Kapitel 50

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Bevor wir los ziehen, wechselt Lerya noch einmal den Verband um Seths Arm, ihre langen dünnen Finger bewegen sich schnell und elegant, in nur einer Minute ist das Werk vollbracht. Sie geht zu ihrem Pferd und auch Seth sitzt auf. Seine Bewegungen sind vorsichtiger, aber sehr eingeschränkt ist er nicht. Wir anderen sitzen schon im Sattel und nachdem Seth die Zügel in den Händen hält, reiten wir los. Lerya hat uns schon vorgewarnt, dass wir heute wieder länger unterwegs seien. Der erste Grund dafür ist, dass wir nicht wissen, wer die Männer von gestern waren, und deswegen auch nicht wissen ob jemand nach ihnen suchen wird. Das bezweifle ich zwar, aber noch mehr von denen will ich nicht begegnen. Der zweite Grund ist, dass wir wieder neue Vorräte brauchen und zu einem neuen Dorf reiten müssen, wo wir diese wieder auffüllen können.

Ich bin müde, und Hunger habe ich auch, ich freue mich schon unglaublich auf unser Ziel, eigentlich auf jeden Unterschlupf mit Bett und richtiger Feuerstelle. Unser Weg heute führt uns durch dichte Wälder, bei denen man denken könnte, dass noch kein Mensch sie je betreten hat. Beim Reiten rede ich entweder oder denke über alles mögliche nach, wobei mir Ersteres sehr viel lieber ist. Gut, dass Seth nicht weit weg von mir reitet und auch Ravan reitet heute etwas weiter hinten, sodass ich beide bald in ein Gespräch verwickelt habe. Eine Sache kann Ravan besonders gut, reden. Und ich höre ihm gerne zu. Ich achte auf seine vollen, rosa Lippen und seine schmale Nase. Er ist sehr schön, ich verstehe, was Lerya an ihm attraktiv findet, aber ich kann genauso gut Ravan verstehen. Ich stehe zwar eher auf etwas kurvigere Frauen, aber Lerya ist auch sehr ansehnlich und attraktiv. Natürlich spielt der Charakter eine riesen Rolle, was das Thema Attraktivität und Anziehung angeht, aber auch da sind meine Freunde gut bestückt mit. Leider kann ich das nicht über Xarish sagen, er hat sein Herz am rechten Fleck, aber das reicht nicht. Ich frage mich, ob ich ihn je wirklich kennen lernen werde, oder ob er immer der Stille, starke Mann bleibt, der nebenher läuft und reitet.

Wir reiten zum ersten Mal, seit langem, wieder die Nacht durch. Für mich ist es noch schwerer sich im Dunkeln zu orientieren, als im Hellen. Lerya hat zwar eine Karte, eher gesagt fünf, aber die jetzt zu lesen, ist bestimmt nicht einfach, trotzdem müssen wir nur kein einziges Mal wenden oder zurückkehren, wir gehen den richtigen Weg.

Als es wieder hell wird, kann ich in der Ferne, am Ende eines Feldes, kleine Häuser und Rauch, der in den Himmel steigt, erkennen. Ich treibe mein Pferd etwas an und halt neben Lerya. "Gehen wir dort einkaufen?", frage ich sie leicht aufgeregt, denn das Loch in meinem Magen sehnt sich nach Füllung. "Ja, ich hoffe ihr Wochenmarkt gibt was her. Wir beide gehen gleich." Ich nicke und reite wieder etwas langsamer, um wieder hinten neben Seth und Ravan zu reiten. "Und?", fragt Ravan, der wohl auch Hunger hat. "Lerya und ich besorgen gleich ein paar Sachen. Sie hat nicht gesagt, ob wir danach Pause machen oder weiter ziehen." Wir würden alle die Pause vorziehen, aber dann wäre unser Vorsprung von unserem letzten Ort wieder hinfällig, wir werden erst nachts halt machen. Bald kommen wir an und erledigen alle Besorgungen, ohne Zwischenfälle. Abseits treffen wir wieder auf Seth, Ravan und Xarish, und reiten weiter. Ich habe etwas Brot in meinen Manteltaschen verstaut und reiche allen ein kleines Stück, auch Lerya nimmt es dankend an.

Der Sonnenuntergang ist meine Erlösung und wir rasten an einer kleinen Lichtung, neben der ein großer felsiger Hügel steht, der uns im Sommer einen großen Schatten geworfen hätte. Wir rösten Fleisch und Brot über dem offenen Feuer und für die ersten Tage haben wir auch immer etwas Gemüse und Obst, was nicht lange hält, und deswegen schnell verzehrt wird. Ich beiße in einen sauren Apfel rein, und der Fruchtsaft läuft mir an meinen Mundwinkeln runter. Mit meinem Ärmel wische ich alles weg und kaue genüsslich. Meine Müdigkeit überkommt mich wieder schlagartig und nach einem Gähnen lege ich mich mit dem Rücken zum Feuer und etwas weiter entfernt von den anderen, hin. Ich brauche nicht lange um einzuschlafen, aber weiter zu schlafen fällt mir schwer, als mich die Träume wieder einholen. Ich glaube im Schlaf zu weinen, wache aber nicht richtig auf, um das überprüfen zu können.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt