Kapitel 6

134 9 1
                                    

Viez.

Er kommt mit großen Schritten, und ich schreie noch einmal, nun seinen Namen. Den Anderen ist das natürlich auch nicht entgangen. Ich schreie noch einmal, aber nicht um Hilfe, sondern wegen Schmerzen. In meinen Oberschenkel bohrt sich die Klinge des Dolches. Der Schmerz rast in meinen Kopf und durch meinen ganzen Körper. Das Blut läuft mir den Schenkel runter und Schreie sammeln sich in meinen Lungen. Dann ist Viez da. Er hat ein Schwert gezückt und zielt damit auf den, der mich abrupt loslässt. Dumm und Dümmer sehe ich grade noch, wie sie aus der Gasse flüchten, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Ich taumle zur Seite und sinke mit meinem Rücken an der Wand langsam auf den Boden. Viez ist im Vorteil, denn der Idiot, der mich mit seinem Messer gestochen hat, hat es in meinem Bein gelassen. Er ist unbewaffnet und es geht schnell. Ich höre noch ein "Nein bitte nicht" und dann sticht er zu. Viez zieht das Schwert dramatisch langsam aus dem Bauch des Jungen, der erschrocken nach unten schaut. Dann legt er die Hände auf die Wunde und sackt auf die Knie.

Ich kann meinen Blick nicht von ihm lösen. Sein dreckiges Hemd saugt sich mit seinem Blut voll und jetzt kippt er nach vorne. Als sich wieder eine Hand um meinen Arm schließt, will ich grade noch einmal schreien, doch dann sehe ich Viez in die Augen. "Alles ist gut, sie können dir nicht mehr weh tun. Komm, steh auf. Ich bring dich nach Hause." Er sitzt neben mir in der Hocke und erhebt sich jetzt vorsichtig. Ich will mich mit ihm aufrappeln, aber da spüre ich wieder den grausamen Schmerz im hinteren Oberschenkel. Eine Art Fiepen entfährt mir. "Ich glaube, ich kann nicht." Ich umfasse mein Bein mit meinen Händen. Es pocht ganz fürchterlich. "Du musst. Wir müssen hier weg. Ich helfe dir." Was er sagt, tut er dann auch, mit seinen Händen greift er unter meine Arme und zieht mich hoch. Belasten tue ich nur mein eines linkes Bein, in dem keine Klinge steckt und humple so mit Viez Hilfe aus der Gasse raus.

Mein Korb ist weg, den haben Dumm und Dümmer bei ihrer Flucht mitgenommen. So schnell, wie es eben geht, bringt Viez mich am Rand vom Marktplatz zu einem, an einem dafür vorgesehenen Pfosten gebundenem, Pferd. Es ist sein Pferd, wie sich kurzerhand herausstellt. Doch bevor wir aufsetzen, sagt er, "Das wird jetzt weh tun". Bevor ich noch was sagen kann, hat er eine Hand um meinen Bauch und duckt sich hinter mir. Als seine Hand mein Kleid hochwirft, will ich schreien. Und dann zieht er den Dolch raus. Eine neue Schmerzwelle ereilt, und ich drücke so fest die Zähne zusammen, dass ich glaube, ich breche sie mir jede Sekunde aus. Sofort übt er Druck auf die Wund mit einem Stück Stoff aus. Dann nimmt er den Arm von meinem Bauch und holt noch ein Stück Stoff und schnürt es fest um meine Wunde. Er hatte Recht, es tut weh. Ich forme meine Hände zu Fäusten und ramme mir meine Nägel in meine Handflächen. Ordentlich lässt er das Kleid wieder runter und steht auf.

"Für dich." Er hält mir den Dolch entgegen, der grade noch in meinem Bein steckte. Ich nehme ich wagend aus seiner Hand. "Danke", sage ich unter grausamen Schmerzen. Das Danke gilt auch für den Dolch, aber viel mehr der Rettung und den Tüchern, die meine Wunde schützen. "Keine Ursache. Nun aber los. Die Wunde muss wahrscheinlich genäht werden." Diese Aussicht freut mich definitiv nicht, aber ich lasse mir von ihm aufs Pferd helfen. Er steigt auch auf, und wir reiten los. Der Rückweg dauert kürzer als der Hinweg, denn jetzt lege ich ihn auf den Rücken eines Pferdes hinter mich, aber es fühlt sich nicht kürzer an. Die Wunde pocht auch weiterhin, selbst wenn sie provisorisch verbunden ist. Langsam weiß ich nicht mehr, wie lang ich das noch ohne Gejammer aushalte.

Als wir endlich am Anwesen ankommen, ruft er zwei Wachen, die ums Haus patrouillieren, zu uns. Sie helfen mir vom Pferd und führen mich ins Haus, wo ich mich im Empfangssaal auf einen Stuhl niederlasse. Viez ist nicht hinter mir, er bindet wohl noch sein Pferd irgendwo an. Mein Bruder kommt auf mich zu, er kommt aus seinem Arbeitszimmer. "Du meine Güte Alec. Was ist passiert? Wo warst du?" Ich hatte vollkommen vergessen, irgendjemanden Bescheid zusagen, dass ich in die Stadt gehe. "Ich wurde in der Stadt überfallen." Ich sehe die Angst in seinen Augen und versuche, ihn sofort zu beruhigen. "Halb so wild, nur eine kleine Wunde, und außerdem kam Viez und hat mir geholfen." Jetzt mischt sich Verwunderung mit in sein Gesicht. "Ist jetzt egal, würdest du so lieb sein und Poala holen." Es ist mehr eine etwas gereizte Aufforderung als wirklich eine Frage. Poala ist eine Heilerin, die für uns arbeitet und auch bei uns lebt. Phileas nickt und befiehlt einem Hausmädchen, das an der Treppe steht, Poala zu holen. Sie macht sich sofort auf den Weg.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt