Kapitel 45

59 5 0
                                    

Wir reiten absichtlich nicht durch Städte und meiden jeden größeren Treffpunkt. Ich sitze im Sattel und trotte den anderen hinterher. In meinem Kopf und Herzen ist so viel los, was ich versuche zu sortieren, dass ich alles andere ausblende. Ich gehe noch einmal den Abend des letzten Jahres durch und lache im Nachhinein darüber wie dumm ich war, und die anderen natürlich auch. Das Lachen ist ein Auslachen, womit ich mir selbst weh tun will, denn ich bin verantwortlich gewesen für meine Familie. Und ich habe Ihnen den Tod gebracht. Aber das Messer hatte jemand anderes in der Hand, die Namen kenne ich nicht, aber ich weiß, wer sie kennt und wer meine Familie und meine Fehler ausgenutzt, verraten und hintergangen hat. Am Grab habe ich Rache geschworen und diese werde ich gelten lassen. Gerechtigkeit und Rache. Sie werden bluten, so lange bis sie ausgelaugt und tot vor mir liegen und ich auf ihre Leichen treten kann, wie sie es mit den Rekruten und so vielen anderen auch taten.

Ich versuche auf unserem Weg auch zu verstehen, wie genau Viez das alles geschafft hat, und warum. Aber besonders hinter das Warum komme ich nicht wirklich. Er war Spion für den König, erst im Untergrund der Schmuggler und später dann auch der Rebellen. Viez Motiv waren keine Personen oder Liebe, es war die Macht. Nur das kann es gewesen sein. Macht, Reichtum und Einfluss.

Was ich zu verdrängen versuche ist alles was mit meiner Familie zu tun hat. Ich kann den Schmerz nicht ertragen, den ich fühle, wenn ich ihre Gesichter sehe, lebendig oder tot. Diese Lücke werde ich nie füllen können, den Schmerz nie heilen, ich kann mich nur ablenken, aber es wird immer auf das Gleiche hinaus laufen, dieser Schmerz.

Wir sind in den Sonnenaufgang geritten und jetzt in den Sonnenuntergang. Schon bald stellt sich heraus, dass wir auch die Nacht durchreiten werden. Wir müssen weg, denn die Frist ist in dieser Nacht vorbei, wir werden gesucht.

Wir reiten auch noch den zweiten Tag durch, nur zum Pinkeln halten wir an, gegessen wird auch beim Reiten, aber als die Sonne untergeht, brauchen wir alle eine lange Pause. Wir haben uns immer weiter von Städten entfernt und reiten hauptsächlich durch Wälder oder über Felder. Jetzt halten wir in einem Wald an. Ravan sammelt etwas Holz, während wir anderen uns um die Pferde, ein kleines Lager und Essen kümmern. In einem Metallbecher, erhitzt Lerya Wasser, das uns als eine Art Tee dienen soll, denn es hat, zu unseren Unglück, angefangen zu schneien, was wohl genug über die Temperaturen sagt, die am Tag und erst in der Nacht herrschen. Nachdem Ravan mit einer guten Menge Holz ankommt häuft er es so, das es nach oben hin zu einer Spitze zusammen läuft und umrandet die Stelle mit Steinen.

Seth sorgt dafür, dass unsere Feuerstelle auch wirklich brennt und Wärme spendet. Nachdem wir still gegessen haben legen sich die ersten schon hin und irgendwann sind nur noch ich und Seth am sitzen. Alle Anderen liegen eng um das Feuer rum, in Decken eingewickelt und Ravan schnarcht sogar. Sie müssen noch müder sein als ich, denn ich habe einen Tag lang geschlafen, sie wahrscheinlich nicht. Auf einmal fühle ich mich schlecht, und das nicht wegen meinen sonstigen Gefühlen, die mich die letzten Tage belasteten, sondern wegen einem Schuldgefühl gegenüber ihnen allen. Sie haben sich um mich gekümmert, um die Toten, um meine Familie, jetzt flüchten sie, haben einen Plan, der hoffentlich besser ist als der davor und das alles, obwohl ihnen auch was genommen wurde. Der König hatte die Dinge aufgezählt, ich erinnere mich an diese Worte genau. Lerya verlor Kammeraden, die bestimmt für mehr standen, für ihre Freunde, ihre Art von Hoffnung und Leben. Ravan, der auch mit seiner Nennung runtergemacht wurde, nahm man die Hoffnung, auch wenn das nichts Lebendiges oder Materielles ist, es ist was, was den Menschen erhält. Xarish wurde nichts genommen, weil er nichts hatte, weil er nichts bedeuten würde.

Allein die Worte und ihre Bedeutung waren schockierend und eine tiefe Beleidigung. Xarish muss schon viel verloren haben. Und Seth wurde auf eine andere Art auch seine Familie genommen, zwar sagte der König es wäre nur die Ehre und das Ansehen dieser, aber Seth empfand bestimmt mehr für sie als das.

Die Farben der Macht - Schwarz und Lila |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt