Kapitel 10

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Von der Erhöhung aus, schaue ich durch die Glaswand, nach draußen, während die Schneiderin meine Maße nimmt. Hellen sitzt auf einem Stuhl neben dem Podest und isst ein paar Zitronentörtchen, dabei krault sie sich selbst ihren Bauch. Die Vorfreude auf das Baby steigt mit jedem Tag an und auch ich kann es kaum erwarten meinen Neffen oder meine Nichte in den Armen zu halten. Auch wenn ich selbst nicht daraus aus bin, eigene Kinder zu kriegen, sind sie doch Geschenke und bereiten einen, häufig Freude. Ich hoffe, dass es ein Mädchen ist, dann könnte ich ihr all die Dinge beibringen, die ich wollte, dass sie mir jemand beibringt. Die Schneiderin müsste so um die 30 Jahre alt sein, auch wenn ich nicht gut im Alter Schätzen bin, vertraue ich meinem Instinkt mit dieser Annahme. Sie sieht sehr freundlich aus und lächelt mich, mit ihrem schmalen Mund, jedes mal an, wenn sie meine Arme hebt oder senkt. Sie hat eine sehr helle Haut, was bedeutet, dass sie diesen Sommer nicht viel draußen war. Als Schneiderin arbeitet sie eben auch eher drinnen, in den Häusern von ihren Kunden oder da, wo auch immer sie ihre Kleidung dann herstellt. Ich stehe nur in Unterwäsche vor ihr, aber keiner stört sich daran, weder sie, denn es ist ihre Arbeit und sie ist daran gewöhnt Leute in diesem Aufzug zu sehen, noch störe ich mich daran.

Auch wenn ich nicht immer im Einklang mit meinem Körper bin, gehe ich sehr locker damit um, was man von mir sehen kann. Mich stört es nicht nur wenn mal etwas mehr Haut bei mir erkennen kann, ich weiß auch wie ich diese richtig einsetzen kann. Als die Schneiderin grade meinen Brustumfang misst pikst etwas zwischen meinen Brüsten. Als sie mit Maße Nehmen bei mir fertig ist, steige ich runter und Hellen nimmt meinen Platz ein. Ich drehe ihnen den Rücken zu und gehe zu der Scheibe, ich bin noch immer hingerissen von dem Ausblick. Natürlich weiß ich, dass es Plätze gibt, an denen man sehr viel weiter blicken kann, aber das, was sich mir hier bietet ist trotzdem wunderschön und mir so vertraut. Mich zwickt wieder etwas zwischen meinen Brüsten und ich ziehe das Korsett so weit von meinen Körper weg, dass ich zwischen sie schauen kann. Es ist nicht wie erwartet das Korsett selbst, welches mich pikst, sondern etwas zwischen meiner Haut und dem Stoff. Das Etwas sieht aus wie ein sehr kleines Papier, es ist so oft gefaltet worden, dass es grade mal so groß ist wie eine Fingerkuppe. Ich fummle mir das Stück heraus, beschließe aber es noch nicht aufzufalten und es zu lesen. Die Schneiderin muss es mir gegeben haben und ich blicke zu ihr, wie sie Hellens großen Babybauch ausmisst. Dann treffen sich unsere Blicke. Sie nickt und schließt dabei die Augen.

Was mag wohl drauf stehen? Und von wem ist die Nachricht? Ich spüre wie ich aufgeregt ich bin, wegen der Nachricht. Ich lese sie sicher erst in meinem Zimmer, in Ruhe. Wenn einem ein kleiner Zettel ins Dekolleté gesteckt wird ohne ein Wort zu sagen, ist es wohl keine Nachricht für jedermanns Ohren und Augen. Die Schneiderin hat sich wieder Hellen zugewendet und ich stecke den Zettel wieder zurück. Nachdem auch Hellen fertig ist, helfe ich ihr, indem ich ihr die Hand reiche, vom Podest und sie holt eine Skizze eines rosa Tüllkleides raus, eins von den drei Entwürfen. Auch ich habe das Blatt, mit meinem Favoriten mitgebracht und überreiche es der Schneiderin. "Eine gute Wahl. Ich dachte mir schon, dass du dich für das Kleid entscheidest."

"Beide Kleider sind wirklich klasse." stimmt die Schneiderin Hellen zu. "Ich werde mein Bestes geben, diese Kleider so zu schneidern, wie sie gezeichnet wurden.", versichert sie uns noch. "Also eigentlich würde ich gerne eine Kleinigkeit hinzufügen, natürlich nur wenn es für dich in Ordnung ist.", die indirekte Frage richte ich an Hellen. Sie nickt mit einem vollen Mund und schluckt das Törtchen schnell, würgend runter. "Ja klar. Es ist ja auch dein Kleid Liebes"

"Okay also, ich würde gerne zwei kleine Taschen an den Seiten des Rocks anbringen" Die Schneiderin nickt und zeichnet zwei kleine Striche, mit einem dünnen Stift, auf die Skizze, wo die Taschen hinkommen sollen. Die Taschen sollen für zwei wichtige Dinge sein, die ich in ihnen verstauen werde, ein Flachmann mit starken Alkohol und ein kleiner Dolch. Ich fühle mich nämlich sicherer, wenn ich eine Waffe bei mir trage. Selbstverständlich möchte ich nicht, dass es zu einem Einsatz des Dolches kommt, aber im Falle, kann ich ihn mittlerweile sehr gut nutzen. Hellen zieht sich noch ihren Morgenmantel über und verabschiedet sich dann, sie bräuchte wohl noch etwas Schönheitsschlaf, wie sie sagt. Wenn sie wirklich noch schöner werden würde, würde ihre Schönheit wohl wortwörtlich jeden unangenehm blenden. Als sie weg ist, verabschiedet sich auch die Schneiderin von mir mit kurzen Worten, doch den Zettel erwähnt sie nicht. Bevor sie auch verschwindet rufe ich ihr noch mit gedämpfter Stimme etwas hinterher. "Wie heißen sie?" Ich denke diese Frage ist nicht zu viel und sie antwortet leise, aber deutlich, "Zea". Sie fragt mich nicht nach meinem, sie kennt ihn schon.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt