11.5 Sommer 1972: Eifersucht und Güte

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Nachts war das Potter-Anwesen wie ein Gemälde

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Nachts war das Potter-Anwesen wie ein Gemälde. Dunkle Efeublätter rankten sich die schneeweiße Fassade hinauf, beleuchtet vom Mondlicht und getaucht in die Schatten der Nacht. Die Fenster waren dunkel, es brannte kein Licht, aber das Leben erlosch nie gänzlich im Inneren. Das lautlose Flügelschlagen einer Eule, die über dem großen Feld kreiste, das Ticken der Wanduhren, das Wälzen von energiegeladenen Kinderfüßen unter der Bettdecke, das Knistern des Kamins... und die leisen, tapsigen Schritte eines Jungen, der nicht einschlafen konnte.

Sirius klopfte an James' Tür, barfuß und in einen seidenen Pyjama gekleidet. „James", flüsterte er in die Nacht. „James, wach auf." Sirius wollte nicht, dass Mrs. und Mr. Potter aufwachen würden – sie hatten ihm viel zu viel Güte gezeigt, in dem sie ihm trotz seines dunklen Namens aufgenommen hatten und das würde er ihnen nicht heimzahlen, indem er sie mitten in der Nacht wecken würde.

„James", flüsterte Sirius erneut, seine Finger tanzten vorsichtig über das Holz der Schlafzimmertür, die nur wenige Momente später aufgestoßen wurde.

„Was'n los?", murmelte der schlaftrunkene James und rieb sich die Augen. Er blinzelte mehrmals, damit er ohne seine Brille etwas erkennen konnte.

„Ich kann nicht – ich meine, ich wollte fragen, ob ich –", stammelte Sirius peinlich berührt. Jetzt, wo er James tatsächlich geweckt hatte, fand er es selbst dämlich.

Aber James gähnte lediglich laut und sagte: „Komm schon rein", als hätte er darauf gewartet, dass sowas passieren würde.

„Danke", murmelte der andere Junge, bevor er James folgte und die Tür vorsichtig hinter sich schloss.

„Was machst du da?", fragte James, der auf seiner Bettkante saß und sich die Brille vom Nachttisch aufgesetzt hatte. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen und betrachtete Sirius mit einem verwirrten Gesichtsausdruck, als dieser sich auf den Boden setzen wollte. „Komm schon her, du Spinner."

„Oh. Ich wollte nicht –"

„Merlin, Black", murmelte James, „ich hab ein ganzes Jahr ein Zimmer mit dir geteilt, es war doch nur eine Frage der Zeit, bis du in mein Bett kriechst." Er grinste schief. „Hier ist genug Platz für unseren ganzen Jahrgang, jetzt stell dich nicht so an."

Sirius schluckte schwer. Er musste sich noch nie ein Bett mit jemandem teilen und er tat gerne so, als wäre die Nacht vor Weihnachten im letzten Jahr nicht gesehen, in der er Remus gebeten hatte, nach seinen Albträumen bei ihm zu bleiben. Im Black-Haushalt war es nie gern gesehen, wenn sich ein Bett geteilt wurde; unrein, nannte seine Mutter es. Das Bett war ein heiliger Ort der Ruhe und dieser Ort war für eine Person gedacht. Die wenigen Male, die Sirius im Schlafzimmer seiner Eltern war, hatten gereicht, dass er irgendwann gemerkt hatte, dass Walburga und Orion sich noch nie ein Bett geteilt hatten und dass sie es ihren Söhnen ebenfalls nicht erlauben würden, egal wie schrecklich die Albträume waren, egal wie viel Angst der vierjährige Regulus vor dem Gewitter hätte, das vor seinem Fenster gewütet hatte.

Ungeduldig seufzte James, stand auf und packte Sirius am Handgelenk. „Entweder du legst dich jetzt ins Bett oder ich lass dich im Garten schlafen, Sirius."

„Okay, okay, tut mir leid. Ich bin nur –", versuchte er sich zu erklären, brach aber ab. Wie sollte er sowas denn James erklären, dessen Bild einer Familie und von liebenden Eltern so gänzlich anders war als das von Sirius? Es wäre wohl besser, wenn er gar nichts sagen würde.

James setzte seine Brille wieder ab, als er sich neben Sirius unter die Decke gedrückt hatte, dann faltete er die Hände auf der Bettdecke und seufzte ein weiteres Mal. „Willst du darüber reden?", fragte er leise.

„Worüber?"

„Lass das", brummte James. „Du weißt, was ich meine."

Sirius schwieg und lauschte dem langsamen Atem von James neben ihm, der nah genug war, damit er die Wärme seines Körpers spüren konnte, aber nicht nah genug, damit sie sich berühren würden. Sirius lauschte dem Wind, der draußen in den Blättern rauschte und dem Ticken der Uhr und dem rauschenden Geräusch, in seinen eigenen Ohren, bevor er schließlich den Mund öffnete: „Mum war stinksauer, als dein erster Brief kam. Sie wollte nicht, dass ich weiterhin Kontakt mit dir habe. Auch mit Peter und Remus nicht, nicht mal mit McKinnon. Sie hat jeden Brief sofort konfisziert und wahrscheinlich verbrannt. Ich hab nicht einen davon lesen können."

„Dreck", murmelte James schläfrig. „Wie kommts, dass deine Mum dich dann trotzdem hat herkommen lassen?"

„Ich hab ihr gesagt, es würde viel zu viel Aufmerksamkeit auf sie ziehen, wenn sie den Brief deiner Mum ignoriert hätte und mich die letzten zwei Wochen auch noch eingesperrt hätte. Sie wusste ja jetzt, dass deine Eltern Bescheid wussten und wollte wohl ein besseres, öffentliches Bild wahren. Oder sie hatte die Schnauze voll von mir, keine Ahnung." Er lächelte in die Dunkelheit. „Deine Eltern sind echt cool."

„Ich weiß", lachte James leise. „Mum war total in Sorge, als ich ihr gesagt habe, dass du nicht geantwortet hat. Ich wette, sie wäre liebend gern selbst hingefloht und hätte deiner Mutter ein paar gewählte Worte verpasst. Dad war auch echt sauer."

Hitze kroch in Sirius' Wangen. „Warum?", fragte er leise.

„Warum was?"

„Warum waren sie in Sorge? Sie kennen mich doch gar nicht."

„Müssen sie nicht", erwiderte James und Sirius konnte spüren, wie er mit den Schultern zuckte. „Ich hab ihnen genug erzählt, außerdem hat Mum ja gesehen, wie du nur von deinem Hauselfen abgeholt wurdest. Dazu kennt sie deine Mum irgendwie, glaub ich. Zumindest hat sie mir erzählt, ich solle mich von allen Blacks fernhalten." Er lachte. „Sie war dann doch froh, dass ich mir dich angelacht habe."

„Ich kann's ihr nicht mal verübeln", brummte Sirius. „Meine Mutter hat mir auch gesagt, ich soll mich von den Potters fernhalten, aber aus anderen Gründen."

„Weil wir Blutsverräter sind."

„Sie hat es nicht ganz so nett gesagt."

„Glaub kaum, dass deine Mum nette Wörter kennt", erwiderte James.

„Wahrscheinlich nicht", überlegte Sirius. „Obwohl sie den Hauselfen manchmal ganz gut behandelt."

Es wurde still zwischen den beiden Jungs. Der langsame Atem von James wurde nach und nach immer gleichmäßiger und ruhiger. Sirius hatte die Augen immer noch nicht geschlossen, sondern starrte an die Decke von James' Zimmer. Es fühlte sich sehr unwirklich für ihn, dass er tatsächlich hier war, dass er tatsächlich so offen und liebevoll von den Potters empfangen wurde. Wen kümmerte es denn schon, dass die Potters keine Reinblutfanatisten waren? Sie waren gute Menschen, dachte Sirius. Viel zu gut, als dass er sich in ihre Mitte drängen sollte.

Sirius hätte beinahe aufgeschrien, als eine warme Hand an sein Gesicht schlug. „Aua, Potter, was soll das."

„Ich kann hören, wie du dir deinen kleinen Kopf zerbrichst", murmelte James halb schlaf, halb wach.

„Kannst du überhaupt nicht", erwiderte Sirius mit heißen Wangen.

„Kann ich wohl. Und jetzt sag deinem Kopf, er soll die Klappe halten, damit wir schlafen können. Ich muss dich morgen vom Besen werfen und dafür will ich, dass du ein ebenbürtiger Gegner bist."

Sirius lachte leise und entspannte seine Schultern gleichzeitig. Er nahm einen tiefen Atemzug, drückte James' Hand von seinem Gesicht und sagte dann, so leise, dass es fast wie das Wispern des Windes im Laub war: „Danke, James."

Aber James war eingeschlafen.

The Marauders' TaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt