Kapitel 2

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Ich werde vom Gesang der Vögel wach und drücke mir das weiche Daunenkopfkissen von hinten über meine Ohren. Ich versuche, den Lärm, den die Vögel anrichten, zu ignorieren und kneife die Augen bei diesem kläglichen Versuch, wieder einzuschlafen, zu. Ich drücke meine Lieder so fest aufeinander, dass es nach ein paar Minuten unangenehm wird und ich mich mit einem tiefen Seufzer zurück auf den Rücken drehe. Ein paar Minuten bleibe ich noch liegen, bis ich schließlich die Decke zur Seite werfe und aus dem Bett förmlich rausspringe. Ich gehe zu dem großen Fenster, aus dem ich von meinem Bett direkt nach draußen in die Gärten schauen kann und reiße das Fenster auf. Draußen ist es schon heiß, doch als ich in den Himmel schaue, sehe ich große, dunkle Wolken, es wird also regnen. Die Aussicht auf Regen erfreut mich, und ich denke nicht nur mich, denn nach zwei Monaten Trockenheit werden sich auch die Bauern über etwas Regen freuen.

Dann wende ich mich vom Fenster ab und mache meine Tür zum Flur auf. Das reicht eigentlich schon als Zeichen für Sinja. Sinja ist eine kleine, rundliche Frau im Alter meiner Mutter. Sie arbeitet schon sehr lange für meine Familie, schon als mein Vater noch lebte. Die ruhige, liebliche Frau ist auf mich angewiesen und hilft mir bei Dingen wie Kleider anziehen, Frisuren flechten und wenn es nötig ist, auch beim Schminken, obwohl ich auf diesen Teil gerne verzichte. Ich rufe Sinja und verschwinde wieder in meinem Zimmer. Ich steige aus dem weißen, durchsichtigen Nachthemd, das grade so meinen Po bedeckt und lasse es auf meinem ungemachten Bett liegen. Im Badezimmer brauche ich Sinjas Hilfe nicht, obwohl sie mir gerne helfen würde und mir ständig ihre Hilfe anbietet. Mit einem Lappen und kalten Wasser wasche ich mir den Schweiß der Nacht von meiner zarten Haut.

Ich höre Schritte in meinem Zimmer und versuche, anhand der Töne, die mir zu Ohren kommen, zu identifizieren, was Sinja macht. Das Rascheln von der Decke und meiner Kissen weißt darauf hin, dass sie mein Bett macht. Danach höre ich ein leises Knallen, sie hat das Fenster geschlossen. "Oh, Mädchen, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du früher lüften musst. So lässt du doch nur die Hitze in dein Zimmer." Ich verdrehe die Augen und nicke, obwohl sie mich gar nicht sehen kann. Ich bin der Ansicht lieber Wärme als Gestank, aber jedem das seine. Als ich splitternackt wieder in mein Schlafzimmer trete, liegt auf der gepolsterten Bank vor meinem Bett Unterwäsche und ein Unterhemd. Beides ziehe ich mir blitzschnell drüber. Dann kommt Sinja aus meinem Ankleidezimmer mit einem hellroten, orangestichigen Kleid über ihren Armen. Sie hilft mir beim Anlegen des Korsetts, was mich meine Mutter zwingt, anzuziehen, wenn wir Besuch erwarten und schließlich auch bei dem Kleid. Es ist zwar nicht direkt für den Sommer geschneidert worden, dennoch ist es dünner und leichter als manch anderes Kleid.

Sinja führt mich zu meinem Schmink,-Schmuck Tisch und fängt an, mir meine braunen Haare hochzustecken, dabei dreht sie die beiden Weißblonden Strähnen, die direkt vorne am Scheitel wachsen, zu kleinen Schnecken und steckt sie mit zwei Haarnadeln an den Seiten fest. Ich teile ihr mit, dass ich keine Schminke brauche, nach einer kurzen Diskussion gibt sie nach, und ich zieh mir die Schuhe an, die sie mir schon neben die Tür gelegt hat. Dann bin ich fertig und laufe zügig die Treppen runter in die Küche. Wir haben schon Mittag und meine Mutter und mein Bruder werden schon gegessen haben. Beide ätzende Frühaufsteher. Mir reicht ein Apfel, der knallrot aussieht und bestimmt zuckersüß schmeckt. Während ich den Apfel esse, irre ich im Haus herum, um meine Mutter zu suchen.

Ich finde sie schließlich unten in der Empfangshalle mit einem älteren Mann, dessen Name Quirin Sidon ist, bei ihm ist ein junger, gut aussehender Mann, den ich noch nicht kenne. Er ist groß, und seine Muskeln kann ich noch unter seinem Hemd erkennen. Er steht seitlich hinter Quirin, der ein Berater meiner Mutter ist und schon lange mit ihr und meinem Bruder zusammenarbeitet. Ich würde es wagen zu behaupten, er sei ein Freund, ein sehr guter Freund der Familie Alloy. Ich gehe weiter auf die kleine Gruppe zu und bleibe neben meiner Mutter stehen, den Apfel immer noch in meiner linken Hand. Quirin begrüßt mich mit einem einfachen "Hallo". Statt etwas zu sagen, deute ich einen Knicks an und schlucke das zerkaute Apfelstückchen runter, das der Grund für mein Schweigen war. "Alec darf ich dir Viez vorstellen, mein Sohn." Nun tritt Viez einen Schritt vor und verbeugt sich leicht. "Freut mich, Alec."

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt