Kapitel 7

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Als ich die Pferde galoppieren höre, beeile ich mich. Ich ziehe mein Kleid so schnell, ich nur kann aus und bin dankbar, dass mich Sinja heute nicht in ein Korsett gesteckt hat. Ich suche das dicke Stoffband, mit dem ich mir eine Art Bandage für meine Brüste binden möchte und mache bei der Suche eine große Unordnung in meinem Ankleidezimmer. "Verdammt, komm schon.", fluche ich. Da ist es. Ich schnappe es mir und stelle mich vor den Spiegel, so schnell wie jetzt habe ich mir das Ding noch nie gebunden, wie auch immer man das nennen will. Vielleicht habe ich es ein bisschen zu eng gebunden, aber den Druck verdränge ich einfach. Schnell ziehe ich mir eines meiner Trainingshemden an und eine schwarze, etwas locker ausfallende Stoffhose. Dann nur noch meine Schuhe. Ich reiße die Tür auf und renne die Treppen runter, dabei fummle ich mir noch mit meinen Fingern im Haar herum und versuche, mir einen strengen, einigermaßen gut aussehenden Zopf zu flechten. Als ich an meiner Mutter vorbei durch die Eingangstür renne, bin ich so schnell, dass ich sie fast umreiße. "Tschuldigung!", rufe ich in ihre Richtung und renne weiter zu den Ställen, wo Quirin und Viez noch auf den Pferden sitzen, weil Quirin sich mit einem der Stalljungen unterhält. Abbadon habe ich schon vor einer halben Stunde gesattelt, als Mutter mir erzählt hat, Quirin würde heute kommen. Ich führe Abbadon aus seiner Box und sitze auf. Bei der Kraft, die ich aufbringe, um mich mit einem Bein im Steigbügel über das Pferd zu schwingen, schmerzt die Wunde ein wenig.

Sofort, als ich aufrecht und sicher im Sattel sitze, schnalze ich mit der Zunge und trabe Abbadon an. Ich schieße mit hoher Geschwindigkeit an Quirin und Viez vorbei. Quirin sitzt immer noch auf seinem Pferd, Viez hingegen ist schon abgestiegen, wahrscheinlich, als er mich gesehen hat. Aber als ich an ihm vorbeigaloppiere, sitzt er sofort wieder auf, das sehe ich noch, weil ich mich traue, einen Blick nach hinten zu werfen. Noch. Denn jetzt beginnt das Rennen. Viez weiß es genauso gut wie ich, und ich höre die Hufe seines Pferdes auf dem Steinboden aufschlagen. Das Schnalzen seiner Zunge treibt meinen Ehrgeiz noch mehr an, und ich drücke mit meinen Oberschenkeln so fest wie kann gegen Abbadons Körper. Ich habe einen großen Vorsprung und bin mir sicher, dass ich auch dieses Rennen wieder für mich entscheiden werde. Nur reitet Viez jetzt nicht mehr die rotbraune Stute aus unserem Stall, sondern sein Pferd. Ich bin auch schon auf dem Pferd geritten, und es war schnell, ja, nur war mir an dem Tag die Geschwindigkeit sehr willkommen. Jetzt hingegen ist sie mein Feind. Der Wind lässt meinen Zopf auf meinen Rücken schlagen, und mir kommen sogar Tränen in die Augen bei dem peitschenden Wind. Noch ist Viez hinter mir, aber wie lange noch? Ich schlage den gleichen Weg wie bei unseren ersten und letzten Rennen ein, quer durch den Wald in Richtung der kleinen Lichtung. Jetzt spüre ich das Pferd nah in meinem Rücken, und ich werde nervös, ich will nicht verlieren. Meine schwitzigen Hände umklammern die Zügel noch fester, und ich trabe Abbadon weiter an. Ich bin mir nicht sicher, ob das schon seine Höchstgeschwindigkeit ist, aber wenn nicht, werde ich alles aus ihm rausholen, was geht.

Auf einmal holt Viez so weit auf, dass er neben mir ist. Ich mache aber nicht den Fehler und schaue zu ihm, sondern konzentriere mich voll und ganz auf mein Ziel, den Sieg. Eine kurze Zeit noch reiten wir auf gleicher Höhe nebeneinander. Es dauert nicht mehr lange, und wir sind an der Lichtung, ich muss es schaffen, unseren Gleichstand hinter mich zu bringen. Ich drücke noch mehrmals mit meinen Schenkeln gegen Abbadon und versuche, ihn mit allen Tricks anzuspornen, die mir bekannt sind, dabei entgeht mir nicht das leichte Stechen in meinem rechten Bein, ich ignoriere es gezielt. Die Wunde ist in den letzten zwei Tagen so gut geheilt, wie es eben in zwei Tagen geht. Es schmerzt immer noch, die letzten beiden Nächte musste ich beide Male ein Pflanzengemisch von Poala trinken, um die Schmerzen zu linder, aber tagsüber geht es. Ich sehe am Rand meines Blickfelds, wie Viez sich weiter nach vorne lehnt, und dann ist er ein Stück weiter vor mir. Er hat mich noch nicht überholt, aber er ist weiter vorne. Ich gebe alles, aber alles ist nicht genug. Er bleibt dieses kleine Stück die ganze Zeit vor mir, und so erreichen wir auch die Lichtung. Wir werden beide langsamer. "Scheiße", schimpfe ich leise vor mich hin, aber nicht leise genug. "Tja, beim nächsten Mal vielleicht, Kleine." Ich schaue ihn mit tiefliegenden Augenbrauen und leicht zu gekniffenen Augen an. Kleine hat er mich genannt. Ich hasse Spitznamen, und außerdem bin ich nicht klein, im Gegenteil, ich bin größer als die meisten Frauen und Mädchen, die ich kenne. "Ruh dich nicht zu sehr auf deinen knappen Sieg aus, es steht Gleichstand."

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt