Kapitel 55

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Mitten in der Nacht wache ich auf von einem Schrei, aber die folgenden sind Erklärung genug, um zu wissen, dass das keine Hilfe oder Schmerzschreie sind. Ich schaue neben mir auf das Bettlacken und als ich einen komischen Fleck sehe, werfe ich die Decke über mich und steige aus dem Bett. Wasser drückt auf meine Blase, ich überlege, ob ich mir was überziehen sollte, entschließe mich aber dagegen. Die anderen Frauen tun es ja schließlich auch nicht. Auf nackten Füße schleiche ich durch die Tür, schließe sie leise hinter mir und gehe leise durch den Flur. Die Mädchen sitzen tatsächlich noch vor unseren Zimmern und lächeln mich an. Ich lächle zurück, worauf eine sich verführerisch auf die Lippe beißt. Ich gehe einfach weiter, auch wenn mich ihr Blick etwas betört hat. Ich muss um eine Ecke biegen, bevor ich zu richtigen Ende des Flurs kommen. Ich kann kaum was erkennen, glaube aber eine Tür vor mir zu sehen, mit einem glänzenden Türknauf. Ich kann ein Knatschen der Dielen hören, aber bevor ich merke, dass nicht ich das verursacht habe werde ich gegen die Wand gedrückt. Mir entfernt ein hoher, aber nicht lauter Ton und ich setze zum Schrei an, bis ich sehe, wer da vor mir steht.

Seth schaut auf mich herab, seine Arme, mit denen er mich grade noch gegen die Wand gedrückt hat, liegen jetzt seitlich neben meinem Kopf, sodass ich zwischen ihnen gefangen bin. "Was suchst du hier?", flüstere ich ihm zu. Er senkt sich zu mir runter und flüstert mir ins Ohr. "Ich wollte nur auf Toilette, was sonst?" Seine Stimme ist ganz dunkel und rau, seine Morgenstimme, die mich etwas wuschig macht. Ich versuche ihn von mir zu drücken, aber er bleibt stehen. "Ich habe es dir doch oft genug gesagt oder?" Ich schaue ihm in seine dunklen Augen, die mich verschlingen. "Oh ja. Und auch gezeigt."

"Also" Ich lege nochmal meine Hände auf seine kräftigen Schultern. Er bewegt sich kein Stück. Ich habe keine Angst vor ihm, vertraue ihm, aber er wäre im Fall der Fälle sehr viel stärker als ich. "Morgen" Er grinst und ich wiederhole das Wort. "Morgen" Dann lehnt er sich runter und küsst mich heftig. Ich öffne meinen Mund und unsere Zungen veranstalten einen Tanz in unseren Mündern. Er nimmt jetzt seine Hände von der Wand und setzt sie auf meinen Po, der halb frei liegt, da ich nur den Schlüpfer trage. Meine Hände liegen auf seiner, sich ruhig hebender und wieder senkender, Brust. Der Kuss wird schneller, wilder und leidenschaftlicher. Ich halte jetzt seinen Kopf zwischen meinen Händen, lehne meine Stirn an seine und unsere Lippen trennen sich. "Morgen", hauche ich und gehe wieder den Flur zurück in mein Zimmer, dabei versuche ich meinen Arsch genauso schwungvoll zu bewegen, wie es die Nutten auch getan haben. Das leise Knurren hinter mir sagt mir, dass ich nicht komplett albern dabei aussehe. Als ich mich wieder ins Bett lege, fällt mir auf, dass ich völlig verpeilt habe, auf Klo zu gehen. Ich stehe wieder auf und gehe mich entleeren, dieses Mal überrascht er mich nicht.

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Wir steigen auf unser Pferd und folgen Xarish durch die Straßen, bald werden wir die Hauptstadt erreichen. Ich habe gestern Nacht nicht vergessen und muss zugeben, dass ich es mag ihn so zu reizen und zu sehen wie er zappelt. Ich versuche auch bei unserem Ritt ihn zu fordern und zu necken, und das geht sehr leicht. Ich lehne mich an ihn und fange an meine Hüften leicht zu bewegen und drücke dabei meinen Arsch immer mehr an ihn. Er zischt in mein Ohr, aber ich höre nicht auf. "Lass das lieber.", warnt er mich. Ich grinse nur in mich rein. "Warum denn?" Ich bewege die Hüften noch etwas doller. "Du willst es doch nicht herausfordern." Mit einem kleinem Ruck drücke ich mich noch weiter nach hinten. "Schadet ja nicht." Ich spüre wie sich hinter mir was aufstellt und grunze zufrieden. Dann setze ich mich wieder etwas nach vorne und sitze da ohne mich zu bewegen, ich berühre ihn nicht mehr und sagen tue ich auch nichts. "Oh, das wirst du noch bereuen." Desinteressiert zucke ich mit den Achseln. Ich freue mich drauf.

In der Hauptstadt sind die Straßen noch voller, als sie es in der vorherigen Städten waren und wir müssen sehr vorsichtig und langsam reiten, um ja keinem auf die Füße zu treten. Für uns ist dieses Land besser, es ist sicherer, aber es kämpft mit ähnlichen Problemen wie Boditez und ist für manche nicht besser. Immer wieder sehe ich Leute, die in Lumpen vor Häusern sitzen und betteln. Viele von ihnen sind schon alt, aber auch ein paar sehr junge, zu junge, Leute kann ich erkennen. Es ist ungerecht, und ein Problem, das wohl jedes Land besitzt, aber jedes anders mit umgeht. König Brahey hat es falsch und grausam versucht zu lösen und zwar mit der Entsorgung dieser Menschen. Das Bild des Bettlermädchens, welches hingerichtet wird, schießt mir in den Kopf. Sie und was ihr angetan worden ist, war einer der Gründe, warum ich bin, wo ich bin, warum ich bestimmte Entscheidungen getroffen habe.

Der Weg geht etwas steiler nach oben und ich lasse mich einfach nach hinten fallen. Und dann halten wir. Wir stehen vor einem riesen, weißen Haus, das so breit ist, wie fast vier der Häuser in den Straßen davor. Es hat große, schöne Fenster und ist von außen mit Skulpturen und Schnörkeligen verziert. Vor dem Haus ist ein Vorhof, den man durch ein großes, schwarzes Eisentor betreten muss, der verbunden ist mit einem hohen Zaun, der das ganze Grundstück eingrenzt.

Das kann es doch nicht sein? Doch.

Zwei grade stehende Männer in Uniformen öffnen die Tore und wir reiten hindurch. Ich staune nicht schlecht, allein schon von außen ist dieses Haus ein Traum. Zur Eingangstür führen einen flache, halbrunde Treppen, die aus weißen, rauen Stein bestehen. Ich folge ihnen und schaue zur Eingangstür, die etwas tiefer im Gebäude selbst liegt. Da steht eine Frau in Flieder, mit einem Mann an ihrer Seite. Ich erkenne sie sofort. Ich atme schnell ein und aus und springe eilig vom Pferd, obwohl das nicht mal angehalten hat. Ich muss tief in die Knie gehen, um nicht hinzufallen und so schnell ich kann, renne ich zu ihr. Ich renne zu Florentine. Sie öffnet ihre Arme für mich und ich falle in sie. Sie umschließt mich und legt ihr Kinn auf meinen Rücken. Ich bin in ihren Armen und diese ferne und doch vertraute Berührung überwältigt mich. Es ist ein wunderbar warmes Gefühl, das ich in vollen Zügen genieße. Jede Zelle meines Körpers ruft nach ihr und bebt unter ihrer Berührung. Ich drücke sie noch fester, um sicher zu gehen, dass sie real ist, aber es ist real.

"Du bist da." Die Worte murmelt sie in mein Haar und ich erschauere kurz, als ich ihre wunderschöne Stimme höre, die meine Ohren zum weinen bringt. Ich sauge ihren Duft auf und antworte ihr. "Ja. Ich bin hier, und du."

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt