17: "Süßes oder Saures"

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--- Zehn Jahre zuvor... ---

"Ich muss Sie sprechen. Es ist...sehr dringend.", flüsterte der Chefarzt des Oregon State Hospitals und bat Joyce Chambler an jenem Nachmittag in einen separaten Raum, fernab der Routineuntersuchung ihrer kleinen Tochter.
"Mama?", fragte die kleine Nova und schaute verwundert hinauf.
"Ich bin gleich wieder da, Süße. Mama muss mit dem Doktor sprechen.", lächelte die Mutter sanft und streichelte ihr über die Wange.
"Wieso? Geht es mir nicht gut?", wimmerte die hohe Stimme des Mädchens, aber die Chambler ging beruhigend in die Hocke.
"Mach' dir keine Sorgen, Schätzchen. Ich lasse nicht zu das dir etwas passiert.", flüsterte sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

In dem Sprechzimmer schob der Chefarzt die Ergebnisse des CT's der Chambler entgegen.
"Miss Chambler, diese Bilder sind ein Ding der Unmöglichkeit. So etwas haben wir noch nie zuvor gesehen."
Joyce musterte das Röntgenbild des Kopfes von Nova genau und begann ängstlich zu seufzen.
"Ist das Krebs? Es sieht aus wie ein Tumor.", flüsterte sie, aber der Arzt schüttelte direkt seinen Kopf.
"Das ist es ja, Miss. Es sieht eher aus wie eine Anomalie, so etwas wie ein Fremdkörper. Es ist weder Krebs noch ein sich aufbauendes Geschwür. Es drückt auf den Teil des Hirns, der für unseren Charakter zuständig ist."
Joyce hob ihren Kopf und wischte sich die Tränen weg,
"Pardon?"
Der Arzt setzte neu an,
"Der Charakter, unsere Persönlichkeit. Wir können es mit Medikamenten versuchen, aber eine logische Erklärung können wir Ihnen nicht geben, es tut uns leid."
Joyce stand auf und musterte das Bild erneut,
"Wollen Sie mich verarschen? Das hier ist das verdammte State Hospital und Sie sagen mir, Sie wissen nicht was es ist?!"
"Sie müssen sich beruhigen."
"Nein. Sagen Sie mir was da mit meiner Tochter passiert. Wozu kann dieser Fremdkörper führen?"
Der Arzt stand ebenfalls auf und faltete seine Hände zusammen.
"Es könnte sich auf den Geisteszustand ihrer Tochter auswirken, im Laufe ihrer kindlichen Entwicklung. Sie könnte Verhalten aufweisen, welches...", der Arzt räusperte sich.
"Ja?!", bohrte Joyce nach.
"Welches gefährlich sein könnte. Genaueres können wir Ihnen nicht sagen, wir haben keine Ahnung was es sein könnte. Wir erstatten Ihnen die Rechnung selbstverständlich auf Kosten des Hauses."
Nun verlief alles für Joyce wie in einem Tunnel. Der Arzt redete, aber sie blendete es aus. Alles was sie im Kopf hatte war ihre Tochter und welche schrecklichen Dinge ihr in Zukunft dadurch zustoßen könnten. Oder die Dinge, welche sie anderen antun könnte...

--- Oktober 2019, kurz vor Halloween ---

Kühler Wind fegt durch die Straßen von Heavensridge und wirbelt die orangenen Herbstblätter durch die Lüfte der Stadt. Die kahlen Bäume zieren die Bürgersteige, während Raben krächzend über die Häuser hinüber gleiten. Lauter Kürbisse und weitere stereotypische Dekorationen verschönern die Vorgärten der Kleinstadt, welche mehr oder weniger ihren alten Glanz zurückgewonnen hat.

Dennoch war der gewöhnliche Alltag viel mehr ein Wunschdenken, oder eine Illusion der Bürgerinnen und Bürger.

Auf dem Hügel über der Stadt, hinter dem großen Wasserturm, ragt der Manor, welcher ohne die tägliche und kostspielige Pflege der Dienstmädchen und Gärtner langsam zu verkommen beginnt und sich zu einem Monument des Horrors entwickelt. Niemand in der Stadt redet mehr über die Personen - vorallem die Ereignisse - die sich auf dem Grundstück vor ein paar Monaten abspielten. Sogar das Naturschutzgebiet wurde umbenannt, um jegliche Verbindung zu dem schier 'verbotenen Namen' in der Stadt zu lösen.

Im Ridge Diner hingegen herrschte eine glückliche, fast schon nicht gespielte gewöhnliche Stimmung, denn Holly Hopper bereitete die 'Heavensridge High Halloween Party' mit großer Mühe vor.

DEADLY LOVE - Für immer und ewig...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt