Tropfen, die auf mein Gesicht fallen, bringen mich wieder in die Realität. Mein Kopf brummt und das Piepen in meinen Ohren ist unerträglich. Ich rufe nach Seth, aber kann nicht mal selbst meine Stimme hören. Überall ist Staub und Stein. Auf allen Vieren taste ich mich vorsichtig voran. Es ist dunkel, die Fackeln sind aus und es gibt keine andere Lichtquelle. Mir ist heiß und unter die Wassertropfen mischen sich Schweißtropfen. Wassertropfen. Mein Herz beginnt zu rasen, irgendwo in der Decke oder in einer Wand muss ein Loch sein. Die Hand, die ich jetzt auf dem Boden berühre wechselt kurz meine Sorge um die Wand, in Sorge um Seth. Das Piepen ist noch immer da, aber ein bisschen weniger stark. "Seth!"
Ich rufe seinen Namen und taste mich mit meiner Hand zu seinem Gesicht hoch, wo ich ihn leicht ins Gesicht klatsche. Seine Wangen sind warm, ein gutes Zeichen. "Seth!", rufe ich noch Mal. Ich kann sein Gesicht, dank all des aufgebrachten Staubes, nicht genau erkennen, aber er hat die Augen geschlossen. Meine eine Hand wandert unter seine Nase, meine andere an seine Brust. Ich spüre nichts an seiner Nase, keine Luft, die er ausatmet, was mich etwas zum Zittern bringt. Ich hoffe, dass das einfach nur an mir liegt und konzentriere mich jetzt unter meiner anderen Hand einen Herzschlag zu spüren. Und da ist einer. Sein Herz schlägt gleichmäßig und nicht zu schnell oder zu langsam. Er ist nur bewusstlos. Meine Hände wandern über seinen Körper und suchen nach einer Wunde. Warum helfe ich ihm überhaupt? Warum sorge ich mich um ihn?
Ich will so nicht denken, aber ich kann es nicht verhindern und sofort kommt Wut in mir hoch, Wut die sowohl ihm, als mir gilt. Aber ich suche weiter. Ich lasse keinen sterben. Besonders keinen aus meinem Team. Mein Team. Und dann spüre ich etwas Feuchtes, Warmes. Blut läuft aus einer Wunde an seinem Kopf. Ich spüre die Wunde unter meinen Fingern und ziehe dann meine Hand weg. Ich suche an mir nach einem Stück Stoff, was ich als Verband verwenden kann und ziehe meinen Mantel aus, doch der ist zu dick. Ich fluche, aber das Band, um meinen Brüsten, eignet sich perfekt als Verbandszeug. "Ich sollte dich verbluten lassen!", zische ich und binde das Stück Stoff los. Dann hebe ich seinen Kopf hoch, lege das Band genau über seine Wunde, am Hinterkopf und wickle es mehrfach um seinen Kopf. Dabei fällt mir auf, wie weich seine Haare sind. Ach KONZETRIER DICH! , schimpfe ich mit mir selbst und lege ihm meinen Mantel, als Kissen unter den Kopf und stehe auf. Ich falle fast wieder hin, schaffe es aber doch auf den Beinen zu bleiben.
Ich umfasse meinen eigenen Kopf, der tierisch weh tut, aber kann keine Wunde finden, es sind einfach nur Kopfschmerzen vom Aufprall und dem schrecklichen Piepen in meinen Ohren. Ich taste mich fast blind durch den dunklen Raum und suche nach etwas, was ich anzünden könnte. Tatsächlich finde ich unter ein paar Steinen den Teil einer Fackel. Den Holzgriff. Ich reiße mir ein unteres Stück meines Hemdes ab und wickle es um das Stück Holz. Ganz vorsichtig gehe ich zu Seth und durchsuche seine Hosen und Manteltaschen. In seiner linken Manteltasche finde ich dann den Feuerstein und den Zunderpilz. Blind, wie ich bin, fummle ich die, durch einen Ring verbundenen Dinge, raus und fange direkt an mit dem Feuerstein zu schlagen. Als es anfängt zu funken, zünde ich den Stoff an und entfache das Feuer durch mein Pusten. Den Ring, mit dem Stein und Schwamm, lasse ich einfach auf den Boden fallen. Endlich kann ich etwas mehr sehen.
Der Staubnebel hat sich etwas gelegt und ich kann noch etwas besser sehen. Ich laufe zu der Stelle, wo ich aufgewacht bin und inspiziere die Wand, aber das Loch befindet sie in der Decke, neben einem der Holzsäulen. Direkt neben der befinden sich lange, große Risse und aus dem Punkt, dem Ursprung dieser Risse tropft Wasser, das sich auf dem Boden schon zu einer Pfütze sammelt. "Mach dir keinen Kopf die Wände sind über einen Meter dick", äffe ich Seth blöd nach. Also entweder hat er gelogen, oder nur die Wände sind über einen Meter dick, die Decke aber nicht. "FUCK! FUCK! FUCK!"
"Dein Geschrei macht mir Kopfschmerzen", stöhnt Seth. Ich drehe mich zu ihm um und gehe zu ihm. Er versucht sich aufzurappeln, aber ich lege ihm meine freie Hand auf die Brust, um ihn davon abzuhalten. "Bleib liegen." Er lässt sich leicht wieder mit dem Kopf auf meinen Mantel plumpsen. Dann umfasst er meine Hand, die ich sofort zurück ziehe. "Kommen wir hier raus?" Ich schaue mich noch einmal genau um. Wir sind im hintersten Teil des Raumes und der Gang zur Treppe ist zugeschüttet. "Ich versuche es aber..." Er schließt die Augen und nickt leicht. Frustriert seufzend stehe ich wieder auf. "Ich werde es weiter versuchen.", sage ich zu ihm und stelle die Fackel in die Halterung, die glücklicherweise nur etwas locker sitzt, an die hintere Wand. Dann laufe ich in Richtung Treppen.
Ich versuche die Steine mit meinen Händen wegzulegen, aber sie sitzen fest aufeinander. Wenn wir Pech haben ist die ganze Decke über den Treppen zusammen gebrochen, wenn wir Glück haben, nur hier unten. Aber so oder so schaffe ich es nicht die gehäuften Steine, die vor mir, wie eine Mauer liegen, wegzuschaffen. Ich versuche es wieder und wieder, bis sich Blut unter ein paar meiner Nägel sammelt. Verzweifelt fluche und jammere ich. Viez hat versucht mir beizubringen, mich nicht provozieren zu lassen und ruhig zu bleiben, aber grade bin ich so verzweifelt, dass ich mit meiner Faust gegen die Steine schlage. Mich hat eine beschissene Wand provoziert. Ich bin viel zu schnell wütend. Es hilft nur für einen kurzen Moment, dann fluche ich noch einmal, jetzt auch wegen den Schmerzen in meiner Hand. "Ich würde mir wünschen, dass du dich nicht auch noch selbst verunstaltest." Seine Stimme klingt kräftiger, als grade noch. Als ich zu ihm schaue, sitzt er angelehnt an der Wand, in der Nähe der Fackel und seine schwarzen Augen liegen auf mir. Das wenige Licht wirft Schatten auf sein Gesicht und ich bewundere es kurz.
Unter die Stelle, wo es von der Decke tropft, stelle ich mir einen Hocker, der Einzige, der noch mehr oder minder in Takt ist, und steige darauf. Ich streiche mit meinen Fingern über die Risse. Allein diese kleine Berührung reicht und ein kleines Stück löst sich aus der Decke, ein Wasserstrahl übergießt mich. Ich springe vom Hocker und wische mir das Wasser aus dem Gesicht. Das Wasser fließt in einem festen Strahl zu Boden, es wird etwas dauern, bis wir ertrinken, eher ersticken wir hier drin.
Ich spüre wieder Seths Augen auf mir, aber nicht der typisch Blick eines begehrenden Jungen, wie Viez, nein. Er schaut sich meine Narben an. Ich lass den Kopf hängen und meine Schulter fallen nach vorne. Ich trete den Hocker weg und setze mich an die Wand neben Seth. Mit dem Kopf im Nacken seufze ich. Lange sagen wird nichts.
"Wie sehen sie aus?", frage ich ihn mit leiser Stimme irgendwann. Er dreht seinen Kopf zu mir, aber ich starre weiter nach vorne. "Was?" Ich wiederhole meine Frage in der gleichen Tonlage. "Wie sehen sie aus?" Er weiß was ich meine, glaubt aber nicht, dass er es weiß. "Ich habe sie noch nicht gesehen.", erkläre ich. "Sie sehen...", beginnt er, aber hört schnell wieder auf. Wieder ist es still, allein das Wasser, das auf dem Boden ankommt und immer mehr den Boden bedeckt, gibt Töne von sich. Nach einer Weile begreife ich erst richtig unsere Lage. Wir kommen hier nicht raus, und auch erst jetzt stelle ich mich auf meinen Tod ein.
Ich muss nicht weinen, ich fühle nicht einmal Angst, aber eine Barriere fällt in mir. "Ich habe sie nicht getötet." Er sagt wieder nichts. "Es war ein anderer." Den Namen sage ich trotz alledem nicht. "Eigentlich sollten die Schiffe mit allen darauf am nächsten Tag vernichtet werden." Ich schlucke, meine Kehle ist unangenehm trocken. "Ich bin in der Nacht mit ihm los, um die Toten zu verhindern. Er handelte hinter meinen Rücken." Die Erinnerung ruft wieder diese Wut hoch, die ich solange empfunden hatte. "Er hat mich weggebracht und Bash und Narbengesicht getötet." Ich verstumme wieder.
"Ich bin gekommen, um..." Ich gucke ihn immer noch nicht an, ich hasse mich dafür, dass ich ihm Dinge erzähle. "um meine Schwester zu holen. Ich wusste wer du bist, was du bist und zwar eine von uns." Ich bleibe ruhig und höre ihm einfach zu. "Es tut mir leid. Ich habe dir nicht geholfen." Meine Lippen sind aufeinandergepresst. Ich werde ihm weder Last abnehmen noch aufdringen.
Das Piepen ist nur noch im Hintergrund zu hören, und jetzt höre ich auch ganz genau seinen Atem.
Mir fallen schließlich die Augen und ich schlafe ein.
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Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️
FantasyEine Welt, in der Hinrichtungen und Verbrechen an der Tagesordnung stehen, das ist Alecs Welt. Bis jetzt lebte sie in Ruhe und abgeschottet auf den wohlhabenden Anwesen ihres Bruders, doch wird sie immer öfter mit den schrecklichen Szenen konfrontie...