Kapitel 12

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In den nächsten zwei Wochen plant Hellen alles Nötige und mehr für den anstehenden Ball und bei jedem Schritt, den sie geht, zucke ich zusammen, denn sie ist hochschwanger, nächsten Monat ist es so weit und obwohl ich weiß, dass sie fast alles alleine tun kann und nur in wenigen Bereichen wirklich eingeschränkt ist, habe ich Angst um sie. Es ist albern, sie ist nur schwanger, aber ich mache mir trotzdem Sorgen, dass sie sich überanstrengen könnte. Ich merke auch, wie Phileas sie ansieht, einerseits über glücklich und auch stolz, aber die Besorgnis kann er nicht verstecken. Es besteht immer ein Risiko, bei jeder Schwangerschaft, das weiß er genauso gut wie ich, und Hellen auch. Während Sie vollkommen mit der Planung und der Umsetzung in Bezug auf den Ball beschäftigt ist, nutze ich meine Zeit um weiter zu trainieren und gelegentlich ein Buch zu lesen. Seit meiner Jagd mit Viez war ich noch dreimal draußen im Wald und habe zwei Eichhörnchen, vier Hasen und einen Hirsch erlegt, bei dem mir zwei Wachen zur Hilfe kommen mussten. Mit Viez hingegen konzentriere ich mich auf den Schwertkampf und vereinzelt bringt er mir noch weitere Methoden bei, wie ich jemanden mit einem Dolch, die Kehle aufschlitzen könnte oder noch Schlimmeres. Viez ist ein freundlicher Kerl, der es liebt mich in den Wahnsinn zu treiben, doch mittlerweile ist meine Belastbarkeit bei ihm soweit, dass seine Sticheleien keinerlei Wirkung mehr zeigen, das enttäuscht ihn offensichtlich.

Morgen ist die Anprobe für mein fertiges Ballkleid und Hellen hat mich flehend darum gebeten, mir heute keine neuen blauen Flecken oder andere Wunden zu zuziehen und sogar ich wage es nicht, ihr in ihrem Zustand Wiederworte zu geben, also erkläre ich grade Viez, warum er mich heute mal nicht mit einem Dolch versuchen darf zu erstechen. Wir haben uns außerdem zu echten Dolchen und Schwertern hochgearbeitet, was um einiges spannender und spaßiger ist als Attrappen und Spielzeuge. Er sieht tatsächlich ein wenig traurig über meine Nachricht aus und ich kneife ihm, wie ich es bei einem Kind machen würde, tadelnd und gleichzeitig zusprechend, in die Wange. Er nimmt meine Finger in seine Hand und drückt so fest zu das ich leise aufschreie. "Aua!" und "Arsch!" füge ich noch hinzu. Er lacht amüsiert auf. "Darf die edle Dame denn wenigstens ausreiten?", fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen. "Wenn der Herr es wünscht." Er reicht mir seine Hand und ich nehme sie lächelnd an.

Die übertriebene Höflichkeit, legen wir öfter an den Tag, es ist eine Art Scherz zwischen uns. Als Ma es letzte Woche mitgekriegt hat, war sie nicht so begeistert. Das lag wohl daran, dass wir uns über meine Cousine und ihre Freundin lustig gemacht haben, die bei uns zu Besuch sind für den Ball. Clarissa und ihr Schoßhündchen Clara. Clarissa ist die Tochter vom Bruder meiner Mutter, der mit ihr, ihrer Freundin und seiner Frau vor ein paar Tagen angereist ist. Ein enges Verhältnis pflegen wir nicht wirklich mit ihnen, nur für größere Anlässe reisen sie an. Clarissas Vater hat eine höhere Stellung im Militär, aber worin genau seine Aufgabe besteht und welches Amt er trägt, weiß ich nicht. Auf jeden Fall kann ich es kaum erwarten, bis sie uns wieder verlassen. Dieses Getue der beiden Hühner ist unerträglich, und die Blicke die sie mir bei beim Training zugeworfen haben, sagen mir, dass die beiden mich auch nicht besonders schätzen. Doch die Blicke, die sie dem nassen, muskulösen, kämpfenden jungen Mann, Viez geschenkt haben, sind auch vielaussagend. Ich bin sicher er hat noch viele andere Verehrerinnen, die beim Ball um einen Tanz bitten werden. Warum interessiert mich das?

Ich und Viez reiten also unsere übliche Strecke und unser Ritt wird mit einem Rennen eröffnet. Als wir an den Gärten vorbei galoppieren, erkenne ich Clarissa, wie sie winkend, zwischen den Rosen steht. Sie sieht nicht schlecht aus. Sie ist eine schlanke junge Frau, ein Jahr älter als ich und um einiges vornehmer und zivilisierter.

Ich konzentriere mich wieder auf den Weg und versuche sie zu vergessen, sie und ihre Blicke. Zwischen mir und Viez sind die Rennen immer sehr knapp und heute bin ich es, die als erstes das Ziel, die kleine Lichtung erreicht. Statt umzudrehen, reite ich etwas langsamer weiter, mit Viez im Schlepptau. "Und wohin geht's?" fragt er schließlich. Ich denke kurz nach, denn so genau weiß ich das gar nicht. Doch dann fällt mir ein kleiner Tümpel ein. Es ist zwar nicht mehr so heiß, wie die letzten Monat, aber definitiv nicht zu kalt für einen Sprung ins Wasser. "Wie wäre es mir einem Bad?" Als Antwort treibt er sein Pferd etwas an. Ich weiß nicht mehr genau die Stelle, an der das Gewässer lag, aber die ungefähre Richtung und Lage ist hängen geblieben, vom letzten Mal, als ich a war. Ich habe es einmal mit Florentine gefunden und wir haben den ganzen Tag dort im Wasser verbracht und in der kleinen Grotte, die sich dort ebenfalls befindet, rumgenutscht. Irgendwie komisch, dass ich jetzt auch Viez zu diesen Ort führe. Ich bin mir meiner Gefühle immer sehr sicher und in Bezug auf ihn weiß ich, dass ich keine romantischen Gefühle für ihn hege, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, es auch nicht hassen würde ihm körperlich näher zu kommen. Nur zeigt die Vergangenheit und viele Beispiele, dass das Prinzip, sich nur physisch zu nähern, ohne, dass einer der beiden Involvierten romantische Gefühle entwickelt, nur selten funktioniert.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt