Kapitel 16

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Ich hänge über der Kloschüssel und würge alles in mir raus. Der saure Geschmack auf meiner Zunge ekelt mich so sehr, dass ich nur noch intensiver und öfter würgen muss. Der Schlafmangel macht sich bemerkbar, meine leicht angeschwollenen Augen, sind so schwer, das es anstrengend ist sie aufzuhalten und ich nicke immer wieder auf dem Badezimmerboden ein. Bis ich dann wirklich auf den Fliesen einschlafe.

"Bei allen Geistern, Kind, du siehst ja schlimm aus." Ich öffne meine Augen leicht und erkenne Sinja die in der Badezimmertür steht. Ich hebe meine Hand, die dabei so geknickt hängt, dass es so aussieht, als hätte ich keinerlei Muskeln, ich winke mit der gekrümmten Hand, und versuche Sinja verstehen zu geben, dass sie gehen soll. "Verschwinde"

"Kommt nicht in Frage. Sie dich mal an, du siehst aus, als wärst du von einem Riesen ausgekotzt worden." Geister und Riesen diese Frau glaubt echt alles. Ich heule auf und reibe mir mit Fäusten über die Augen, die vom Licht genauso schmerzen wie mein Kopf von jedem einzelnen Geräusch, und möge es noch so klein sein. Sinja lässt Wasser in die Badewanne und legt weiße, weiche Handtücher schon einmal bereit. Sie hilft mir auf meine Beine und als ich mich am Waschbecken abstütze und in den darüber hängenden, runden Spiegel blicke, erschrecke ich bei meinem eigenem Anblick. Meine Schminke von gestern ist verschmiert und überall sind kleine schwarze Flecken von dem Liedstrich und der Wimpernfarbe. Meine hochgesteckten Haare, haben sich zur Hälfte gelöst und überall gucken kleine abstehende Babyhaare und Strähnen raus. Obenrum habe ich nichts an, nur meine Unterhose und meine Schuhe, mit dem blutigem Tuch im Rechten. Mein grässlich riechender Atem bringt mich fast zum kotzen und ich schlucke vorsichtig.

"Wirklich Sinja geh bitte, ich schaffe den Rest alleine." Wiederwillens hört sie auf meine Bitte und verschwindet, ich bin noch immer die, die Befehle erteilt und nicht sie. Ich entledige mich auch der letzten Teile, an meinem Körper, und steige in die Wanne. Anders als sonst ist das Wasser warm, und ich genieße den Dampf der mich umhüllt. Meine Stichwunde macht sich bemerkbar, durch das Brennen, wegen des Wasser. Ich wasche als erstes mein Gesicht und befreie es von allem, was auf meiner Haut klebt, danach nehme ich meinen Fuß und verrenke ihn so, dass ich die Wunde sehen kann. Lerya hat keine schlechte Arbeit geleistet, die Schnitte sind grade und tief, sie hatte eine sehr ruhige Hand, was bestimmt aus Übung resultiert. Wie vielen hat sie wohl eine kleine Schwalbe in den Körper geritzt?

Ich fahre über die vier Linien, die mich mehr an ein breites M erinnern als an einen Vogel. Die Narbe wird für immer bleiben, für immer werde ich Teil von etwas sein, was ich eigentlich noch gar nicht kenne. Ich wasche noch meine Haare und den Rest meines Körpers und dann bleibe ich noch so lange im Wasser, bis es vollständig abgekühlt ist und ich mich mit den flauschigen Handtüchern abtrockne. Ich suche mir etwas zum Anziehen, und dabei trifft meine Wahl auf das taubengraublaue Kleid, welches eins meiner Liebsten ist und das ich im Sommer dieses Jahres oft getragen habe. Grade würde ich alles tragen, alles außer ein Korsett. Hellen hatte mir vor zwei Tagen gesagt ich solle mir eine Salbe bei Poala holen für die Schrammen auf meinen Rücken, ich habe ihr zwar nicht gehorcht, aber jetzt werde ich mir eine solche Salbe holen. Ich weiß nicht genau, wie lange es dauern wird, bis das Symbol geheilt ist, aber es darf bis dahin nicht auffallen oder gar sich entzünden und ich muss trotzdem weiter trainieren, Viez würde nicht locker lassen, bis er den wahren Grund für meine Abwesenheit wüsste. Eine kleiner Gedanke taucht in meinem Kopf auf, der mich sehr freut, bald ist die Abreise von Clarissa und ihrer Familie. Die beiden Brüder würden auch schon bald weg sein und dann ist alles wieder wie vorher.

Nachdem ich mir bei Poala die Wundsalbe geholt habe, die nicht nach dem Grund gefragt hat, gehe ich jetzt zum Büro meines Bruders. Ich klopfe dreimal und trete dann ein, in dem Raum sitzen mein Bruder, meine Mutter und Quirin. Ich weiß, worüber sie reden, in ein paar Tagen ist es soweit, die Schiffe der Vapas werden abgebrannt. Und in dem Moment, wo mir dieser Plan wieder einfällt, schimpfe ich mit mir selbst. Ich hatte mir vorgenommen etwas dagegen zu unternehmen, dass Unschuldige an diesen Tag sterben und ich habe bis jetzt nichts erreicht, ich habe es vergessen. "Was ist los?", frage ich schließlich. "Wir gehen grade nochmal alles durch für nächste Woche" Nächste Woche schon. "Willst du den Plan hören?"

"Bitte" Und dann beginnt Quirin den Plan mit jedem kleinem Detail zu erzählen. Wenn die drei Schiffe beladen werden, was in genau drei Tagen geschieht, verstecken Arbeiter vom Hafen, Freunde von Quirin große Mengen von Sprengstoff im Bauch der Schiffe, aber auch oberhalb des Schiffes. Er erklärt, dass solche großen Schiffe, die lange reisen, Kisten mit Getränken, wie Wasser und Bier, auf dem Deck stehen haben, und diese werden ebenfalls Sprengstoff enthalten. Da Quirin kein Selbstmordkommando auf die Schiffe schicken will, arbeitet er mit Fernzündern, brennenden Pfeilen. Es wird nicht einfach Schützen so zu positionieren, dass sie gut treffen können, alles im Überblick haben und bei Gefahr auch noch schnell fliehen können, aber es ist möglich. Die Pfeile werden den Sprengstoff entzünden und wenn sich das Feuer bis nach unten gearbeitet hat, explodiert der untere Teil der Schiffe ebenfalls.

Ich denke bei jedem seiner Worte nur darüber nach, wie ich all diese Schiffsleute retten kann, und ich komme zu einem festen Entschluss, ich brauche Hilfe. Der einzige der mir einfällt, der mir helfen könnte ist und bleibt Viez. Meine linke Hand dreht mein Armband an der Rechten und ich versuche eine Möglichkeit zu entwickeln, wie ich meinen eigenen Plan teilweise verhindern kann. "Übrigens bleibt Clarissa für eine gewisse Zeit weiter bei uns, ihre Familie reist morgen ab und Quirin nimmt die beiden Brüder heute mit." Habe ich das grade richtig verstanden? Clarissa bleibt?! Mutter muss meinen Blick erfassen und seine Bedeutung auch. "Freu dich ja nicht zu sehr, Alec!" Ich kann darauf nichts antworten, ich verabschiede mich schnell mit knappen Worten und verschwinde aus dem Zimmer. Ich bleibe für den Rest des Tages auf meinem Zimmer und versuche eine Lösung für mein Problem zu finden.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt