaue Tücher befestigt sind und faltig bis auf den Boden gleiten. Diese Art von Ärmeln verleiht dem sonst schon unbegreiflichen Outfit den letzten Schliff. Nur daran zu denken, eins dieser Kleider zu tragen, versetzt mich in Euphorie und zaubert ein Lächeln.

Ich trinke einen Schluck des nur noch lauwarmen Tees und stelle ihn danach auf meinen Nachttisch. Auch die Skizzen lege ich weg in die Schublade des Tisches, aber meine Gedanken sind noch immer bei ihnen. Ich wusste nicht, dass Hellen Kleider designet. Wie viele ihrer eigenen sind wohl wirklich von ihr entworfen worden? Was ich wusste, ist, dass sie sehr gut zeichnen und malen kann, manchmal steht sie draußen mit einer Staffelei, einer Leinwand, Farbe und Pinseln und schwingt diese so geschmeidig über die Fläche, dass es so aussieht, als hätte sie einen Zauberstab in der Hand und würde mit ihrer Magie herumspielen, und das, was sie erstellt, könnte man wirklich magisch nennen. Viele ihrer Werke habe ich nicht gesehen, aber die, die ich gesehen habe, waren allesamt so überwältigend wie ihre Skizzen.

Ich steige vom Bett und gehe zum Schminktisch, an den ich mich setze und meine Haare zusammenbinde. Wir haben Mittagszeit, und ich überlege, was ich noch machen könnte, bis es endlich etwas abkühlt. Ich war schon lang nicht mehr in der Stadt. Ich sollte etwas shoppen gehen. Mal sehen, ob sich etwas verändert hat seit dem letzten Mal. Nachdem ich mich fertig gemacht habe, gehe ich aus meinem Zimmer und die Treppen hinunter. Die Innenstadt von Ankur ist zwar nicht besonders weit weg, dennoch ein kleines Stück. Ich könnte zur Stadt reiten, doch dann müsste ich das Pferd irgendwo unterbringen und fest binden, das Risiko ist zu hoch, dass es gestohlen wird. Auch bei einem sturen Pferd wie Abbadon gehe ich das Risiko was besteht nicht unnötig ein. Dann gibt es auch die Möglichkeit, mit der Kutsche zu fahren, was mir aber zu viel Aufwand ist für einen so kleinen Ausflug. Ich entscheide mich also doch, zu Fuß zu gehen, zum einem, um Aufwand zu sparen und andererseits einfach für die Bewegung und frische Luft, die der Weg mit sich bringen wird. Unten hole ich mir einen Korb aus der Küche und lege zwei Feldflaschen mit Wasser, einen Apfel, eine kleine Tasche mit Geld und einen Handfächer in den Korb.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt