Kapitel 35

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Quirin und Viez sind gestern mit dem Schiff, eins das Gewürze transportiert, nach Matz abgefahren. Meine Verabschiedung von Viez war seltsam, aber wie sollte sie sonst sein? Heute hat Lerya fünf Schwalben, von ihrem Treffen letzte Woche, eingeladen. Wir werden mit ihnen einen Plan aushecken und uns angucken, was ihre Stärken sind, um alles zu verfeinern. Es darf nichts schief gehen, sonst sind wir tote Leute.

Es plagt mich, so denken zu müssen. Etwas zu planen, wo eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass wir das nicht überleben. Daran muss ich auch denken, als ich im von den Fackeln beleuchteten, unterirdischen Raum, an eine Wand gelehnt stehe. Ich stehe abseits von den Anderen, die auf Lerya und zwei Schwalben warten. Ravan, Xarish, Ravan und drei der fünf Rekruten stehen um Tisch versammelt. Sie scheinen alle älter zu sein als wir, unter ihnen befinden sich zwei Frauen und ein Mann. Die erste Frau, Lola heißt sie, trägt ihre braunen Haare zu einem Dutt gebunden, sie ist kleiner als ich, was keine Kunst ist, und trägt ein einfarbiges Kleid. Sie ist nicht besonders schön, aber das ist nicht wichtig. Ihre Freundin, Leenina, ist sehr klein, etwas kräftiger und trägt Hose und Shirt. Sie reißt schon die ganze Zeit, mittelmäßige Witze, über die sie selbst am meisten lacht. Titan hat lange, dunkle, dünne Haare, die er in einem tief sitzenden Zopf zusammen gebunden hat, sie glänzen fettig und ich bin mir sicher sie riechen auch nicht besonders gut. Er hat einen Vollbart, der ziemlich krisselig aussieht. Seine schmalen Augen schließen sich jedes Mal, wenn er über einen von Leenias Witzen lacht, oder so tut, als würde er sie amüsant finden. Seine schlanke Figur kann man unter seinen locker sitzenden Klamotten noch gut erkennen.

Ich beobachte die Szene, die sich mir bietet genau und schaue mir jede daran beteiligte Person gründlich an. Warum weiß ich nicht, es ist einfach die Langeweile, die ich habe, während wir warten. Xarish lacht natürlich nicht, er redet auch nicht mit, steht nur streng, wie sonst, da. Ich glaube, er hat eine interessante Geschichte, die er nur nicht erzählt, oder zumindest nicht mir. Ich hoffe irgendwann führe ich mal in solches Gespräch mit ihm, bei dem er mir mehr von sich selbst erzählt. Ravan unterhält sich lässig, lachend mit. Seth gibt nur manchmal einen Kommentar von sich. Leider trete ich Seth nicht mehr mit der energiereichen Wut entgegen, wie bei unserer ersten Begegnung. Es ist einfach jemanden zu hassen, als ihn zu mögen oder gar zu lieben. Aber beides, mögen und lieben, ist nicht der Fall was ihn angeht, dessen bin ich mir noch sicher. Die anderen, insbesondere Lerya und Ravan, werden zu Freunden für mich. Nicht nur, weil sich mich gerettet haben, sie sind freundlich und unsere gemeinsame Hoffnung eines Landes, dass nicht unterdrückt wird, durch irrsinnige und grausame Gesetze, von einem noch grausameren König, schweißt uns zusammen.

Schritte sind zu hören, sie stammen nicht nur von einer Person. Ich stütze mich von der Steinwand ab und wäre bereit meinen langen Dolch, am Bein, oder meinen kleinen, am Unterarm, jederzeit zu zücken und einzusetzen. Meine Bereitschaft schwindet etwas, als ich Lerya sehe, aber steigt wieder an, als ich ihre beiden Begleiter sehe. Die Blondschopfe. Die Brüder. Caspian und Klas. "Das sind Caspian und Klas.", stellt Lerya sie allen vor. Beide stehen hinter ihr, so wie ich sie in Erinnerung habe. Ravan begrüßt sie mit Worten, die anderen winken ihnen nur kurz zu, nur ich und Xarish nicht. Als Caspian mich sieht, sieht er genauso erschrocken und verwundert aus, wie ich es bin. Er stößt Klas mit dem Ellbogen leicht in die Seite und nickt zu mir. Nicht nur Klas schaut jetzt auch zu mir, Ravan und Seth tun es auch. Ich gehe zu ihnen an den Tisch und stelle mich zwischen Seth und Ravan. Beide Brüder halten den Mund, und ich auch.

"In drei Wochen ist es so weit." In drei Wochen ist der Ball, beginnt das neue Jahr, und hoffentlich eine neue Zeit. "Ich würde sagen wir nutzen die Zeit weise. Ich zähle darauf, dass jeder von euch in der Lage ist sich selbst zu verteidigen, und andere, und auch bereit ist die anderen zu erlegen, zu besiegen." Die Brüder stehen jetzt neben und nicht mehr hinter Lerya. Alle Fünf, Lola, Leenina, Titan, und Caspian und Klas, nicken. Das Lachen war schon verstummt, als Lerya reinkam, und jetzt blicken alle ernst und entschlossen zu ihr. Lerya fragt grade alle fünf ab, mit welchen Waffen sie umgehen können, als Seth sich seitlich zu mir runter beugt. "Kennst du die Blonden?", flüstert er mir zu. "Und wenn?" Er zuck merkbar mit den Schultern. Lerya fragt nun, ob sie mit Schusswaffen, wie Pistolen umgehen könnten, und alle, bis auf Leenia, bejahen diese Frage. Wieder lehnt sich Seth runter und flüstert. "Kannst du es?" Ich knirsche ganz leicht mit den Zähnen, ich kann es nämlich nicht.

"Nein", sage ich gedrückt. "Ich bringe es dir bei." Er sagt es grinsend, ich kann es genau hören. Ich sollte es lernen, aber ich antworte ihm nicht. Richte mich lediglich grader auf und höre Lerya weiter zu. "Ihr fünf werdet mit Xarish durch die Küche reinkommen. Wir anderen treten als geladene Gäste auf. Der König wird auf seinem Tron sitzen, und so wie ich ihn kenne, wird er da für den Abend bleiben. Natürlich ist das der Ort des Balls, der am meisten bewacht wird." Lerya hat noch nicht viel verraten, keinem von uns, aber jetzt legt sie uns ihren Plan vor. Ich muss zweifeln. Ja, ihr Plan könnte klappen, aber genauso gut nicht. Und was passiert wenn er klappt?

Wir sind dann Königsmörder, werden wohl erst einmal nicht willkommen geheißen und gefeiert. Besonders Reiche und Adlige finden den herrschenden König Brahey nicht schlecht, und viele haben ihn unterstützt und tun es immer noch. Brahey hat wenigstens keine Nachkommen, die Anspruch auf den Tron nehmen könnten und Geschwister hat er auch nicht. Unser ganzes Vorhaben und dessen Gelingen, ist vom Überraschungseffekt abhängig, geht dieser verloren, sind wir es auch. Natürlich kommt mir der Gedanke, dass uns einer dieser Fünf verraten könnte, das hat schon mal jemand gemacht und es hätte fast mein und Seths Leben gekostet. Ich muss Lerya blind vertrauen und das kostet mich viel Überwindung. Sie ist jetzt fertig mit erklären und wir gehen es noch mehrmals aus verschiedenen Sichten durch, suchen nach Schwachstellen und versuchen diese zu überwinden. Dann schlägt Ravan vor, dass wir die nächsten Male nicht nur alles theoretisch durchnehmen, sondern auch üben.

"Der Wald in der Nähe meines Anwesens ist mit kleinen Lichtungen übersäht. Und die umliegenden Bäume dienen als Sichtschutz." Lerya unterstützt meinen Vorschlag und legt fest, dass wir uns nächste Woche dort treffen sollten. Viele der hier Anwesenden kennen den großen Wald, von dem ich selbst nicht mal alles kenne. Leenina, Lola und Titan, die nicht wissen, wo er liegt, erkläre ich, wie sie dahin kommen, und wo die kleine abgelegene Lichtung ist. Ich würde gerne auf ein Training mit neun Personen in der eisigen Kälte verzichten, aber ich bin nicht die, die sich vor einer Herausforderung oder vor einem einfachen Training drückt.

Nachdem die Versammlung beendet wird, von Lerya, gehen Leenina und Lola als Erste, sie würden noch arbeiten müssen. Ich frage mich, als was sie um die Uhrzeit arbeiten müsse, verabschiede sie aber einfach freundlich. Ich gehe als nächstes, der Weg ist lang und große Lust habe ich darauf auch nicht, deswegen lieber früher, als später. Ich gehe nur ein paar Straßen, aber merke sofort, dass mir jemand folgt. Ich biege in eine Straße ab, in die ich eigentlich nicht müsste und sobald ich den einen Verfolger sehe, lege ich meinen Dolch an seine Kehle. Zum Glück bin ich groß, sodass ich mich nicht anstrengen muss, während ich Caspian die Klinge anhalte. "Was wollt ihr?", zische ich, Kaal steht nämlich nicht weit weg noch uns, unternimmt aber nicht, weil er ganz genau weiß, dass ich seinen Bruder in der Hand habe. "Die Frage wollten wir dir grade stellen.", gibt Kaal zurück. "Ich will den Plan von Lerya verwirklichen."

"Warum?" Die Frage ist knapp und kommt schnell. "Guck dich doch um, Trottel. Ist das nicht genug?" Er hebt das Kinn etwas. Caspian hat noch nichts gesagt. "Lass ihn los." Ich folge seiner Aufforderung nicht, auch wenn sie nicht sonderlich bestimmend war. "Warum seid ihr hier?" Keiner antwortet mir. "Warum?", zische ich Caspian drohend ins Ohr und drücke die Klinge doller an seinen Hals. "Unsere Schwester wurde verdammt nochmal hingerichtet." Ich glaube ihm, will mir aber sicherer sein und frage noch einmal die selbe Frage. "Warum?"

"Sie wurde der Unzucht und der Hexerei beschuldigt." Ich muss an die Hinrichtungen denken, von denen mir Mutter mal bei einem Essen erzählt hatte, bezweifle aber, dass es die selbe Frau ist, von der die beiden reden. "Verschwindet" Ich ziehe die Klinge zurück, und sie gehorchen mir tatsächlich. Erst als beide außer Sichtweite sind stecke ich den Dolch zurück und gehe meines Weges.

Ich denke über die Intentionen nach, die jeder von uns hat. Meine sind nicht unbedingt persönlich, ich bin einfach nur ein klardenkender Mensch, der sieht, was grade falsch läuft. Noch mehr treibt mich aber Angst, die Angst davor, dass irgendwann mir oder meiner Familie etwas passieren könnte. Wie oft ich jetzt schon davon gehört habe, dass, insbesondere Frauen, dafür getötet wurden, wie sie angeblich Unzucht begingen ist sehr beängstigend. Caspians und Kaals Gründe sind sehr wohl persönlich, ihnen wurde schon Unrecht getan. Lerya ist die Assassin den Königs, wie viele schreckliche Dinge sie schon gesehen hat, mag ich mir gar nicht vorstellen, ihre Gründe glaube ich zu wissen. Über Ravan und Xarish und ihre Intentionen kann ich nicht viel sagen, vielleicht hat es bei Xarish etwas mit seinen Augen zu tun, auch wenn das sehr weit hergeholt ist. Seth könnte die gleichen Gründe haben wie ich. Und über die anderen drei weiß ich so gut wie nichts.

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