Kapitel 46

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Die unerträgliche Kälte und ein Platschen von Wasser wecken mich auf. Etwas muss ins Wasser gefallen sein, vielleicht von den Bäumen. Ich suche das Wasser nach einem Hinweis ab und entdecke kleine Ringe, die nach außen hin immer größer werden und sich ziehen. Das muss die Stelle sein, in der es gelandet ist. Aber als das etwas wieder auftaucht ist klar, dass es ein jemand ist. Und dieser jemand ist Seth. Ich erkenne ihn sofort. Ich habe freie Sicht auf seine nassen, schwarzen Haare, die er sich grade nach hinten drückt, und seinen mit Muskeln bepackten Rücken. Sogar den Ansatz seines Arsches kann ich erkennen. Guck nicht hin, Alec. Das ist widerlich. Aber ich schaue hin, und als er sich umdreht schaue ich noch genauer hin. Seine Bauchmuskeln glänzen durch die Mischung des Wassers und des Mondscheins und seine Leisten enden erst im Wasser, das verbirgt grade so, den Rest von ihm. Aus der Entfernung, kann ich seine Narbe nicht sehen, aber sie muss da sein, er hat es mir selbst erzählt. Zum Glück kann er mich nicht sehen, hoffe ich zumindest.

Als er wieder zum Ufer geht und ich, wenn ich weiter hinschauen würde, alles von ihm sehen würde, stehe ich auf und drehe mich um. Als ich zurück laufe, durch den Wald, bin ich ziemlich laut und trete immer wieder auf kleine Stöckchen, die unter meinen Füßen zerbrechen. Als ich wieder am Lager bin sind Lerya und Ravan noch wach und unterhalten sich lachend und lässig, ich bin mir fast sicher, dass auch die beiden gleich baden gehen und nicke beiden kurz zu, bevor ich mich sehr nah ans Feuer setze, denn durch meine nassen Harre friert mein ganzer Kopf und ich ziehe mir die dünne Decke fester um meine Schultern.

Ich starre aufs Feuer und schaue noch einmal zu Lerya, die sich erhebt und Ravan die Hand reicht. Ich zwinkere ihr zu und gucke ihnen nach, wie sie zwischen den Bäumen verschwinden und ein Anderer auftaucht. Seth ist wieder angezogen und trocknet sich die Haare mit einem weißen Shirt. Als er bemerkt, dass ich ihn anschaue, grinst er und ich senke schnell meinen Blick. Seth kommt in meine Richtung und lässt sich einen Meter von mir nieder, aber ich wende meinen Blick nicht von dem knisternden Feuer ab.

"Hat es dir wenigsten gefallen, was du gesehen hast?" Völlig perplex hebe ich wieder meinen Kopf und glaube, dass sich meine Wangen in diesem Moment röten. Nach ein paar Sekunden des Starrens komme ich wieder zu mir. "Habe schon besseres gesehen.", gebe angestrengt kalt zurück und kann grade noch sehen, wie er grinsend den Kopf in den Nacken legt, bevor ich wieder weggucke.

In dieser Nacht schlafe ich noch vor allen anderen ein und die ersten Träume, die mich ereilen sind nicht meine gefürchteten Albträume, sondern eine etwas andere Art von Traum. Ich träume von Seth und das was er tun könnte, oder ich. Als ich am Morgen aufwache überkommt mich die Angst, dass ich Töne von mir gegeben haben könnte, ansprechen tut mich darauf aber keiner.

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Schon etwas über zwei Wochen reisen wir durchs Land, immer weiter runter in den Südosten, auf den Weg nach Eifakei. Die Stunden in denen wir reiten sind perfekt um mehr über meine Begleitung und ihre Vergangenheit zu erfahren. Es sind keine besonderen Details, aber es ist etwas. Ich erfahre, dass Lerya aus Tankalo stammt, und durch Verwandte, hier her gekommen war, die dann verstarben und sie von einem gewissen Herrn, seinen Namen erfuhr ich nicht, aufgezogen wurde und zu einer Assassin trainiert wurde. Sie redet relativ locker über den Teil ihres Lebens mit mir, schwieriger wird es dann, wenn sie versucht davon zu erzählen, was sie für den König tun musste. Ich kann es verstehen und dränge sie nicht.

Von Ravan erfahre ich, dass er aus sehr ärmlichen Verhältnissen stammt, er kannte Seth schon seit sie klein waren, da seine Mutter mal für die Vapas arbeitete. Seth und Ravan sind also wirklich lange schon dicke Freunde und sind auch relativ zeitgleich zu den Schwalben gekommen. Ravans Gründe sind mir da etwas auf schlüssiger als Seths, auch über die Familie von Ravan erfahre ich mehr als über Seths. Ravan lebte mit vier Geschwistern in einer kleinen Hütte, hatte nur ein Elternteil, seine Mutter, und lebte täglich mit der Angst, wie seine Familie den nächsten Tag überleben sollte. Er fügt aber auch hinzu, dass das nicht immer so war. Sein Vater wurde in den Krieg geschickt, gezwungen für den neuen König zu kämpfen, dieser starb im Krieg. Die hohen Steuern und andere Gesetze, brachten die Mutter in eine schwere Lage, die Familie am Leben zu halte, tat aber ihr Bestes. Eines seiner Geschwister ist gestorben, an Mangelernährung, er war wohl noch sehr jung. Seine kleine Schwester wurde letztes Jahr verheiratet, was ihm nicht besonders gefiel, aber ihr würde es da besser gehen. Seine beiden älteren Brüder gehören zur Armee des Königs, als freiwillige Soldaten. "Ich konnte es nicht verstehen", fügt Ravan noch hinzu. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für ihn sein muss, seine Mutter zu verlassen, auch wenn er meint, jemand kümmert sich um sie.

Von Xarish höre ich nicht mehr als sonst, aber eine Sache erfahre ich von einem nächtliche Gespräch mit Seth über ihn, er hatte einst ein Mädchen was er sehr liebte und nahm für sie viel auf sich, was nicht reichte und viel kostete. Der Preis war sein Augenlicht. Sie stachen ihm die Augen aus. Ich kriege eine Gänsehaut bei dieser Vorstellung. Mehr, wie den Namen des Mädchens oder sonstiges, erfahre ich nicht. Seth sagt, er will lieber, dass Xarish es mir selbst erzählt. Verstehe ich alles natürlich und da ich selbst nicht gesprächig bin, lasse ich alles auf sich beruhen. Ihre Geschichten sind nicht nur interessant, sie sind eine gute Methode, mich weiter abzulenken. Ich versuche die Trauer weiter zu verdrängen, hasse mich selbst dafür, wie schnell meine Launen wechseln und wie ich weiter leben und sogar wieder mäßig lachen kann, obwohl sie tot sind.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt