Kapitel 28

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Eines steht fest, egal wo ich hingehe, zurück nach Hause zu meinem Bruder wird es sicherlich nicht sein. Wobei ich habe jetzt kein Zuhause mehr. Unaufhaltsame Tränen fließen mir die Wangen hinunter.

Was soll ich nur tun? Ich habe niemanden mehr. Keiner mag mich, nicht einmal mein einziger Bruder. Er ist das letzte Familienmitglied, das ich habe oder besser gesagt hatte. Wer soll mich überhaupt mögen, wenn die nicht einmal dein eigener Bruder, deine einzige Familie, dich mag? Gedankenversunken schreite ich meinen Weg weiter. 

Irgendwann bin ich in der Stadt angelangt. Was mache ich nun? Ich habe keinen Plan. Orientierungslos schlendere ich durch die dunkle Stadt. Ich habe nichts, außer meine Sachen, die ich anhabe und meinen Schulrucksack, den ich zum Glück noch mitgenommen habe, bei mir. Ich kann wirklich froh darüber sein, dass ich den Rucksack mir noch geschnappt habe, denn jetzt habe ich wenigsten mein notwendiges Insulin dabei und muss mir darüber nicht den Kopf zerbrechen. Das ist aber auch schon das Einzige, was ich bei mir habe. Ich habe kein Handy und auch kein Geld dabei. Zum Glück trage ich einen Pulli, ansonsten müsste ich wohl frieren.

Nach einiger Zeit knurrt mein Magen. Was mache ich jetzt bloß? Okay, ich brauche zuerst einen Plan, bevor ich irgendetwas anderes machen kann. Kurze Zeit denke ich nach, bis ich ungefähr einen groben Plan in meinem Kopf erstellt habe.

Als erstes werde ich mir etwas zu Essen besorgen, auch wenn ich das wohl oder übel klauen muss. Danach suche ich mir einen geeigneten Schlafplatz. Hoffentlich finde ich etwas Passendes hier auf der Straße, wo mir nichts passieren kann und wie es dann morgen weitergehen wird, das überlege ich mir dann, wenn es so weit ist.

Zufrieden mit meinem Plan, laufe ich zum nächsten Kiosk, der noch offen hat. Im Geschäft schaue ich mich unauffällig herum. Soweit ich das erkennen kann, gibt es nur einen Angestellten. Es ist ein etwas älterer Mann mit grauem, längerem Bart, welcher von seinem Handy abgelenkt ist. Anscheinend schaut er sich irgendein Fußballmatch oder so an, so klingt es zumindest, da er den Ton auf voller Lautstärke aufgedreht hat.

Heute ist wohl das Glück auf meiner Seite. So abgelenkt, wie dieser Mann ist, bekommt er nicht mit, wie ich mehrere Müsliriegel und eine Flasche Wasser und eine Flasche Wein einstecke. Ohne den Mann auch nur anzusehen, gehe ich eilig aus dem Laden wieder heraus. Mein Puls rast. So einen Adrenalinkick hatte ich schon lange nicht mehr. Es war viel einfacher als gedacht.

In einem Park angekommen, verkrieche ich mich in die letzte Ecke im Gebüsch. Hier wird mich sicherlich keiner finden. Es ist sehr dunkel, aber zum Glück nicht allzu kalt. Zuallererst esse ich einen der Riegel, danach schnappe ich mir den Wein und trinke erstmal einen kräftigen Schluck. Ich weiß zwar, dass das der absolut falsche Weg ist, mit der ganzen Situation umzugehen, aber es hilft und ich brauche gerade etwas, was mir hilft. 

Ich trinke fast die ganze Flasche, bis ich irgendwann einfach einschlafe. Ich bekomme nichts mehr mit, was um mich herum geschieht. 

Am nächsten Morgen wache ich genauso wieder auf, wie ich auch eingeschlafen bin. Mir brummt der Schädel, um es nett auszudrücken. Mir ist schlecht und von dem Sonnenschein, welcher mir ins Gesicht fällt, bekomme ich kaum meine Augen auf.

Von den warmen Temperaturen schließe ich daraus, dass es schon etwas später sein muss, aber ich kann es nur erahnen, da ich natürlich keine Uhr oder etwas dergleichen habe, wo ich die Uhrzeit ablesen könnte.

Einen Moment bleibe ich noch sitzen, bevor ich mir die Mühe mache und aus meinem Versteck krieche. Plötzlich fällt mir auf, dass ich noch immer einen Müsliriegel und die Wasserflasche habe. Demnach esse ich den Riegel und trinke kräftige Schlucke Wasser. Ich bin echt durstig.

Was soll ich jetzt eigentlich machen? Ich brauche einen Plan, wie meine Zukunft aussieht. Nach Hause, oder eher besser gesagt, zu meinem Bruder möchte ich nicht mehr. Das ist also schon einmal keine Option. Natürlich könnte ich bestimmt ein paar Tage bei Mila unterkommen, aber das ist auch keine Dauerlösung. Außerdem will ich mit meinem alten Leben abschließen. Ich will nicht mehr an meinem Bruder oder Max denken müssen. So ist es einfach besser. Und wenn ich jetzt bei Mila wäre, würden sich meine Gedanken pausenlos um diese Personen drehen. Vor allem könnte ich mir gut vorstellen, dass mich die anderen aus der WG suchen und mich dort als erstes vermuten würden. 

Ich sitze gerade auf einer Parkbank und starre vor mich hin. Ob mich mein Bruder wohl sucht? Bestimmt nicht! Die anderen, ja vielleicht, aber mein Bruder bestimmt nicht. Ich war bloß eine Last für ihn und ich hätte besser bei meinem Vater bleiben sollen, dass hatte er selbst zu mir gesagt, da wird er sich jetzt bestimmt freuen, dass ich weg bin. Vielleicht kommt Alex ja so auch wieder mit Sofia zusammen. Ich störe auf jeden Fall ab jetzt nicht mehr. 

Twisted Life 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt