Kapitel 53

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Seth teilt mir amüsiert mit, dass ich einen ganzen Tag und eine ganze Nacht verschlafen habe, was gleichzeitig bedeutet, dass sie diese Zeit nicht geschlafen haben. Es ist Mittag, das erkenne ich an der hoch stehenden Sonne im Süden. "Hast du was zu trinken?" Meine Stimme hört sich krächzend an. Er hält an und verdreht sich nach hinten, ich kann das leise Stöhnen hören, das er von sich gibt. Es muss an seiner Schulter liegen. Er dreht sich zurück und reicht mir eine Feldflache mit Wasser, die ich in wenigen Schlucken leer habe. Würden wir nicht schon wieder in Bewegung sein, hätte ich um mehr gebeten. Ich merke das unangenehme Stechen, was von meiner rechten Seite ausgeht und versuche es zu ignorieren, was mir sehr schwer fällt und immer wieder versuche ich eine Position zu finden, in der es nicht schmerzt. Wir reiten noch bis zum Nachmittag, dann endlich hält Lerya vor uns an. Seth hilft mir vom Pferd, und ich stehe auf meinen etwas wackligen Beinen, erst mit seiner Hilfe, dann ohne sie. Ich gehe zu der Stelle, an der bald schon ein Feuer brennen wird und lasse mich nieder. Da ich die letzten Stunden und Tage nur auf dem Pferd saß, lege ich mich jetzt endlich hin. Sogar dabei muss ich aussehen wie eine gebrechliche Oma.

Als ich endlich liege kommt auch schon Lerya. "Ich muss die Wunde nochmal reinigen, in zwei Wochen löse ich den Faden wieder." Diese Aussicht freut mich nicht wirklich. Etwas was ich auch hasse sind eigene, schwere Verletzungen, die einen am besten noch für Tage, Wochen oder Monate verhindern und beeinflussen. Lerya kommt zu mir auf den Boden, hebt mein Hemd, das noch immer Blut getränkt ist, und mein Unterhemd, das nicht weniger rot ist, hoch und tastet die Wunde ab. Ihre kalten Finger auf meiner Haut lassen mich zusammen zucken. Dann verwandelt sich ihr Abtasten langsam in ein Rumdrücken. Ich ziehe scharf Luft ein. "Du hast gesagt, du willst sie säubern nicht aufreißen." Sie lächelt leicht, was ich sehr gerne sehe. "Mache ich auch jetzt, wollte nur was gucken." Und dann schüttet sie noch kälteres Wasser über meinen Bauch. Ich hechele und versuche die Kälte weg zu atmen. Sie tupft leicht rum und macht auch noch irgendwas mit ihren Fingern. Ich kann sowieso nichts sehen, also schaue ich nach oben. Leider verdecken die vielen Bäume und ihre Blätter den Himmel, fast vollständig, und das, was ich erkennen kann ist nur ein Blauton, der sich bald in Schwarz verwandelt, nachdem die Sonne untergegangen ist.

Doch dann versperrt mir Seths Kopf die Sicht. "Ich kann nichts mehr sehen."

"Waren die Bäume so interessant? Außerdem magst du diese Aussicht doch viel lieber." Wenn er solche kleinen Kommentare über sich selbst gibt, ist das nicht, wie bei Viez, bei dem es sich manchmal so angehört hat, als würde er es ernst meinen. Nichts ist bei Seth, wie bei Viez. Ich funkle ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an. "Hatte schon bessere." Sage ich nur trocken und ziehe dabei die Schultern leicht hoch. Er grinst und zieht die Augenbrauen hoch, er kann das nicht, wie Ravan, der immer nur eine hebt. "Der Anblick da auf dem Boden sieht auch nicht besonders toll aus, kann ich dir versichern."

Bevor ich was erwidern kann zieht Lerya mein Hemden runter und steht auf. "Auch wenn euer Gespräch total informativ ist, würde ich dir empfehlen, Alec, dich auszuruhen. Eigentlich bräuchtest du Wochen Ruhe, die du aber nicht hast. Denk mit daran die Wunde weiter zu spülen. Und zieh dir mal was anderes an, schadet nicht." Erst zum Ende ihrer kleinen Predigt bewegen sich ihre Mundwinkel leicht nach oben. "Willst du etwa sagen, ich stinke?", frage ich halb belustigt, halb herausfordernd. Sie nickt und geht. Ich schaue wieder nach oben, wo Seth noch immer über mir steht und von oben auf mich herab schaut. "Willst du mir helfen?" Er zeigt mir seine Zähne, auch wenn er weiß, dass daraus heute nichts wird, freut er sich mich nur zu sehen, was mir nicht missfällt.

Er reicht mir seine rechte Hand und hilft mir auf, aber nicht ruckartig, sondern, so, dass ich es halbwegs gut schaffe. Und dann fällt mir das Problem auf. "All meine Sachen sind bei meinem Pferd." Mir wird klar, dass ich auch die Kette von Hellen verloren habe, meine Kleidung ist mir völlig egal, aber das Andenken, welches ich mir absichtlich eingesteckt habe nicht. "Was war noch darin?", erkundigt er sich, mit ernsterer Miene, weil auch ich ihn nicht mehr angrinse. "Eine Kette, ein Andenken." Ich fahre suchend mit der Hand zu meinem Handgelenk, aber das liegt noch da, wo es hingehört, es ist da. Seine Berührung auf meinem Rücken tröstet mich wirklich ein wenig. Selber erkläre ich mir, dass es nur ein sinnloser Gegenstand ist und war, den ich nicht brauche, um mich Hellen nah zu fühlen. Und in diesem Moment kaufe ich mir das selbst auch ab. "Schon gut, ist nur ein Schmuckstück.", versuche ich überzeugend und lächelnd rauszubringen, was so halb klappt. "Sicher?"

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt