Kapitel 21

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Die Zeit vergeht wie im Fluge und jeden Tag hoffe ich auf irgendeine Art von Nachricht von Lerya, aber es kommt nichts und es sind Wochen vergangen, seit dem Ball. Die Wunde an meinem Fuß ist gut verheilt und abgeschwollen, sie tut nur noch so weh, wie ein blauer Fleck und ich glaube die Narbe, wird dank Leryas glatten Schnitten, nicht schlecht aussehen, so gut es eben aussehen kann. In den Tagen, lässt mein Groll gegen Viez zwar nach, verschwindet aber nicht. Ich ignorier ihn einfach, was das Sprachliche angeht, denn beim Training versuche ich weiterhin mit all meiner Kraft ihn fertig zu machen.

Hellen ist kurz vor der Endbindung, aber hat bis jetzt keine Anzeichen dafür, dass ihr Kind, in den nächsten Tagen vor hat zu Welt zu kommen und deshalb ist sie, obwohl mein Bruder alles versucht hat, damit sie es nicht tut, mit ihm für ein Wochenende weggefahren. Sie wurden eingeladen, von möglichen neuen Kunden, diese wohnen in der Hauptstadt und haben sie auch gebeten, bei ihnen zu übernachten. Natürlich wollte Phileas auch das nicht, aber Hellen beweist immer wieder, wie sehr sie ihn im Griff hat und hat für beide dankend angenommen. Da meine Mutter, auch als Geschäftsführerin gilt, geht sie mit. Die nächsten zwei Tage bin ich also alleine mit Clarissa, und den Angestellten natürlich. Ich denke, es wird nicht schwer, ihr aus dem Weg zu gehen, wir sehen uns eigentlich nur beim Bogenschießen oder gelegentlich beim Abendmahl. Am ersten Abend, den ich mit Clarissa alleine bin, entscheide ich mich abends noch einmal rauszugehen und eine Runde zu Jagen.

In letzter Zeit war ich wieder öfters draußen im Wald um etwas zu erlegen, meistens am Abend, auch wenn da eigentlich weniger Tiere unterwegs sind und die Sicht schlechter ist. Es hat zwar zur Folge, dass ich oft ohne Beute ende, aber gleichzeitig gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit und ich lerne meine anderen Sinne gezielter einzusetzen. Also ziehe ich mir meine Jagdklamotten an und nehme Dolch, Pfeil und Bogen mit. Ich laufe ziellos, aber orientiert durch den Wald und versuche etwas zu entdecken, was man essen könnte, und was am besten auch schmeckt. Die Zeit vergeht, aber ich schleiche weiter, so leise ich kann zwischen den Bäumen und passe auf, dass mein Mantel sich nicht irgendwo verhängt.

Dann höre ich etwas zwischen den Büschen und ziele mit dem Pfeil, den ich schon von Anfang an an der Sehne hatte. Ich weiß zwar nicht genau worauf ich ziele, aber das tut nichts zur Sache. Ich gehe langsam und leise näher an die Stelle, wo ich die Geräusche gehört habe. Und dann gucken mich zwei dunkle Augen an, sie gehören zu einem Fuchs. Ich handle schnell, zu schnell für den Fuchs. Der Pfeil steckt dort, wo sein Herz sitzt. Schnell bücke mich und ziehe erst den Pfeil raus, dann hebe ich das tote, schlaffe Tier hoch und über meine Schulter. Nie hätte ich gedacht, dass ich jagen gehen würde, und dabei muss ich es nicht einmal, und dieser Fakt setzt mir manchmal zu. Ich töte Tiere zwar, um Essen zu haben, aber andere erfahrende Jäger, die bezahlt werden, könnten das genauso gut tun, bestimmt sogar besser.

Die Lichter des Hauses kann man schon von hier erkennen und in mir steigt die Freude auf ein gemütliches Sofa mit einem guten Buch. Ich bin so sehr in Gedanken, dass ich die Geräusche von Schritten hinter mir kaum höre, aber sie sind da, und ich höre sie. Dass ich mir die Schritte einbilde ist kaum möglich, aber ich laufe dennoch erst einmal ruhig weiter. Ich muss an die Nacht des Balls denken und komme auf die Idee, dass es ja Lerya sein könnte. Noch sage und tue ich nichts, aber ich bereite mich vor. Als ich die Schritte immer näher in meinem Rücken spüren kann, drehe ich mich plötzlich um und sehe eine große Gestalt auf mich zu kommen, die auf keinen Fall die zierliche Lerya ist. Sofort wäge ich meine Chancen ab, ein Mechanismus, der dank Viez Training fest sitzt.

Die Chance, dass ich ihn, der da gefährlich auf mich zu kommt aus der Dunkelheit, mit meinem Dolch nicht außer Gefecht setzen könnte ist mir zu wahrscheinlich, deswegen lass ich den Fuchs von meiner Schulter rutschen, zücke meinen Bogen und hole so schnell ich kann einen Pfeil aus dem Köcher. Die Gestalt bewegt sich weiter auf mich zu und zwar außergewöhnlich ruhig, für jemanden, auf den ein Pfeil gerichtet ist. Es ist dumm, aber ich rufe ihren Namen trotzdem. "Lerya?" Keine Antwort. Das Adrenalin steigt in mir auf. Als ich noch etwas auf mich zukommen höre, drehe ich mich grade noch schnell genug um, und schieße. Das erste mal, dass ich auf einen Menschen schieße. Der Körper bricht zusammen und liegt reglos auf dem Boden.

Meine Hände zittern, aber es bleibt keine Zeit für Reue oder Angst, denn zwei weitere Personen springen aus nicht allzu hohen Bäumen. Ich habe schon einen neuen Pfeil, und der Bogen ist gespannt, ich ziele, schieße, und der Pfeil trifft. Die erste Gestalt, die ich gesehen hatte. steht jetzt nur noch einen Meter von mir entfernt. Er greift an und, da ich keine Zeit habe, um einen Schuss loszulassen lasse ich meinen Dolch wieder in meine Hand rutschen und springe auf. Beim Sprung steche ich zu, kein tödlicher Stich, aber ein wirksamer. Der Angreifer sinkt auf die Knie. "Tötet dieses Weib einfach!", schreit er und ich kann den Schmerz in seiner Stimme hören. "Halt die Fresse!", sagt eine andere Stimme, eine männliche und sie sagt es mit deutlich gesenkter Stimme, sie wollen keine Aufmerksamkeit erregen. In wenigen Sekunden stehe ich nicht mehr nur vor einer fremden Person, sondern vor vier.

Sie umzingeln mich und noch haben sie einen großen Abstand, der sich aber immer schneller verkleinert. Ich suche nach einem Ausweg, aber ich sehe keinen. Die Vier sind alle bewaffnet und es grenzt an ein Wunder, dass ich den ersten Angriff wirklich abwehren konnte. Mein Dolch ist viel zu klein für einen richtigen Kampf und für Pfeil und Bogen ist es jetzt zu spät. Und ich sehe, wie mindestens einer der Männer eine Pistole in der Hand hält, was mir noch mehr Angst bereitet. Ich sitze in der Falle. Alle kommen auf mich zu und ich atme immer schneller. Panik und Angst ist das einzige, was ich noch spüre. Werden sie mich umbringen? Nein ich glaube nicht, denn die Antwort des einen war Halt die Fresse, als sein Kumpel ihm gesagt hat, er solle mich töten. Langsam, wie ein Tier in die Enge gedrängt, drehe ich mich im Kreis, den Dolch fest umschlossen. Ich kann die Lichter des Hauses noch sehen, vielleicht könnte man mich hören, wenn ich schreie.

Mit letzter Hoffnung setze ich zum Schrei an, verstumme aber, als sich eine Hand um meinen Mund schließt. Ich beiße zu und die Hand ist zwar nur kurz weg, aber lange genug um einen kurzen, einigermaßen Lauten Schrei loszulassen. Ich zapple rum, wie ein Fisch am Land und dann greift eine andere Hand um mein rechtes Handgelenk, ich spüre den unangenehmen Druck, und wie sich das Armband meines Bruders in meine Haut drückt. Durch den Griff kann ich meine Hand nicht mehr bewegen und mein Dolch, der in dieser liegt nutzt mir nichts mehr. Die Hand ist so groß, dass sie nicht nur meinen Mund schließt, sondern auch meine Nasenlöcher. Ich kriege nur sehr schlecht Luft und meine panische Atmung, ist nicht besonders positiv förderlich. Und dann wird mir schwarz vor Augen. Eine weitere Stimme, eine weibliche ist zu hören. Eine sehr weiche Stimme, sie klingt wie von einem Mädchen.

Doch das Rauschen in meinen Ohren ist so laut, dass ich nicht höre, was sie sagt. Nur ihr Klang ist mir klar. Mit meinem verschwundenen Sinnen verschwindet auch meine Bewegung. Plötzlich lassen mich die Hände los, der Dolch wird mir aus der Hand gerissen und ich sacke auf den Boden. Mit letzter Kraft drehe ich mich auf den Rücken. Mein Mund steht leicht auf, und ich sauge die kühle Luft ein. Mein Blickfeld vergrößert und verbessert sich wieder und ich erkenne ein Gesicht über mir. Eine junge Frau, oder fast noch Mädchen, wenn ich mich nicht täusche, steht über mir und lächelt mich breit mir graden weißen Zähnen an. Sie hat grüne Augen und kleine, kurze Augenbrauen. Sie ist hübsch, doch bestimmt wird mit ihr Aussehen nichts nützen. "Na wen haben wir denn da?", fragt sie mich noch immer grinsend.

Ich mache den Mund auf um etwas zu sagen, aber sie hockt sich neben meinem Kopf und legt mir ihren Zeigefinger auf die Lippen, dabei schüttelt sie leicht den Kopf. "Nein, nein, Alec. Spar die deine Kräfte, du wirst sie brauchen." Ihre Worte versetzen mich in noch mehr Angst. Ich setzte wieder an, um etwas zu sagen. Und wieder werde ich aufgehalten. "Sch. sch, ich habe dir doch gesagt, den Mund zu halten. Aber keine Sorge, du wirst leben. Und hier bleiben." Sie lächelt so bei ihren Worten, dass das nichts Gutes bedeuten kann. Leben ist vielleicht nicht das, was ich mir wünschen werde. Die Anderen sind etwas zurück getreten, kreisen uns aber weiterhin ein. Das Mädchen drückt die Knie durch und stellt sich aufrecht hin, ich bleibe liegen. Ihre schulterlangen, dunkel braunroten, glatten Haare glänzen unter dem Schein des Mondes. Sie ist groß, vielleicht sogar so groß, wie ich. Sie schaut von oben auf mich herab.

"Wollen wir ein Spiel spielen?" Ich muss und soll auch nicht antworten. "Ja lass uns ein Spiel spielen. Es geht so, Ich frage dich eine Frage über mich und du musst sie richtig beantworten, wenn deine Antwort falsch ist.... Naja dann gucken wir mal." Ihr Lachen ist wohl aufgenäht, sie senkt ihre Mundwinkel nicht einmal. Sie schnippst mit ihren Fingern und einer der Gestalten, die alle maskiert sind, tritt vor. Es ist zwar sinnlos sich zu währen, aber ich tue es. Ich tue es so extrem, dass sie mich zu zweit fesseln und knebeln müssen. Vorher ziehen sie mir noch meinen Mantel aus. Der Knebel in meinem Mund ist mir an unangenehmsten. "Also beginnen wir! Erste Frage, eine einfache... Wer bin ich?" Der Name liegt mir auf der Zunge. Der einzige Name, der Sinn ergeben würde. Vapas.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt