03: "Karma ist eine Schlampe"

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In jeder Stadt gibt es einen Ort den die Leute fürchten. In Heavensridge ist dies aber kein schauriger Friedhof, oder ein altes verlassenes Fabrikgebäude, denn hier ragt das Monument des Schreckens auf dem höhsten Hügel der Stadt. Der Augustine Manor - eine alte Villa aus der Kolonialzeit - warf durch die jüngsten Enthüllungen einen schrecklichen Schatten über die ganze Stadt und ließ viele Bürgerinnen und Bürger darüber grübeln inwiefern die Familie Augustine in Verbindung mit der Ermordung von Ricky Hill stand. Jeder Mensch in der Stadt war ein möglicher Täter, egal ob Beweise oder nicht. Es herrschte eine grausame Stimmung...

Die metallischen Tore zu dem uralten Herrenhaus der Augustines geht quietschend offen, als ein kühler Wind über diesen äußerst tristen Ort der Stadt fegt. Derweil sitzt Thorn Augustine - der wohl einflussreichste Teenager von ganz Heavensridge - am Kopfe seines langen Eichentisches und starrt auf die lodernden Kerzen, welche den Speisesaal des edlen Hauses erhellen. Sein Onkel Cliff ist den ganzen Tag im Rathaus und ist seit der Ermordung von Ricky mehr als überarbeitet, daher hat Thorn die Villa so gut wie immer für sich. Bis auf die paar Stunden, in denen die Hausmädchen durch die Korridore der Villa irren und die weitläufigen Flügel des Anwesens putzen und in Stand halten. Das bunte Glas des Eingangsbereiches schimmert hell in den Speisesaal und reflektiert etwas auf dem glänzenden Tisch. Eine aufgeklappte Akte mit dem Passfoto von Ricky Hill. Thorn zieht den Kragen seines dunkelroten Hemdes hoch und seine zwei Halsketten klimpern über den Tisch, als er einen weiteren Bissen des warmen Bratens verschlingt. Adrett putzt er sich nach einem Schluck frisch gefiltertem Quellwasser seinen Mund mit einer Serviette ab und blättert durch die Akte. Ein Lächeln macht sich auf seinem Gesicht breit.
"Du hast grandiose Arbeit geleistet. Es ist eine Schande wie verlogen diese Stadt ist. Aber Onkel Cliff hatte immer recht, die Wahrheit ist eine Waffe, man muss nur wissen wie man sie richtig einsetzt.", beglückwünscht der junge Augustine seinen besten Freund für die gelungene Recherche über den Fall Hill. Damian tritt hinein und zieht sich seine teuren Lederhandschuhe aus.
"Der Schulflur ist ein Zirkus. Alle tanzen den traurigsten Walzer, aber haben ihr wahres Gesicht unter einer weißen kleinen Maske versteckt. Gesichter bestehend aus Lügen und falscher Trauer.", stimmt er Thorn zu.
"Das Phantom der Oper? Du hast heute morgen aber besonders gute Laune.", schmunzelt Thorn und rammt sein Messer in das letzte Stück Braten, so dass es hoch stecken bleibt.
"Ich habe immer gute Laune wenn ich aus erster Hand beobachten kann, wie Menschen ihre niedergeschlagene Ader aufsetzen.", lächelt der Price und setzt sich an's andere Ende des Tisches.

Thorn und Damian waren schon seit jungen Jahren ein Herz und eine Seele. Thorn hat den schlechten Ruf der Familie Price - und die negativen Stimmungen die die Stadt mit dem Namen 'Price' verband - ignoriert und den langhaarigen Sprössling, aus einer Biker-Familie, unter seine Fittiche genommen und ihn wahrlich zu einem Augustine aufsteigen lassen. Und jetzt, nach all den Jahren, in den dunkelsten Stunden der Stadt, hatten die beiden geheimen Köpfe der Stadt genau das was sie immer wollten: Gerechtigkeit.

"Ricky Hill hat sich mit Mächten angelegt, die außerhalb seines Bereiches lagen. Er und Cleve waren eine Bedrohung und jemand da draußen war schlau genug die beiden voneinander zu trennen. Auf die wohl effektivste Art und Weise die es gibt.", murmelt Thorn und streift über das Bild des ermordeten Hills, welches er ohne ein Gefühl von Trauer betrachtet.
"Sie werden denken, dass wir dahinter stecken. Die Blutfehde sitzt zu tief im Herzen der Stadt, die Hills werden zu einem Problem wachsen. Und da gibt es noch jemanden...", entgegnet Damian und wühlt in seiner Tasche herum. Er holt eine weitere Akte heraus und lässt sie elegant über den langen Tisch rutschen, so dass sie perfekt bei Thorn ankommt und er einen gezielten Blick auf den Namen werfen kann, welcher die Akte schmückt,
"Novaliana Chambler, die kleine Miss Perfect? Wieso sollte sie zu einem Problem werden?"
Damian atmet tief ein, während er sich weiter in den Stuhl sinken lässt,
"Cleve hat Holly die Wahrheit über Rickys Tod erzählt. Früher oder später werden die Chamblers ihre Nase in den Fall stecken, so waren sie schon immer."
"Cliff sagte, wie erfreut Joyce über Rickys Tod war, als seine Leiche geborgen wurde. Wir könnten die Ermittlungen in ihre Richtung lenken.", schlägt Thorn vor und wird etwas nervöser.

Eine Nervosität, dessen Ursprung Damian nicht zuordnen konnte.

"Nein, noch viel besser, Thorn. Wir holen uns Hilfe von ein paar alten Freunden. Freunde die deinem kleinen Hill-Problem den letzten Rest geben werden.", lächelt der beste Freund des Augustines und ein helles Schimmern erwacht in den Augen von Thorn.
"Damian Price...", lächelt er und steht auf.
"Du bist wahrlich ein Genie."

--- Heavensridge High ---

Zwischen den wenigen Menschen die sich an diesem späten Nachmittag noch in der Schule tummeln, schlendert Victoria Dread in ihrem langen schwarzen Mantel durch die Korridore der monumentalen Gedenkstätte des jüngst verstorbenen Schülers. Sie geht vorbei an den großen Vitrinen voller Pokale, der Football-Teams, aber betrachtet auch die unzähligen eingerahmten Auszeichnungen die der Staat Oregon dieser Schule vor Jahren machte. Auszeichnungen zur Stärkung des 'Amerikanischen Bildungs-Klimas' und der hochgesteckten Toleranz, aus den Zeiten vor dem schrecklichen Verbrechen.

"Ist es immer noch so schön wie du es in Erinnerung hattest?", fragt eine ihr altbekannte Stimme zwischen den Spinden, woraufhin Victoria in ihren schweren Stiefeln stehen bleibt und sich die pechschwarzen Haare hinter die Ohren streift.
"Eher immer noch so heuchlerisch wie in meinen Erinnerungen.", antwortet sie und dreht sich um.
"Hallo, Cleve.", lächelt sie und schaut in die Augen des Hills.
"Was suchst du hier? Wir haben genug Probleme in der Stadt, auch ohne deine kranken Machtspiele, Victoria.", fragt Cleve sie direkt und zieht sich seine braune Lederjacke zurecht. Er merkt wie sehr die Dread es genießt, den Hill so verwundbar zu sehen. Ohne Ricky - die Person die ihr alles genommen hat.
"Ich brauchte nur eine kleine Abwechslung von L.A., Süßer. Es scheint so als wäre das Großstadtleben nicht das Wahre.", zwinkert sie mit ihrem dunklen Eyeliner und ihre rot geschminkten Lippen verziehen sich zu einem schadenfrohen Grinsen.
"Und das merkst du jetzt? Nach allem was passiert ist... nachdem Ricky...", stockt er und hält seine Wut in Zaum, die tief in ihm brodelt, wenn er ihr in die bösartigen Augen schaut.

"Mein Beileid, Cleve.", flüstert sie und kommt ihm etwas näher. Sie verhakt ihre bleichen Finger in seinem Shirt und zieht sich nah an den Hill heran.
"Vom ganzen Herzen. Ich kann mir nicht vorstellen wie es ist, jemanden zu verlieren den man so sehr liebt.", ergänzt sie und das Lächeln wird breiter. Cleve wendet seine Augen von der Dread ab, welche praktisch an ihm klebt und schaut an ihr vorbei.
"Ach, was... natürlich weiß ich wie sich das anfühlt. Denn dein toter Bruder hat mir genau dasselbe angetan. Das Schicksal ist eine Schlampe, hm?", zischt sie wie eine Schlange und nähert sich mit ihren Lippen dem Gesicht von Cleve.
"Und jetzt... jetzt kann ich alles bekommen was ich jemals wollte.", kichert sie schon fast. Sie küsst Cleve auf die Wange und lässt sein Shirt los.

Mit einem provokativen Abwinken, lässt sie den Hill am Spind von Ricky alleine und verschwindet voller Zufriedenheit in einen der vielen Korridore der Schule...

DEADLY LOVE - Für immer und ewig...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt