Kapitel 29

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Fast den ganzen Tag sitze ich auf der Bank und verfolge meine Gedanken. Die meisten Leute schauen mich zwar etwas komisch an, aber das ignoriere ich einfach. Wahrscheinlich sehen meine Haare aus wie ein Vogelnest, so verstrubbelt wie die sind. Diese Tatsache zieht höchstwahrscheinlich alle Blicke auf mich, was mir aber egal ist.

Irgendwann meldet sich mein Magen wieder. Ich sollte mir wieder etwas besorgen, denn zu trinken habe ich auch nichts mehr. So mache ich mich also auf den Weg zum nächsten Supermarkt, welcher nicht weit entfernt liegt, wie ich feststelle. Mittlerweile fängt es auch schon etwas zu dämmern an.

Schleichend gehe ich im Supermarkt hin und her. Ich bin auf der Suche nach etwas Essbaren, was ich leicht einstecken kann, ohne dass es jemand bemerkt. Ich denke nicht, dass es heute wieder so leicht wird, wie das letzte Mal. Da hatte ich einfach echt Glück, dass der Verkäufer so abgelenkt war. Hier im Supermarkt habe ich das Gefühl, dass ich ständig beobachtet werde.

Gerade als ich zwei Bananen unter meinem Pullover verschwinden lassen will, kommt eine junge Frau auf mich zu. „Hey Kleine! An deiner Stelle würde ich das sein lassen. Hier sind überall Überwachungskameras und es gibt hier auch Ladendetektive. Du wirst erwischt werden, wenn du etwas mitgehen lasst, glaub mir." Die Frau, die vor mir steht, scheint nur ein paar Jahre älter zu sein als ich. Ich würde ihr Alter auf ungefähr 20 Jahre schätzen.

„Tut mir leid!" sage ich und lege die Bananen wieder zurück. Verdammt! Ich wusste, dass es nicht noch einmal so gut funktionieren wird, wie gestern. Mit hängendem Kopf drehe ich mich um und gehe nach draußen, doch weit komme ich nicht. Die Frau hält mich am Oberarm auf. „Jetzt warte doch mal. Hast du Hunger, oder warum willst du zwei Bananen klauen?" fragt sie mich forschend. Langsam nicke ich. „Gut. Ich kaufe sie dir, aber wir setzen uns dann draußen irgendwohin und wir reden ein bisschen, okay?" wieder nicke ich nur. Ich habe einfach wirklich richtigen Hunger.

Wieder draußen setzen wir uns beide nicht weit entfernt vom Supermarkt auf eine Bank. Sorgen mache ich mir dabei keine. Ich denke nicht, dass mir diese Frau etwas tun wird, da sie sehr nett ist und außerdem jede Menge Menschen um uns herum sind.

„Hier bitte." Sie gibt mir eine Wurstsemmel, eine Wasserflasche und die zwei Bananen. Sofort fange ich zu essen an, da ich wirklich schon großen Hunger habe. „Wie heißt du denn?" fragt sie mich. „Tiana." antworte ich ihr kurz. „Nett dich kennenzulernen, Tiana. Ich bin Vanessa. Lebst du auf der Straße?" fragt sie mich weiter, als sie mich mustert. Irgendwie ist mir dieses Thema unangenehm, aber andererseits kenne ich sie nicht und zu verlieren habe ich nun mal auch nichts. „Ja, aber erst seit kurzem. Mein Bruder wollte mich nicht mehr zu Hause haben." erzähle ich ihr leise. Sie nickt nur verständnisvoll.

„Okay, ich weiß, dass das, was ich jetzt sage, komisch klingen wird, aber wenn du willst, kannst du erstmal bei mir unterkommen. Keine Angst ich will dir nichts tun, aber ich kenne deine Situation nur zu gut. Ich war auch sehr jung, als ich plötzlich auf der Straße stand. Mir hat damals keiner geholfen, deshalb weiß ich, wie schwer es sein kann. Ich möchte dir gerne helfen, damit du es nicht so schwer hast, wie ich." erzählt mir Vanessa. „Ich weiß nicht so recht." gebe ich meine Bedenken preis. „Lass es uns so machen: du kommst mit mir mit und egal wann, jederzeit wenn du willst, kannst du gehen. Ich werde dich nicht aufhalten." sagt sie.

Ich überlege kurz. Eigentlich wäre dieses Angebot wirklich nicht schlecht. Ich meine, ich weiß selbst nicht, wo ich hin soll und ständig auf der Straße leben und mir mein ganzes Essen klauen zu müssen, will ich auch nicht. „Okay." sage ich schließlich. „Aber ich muss dich ein bisschen vorwarnen. Ich lebe in einer kleinen Wohnung, die jetzt nicht gerade die Schönste ist." Vanessa ist mir wirklich sehr sympathisch. „Es ist alles besser, als noch eine Nacht in irgendeinem Gebüsch verbringen zu müssen." lächle ich leicht.

Ich folge also Vanessa zu ihrer kleinen Wohnung. Das Stadtviertel, wo ihre Wohnung liegt, ist nicht gerade dafür bekannt das Sicherste und Schönste zu sein. „Willkommen in meinem kleinen Zuhause." spricht Vanessa, als sie die Tür aufschließt und wir beide eintreten. 

Twisted Life 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt