30: "Bevor es Zwölf schlägt"

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Die Tür zum Büro des Mayors knallte am nächsten Tag, nach der Enthüllung auf der Polizeiwache, auf - Stunden bevor die Stadt einen tragischen Umbruch erlebte. Rückblickend kann ich sagen, dass die Nacht in der Jagdhütte der Augustines beängstigend war, aber nicht ansatzweise an den Schrecken dieser letzten Tage herankam. Ich habe in meinem Leben viele Dinge gesehen, aber eine Stadt die man liebt am Boden zu sehen, ist der selbe Schmerz wie eine Person zu verlieren, die einem nahe steht. Der Schmerz der Natasha zur roten Dahlie machte und Heavensridge auf den Pfad der Finsternis schickte. In diesen letzten Stunden entschied sich Victoria allerdings, sich dem Mann zu stellen, der für das Unglück des kleinen Fischerdorfes verantwortlich war: Ihren Vater selbst.

"Was fällt dir eigentlich ein?!", flucht sie und sieht wie ihr Vater den Hörer von seinem Ohr entfernt.
"Victoria, ich führe ein wichtiges Gespräch. Wenn du etwas von mir möchtest, ruf mich zeitig an, oder warte im Flur wie alle anderen a-"
Vici zieht den Stecker des Telefons, woraufhin die Verbindung abbricht und der Dread verstummt.
"Nein.", sagt sie strikt und schließt die Tür hinter sich. Das Licht der Sonne fällt in das schwarz-weiße Büro des sprichwörtlichen Teufels, als die Dread sich über seinen Tisch beugt.
"Zuerst lässt du Joyce verhaften und dann behinderst du einen Haufen Jugendlicher die wegen dir höllische Angst um ihren Abschluss haben! Du willst sie dazu zwingen in dein verdammtes East-Heavensridge zu ziehen, aber das wird nicht klappen.", grummelt sie wie der Schlund der Hölle, woraufhin Derrick aufsteht.
"Mija, hör mir zu!", verlangt er, als sie sich nicht zu beruhigen scheint, doch Victoria ist unbekehrlich.

"Du hast meiner Freundin ihre Mutter genommen! Jeden Tag will sie zu ihr und sie umarmen, ABER SIE KANN NICHT! Damian und Holly haben gesehen was du in der High angestellt hast. Du bist ein verfluchtes Monster...", sinkt ihre Stimme ab, woraufhin Derrick seine Tochter ernst anblickt.
"Es ist notwendig die High zu beseitigen. Mein Leben lang hab ich auf diesen Moment gewartet und ich lasse ihn mir nicht von pubertierenden Kindern kaputt machen."
Vici lächelt etwas,
"Also hatten sie Recht?"
Der Mayor runzelt seine Stirn.
"Du willst die High nicht für ein Gefängnis platt machen. Es ist etwas anderes.", wimmert sie.
"Reine Spekulation.", flüstert er und scheint viel angespannter als sonst.

Victoria kommt ihm näher und hebt ihre Augenbrauen etwas an,
"Ich hasse es wenn wir uns streiten, aber du hast mir ein Versprechen gegeben. Du sagtest du tust meinen Freunden nicht weh und was du gerade in Heavensridge anstellst, ist das genaue Gegenteil davon.", bezieht sie sich auf die Ankunft des Dreads in der Stadt.
"Sei' einmal in deinem Leben komplett ehrlich und sag' mir wofür du die High brauchst."
Derrick stellt sich an das Fenster seines Büros und zieht den Vorhang etwas auf. Er schaut auf die Stadt hinunter, welche gänzlich in seiner Hand liegt. So gut wie nichts kann den Bürgermeister jetzt noch stoppen.
"Unter der High befinden sich Teile der Katakomben von Heavensridge. Abschnitte die noch nicht freigelegt sind.", antwortet er ihr und der gehobene Unterton, welchen er für gewöhnlich aufgesetzt hat, verschwindet komplett aus der Stimme des Mayors.
"Seit wann interessierst du dich für den Untergrund Oregons?"
"Tu ich nicht. Es ist etwas anderes. Es gibt etwas in den Katakomben, was ich schon lange suche. Etwas sehr wertvolles.", sagt er und das Beben in seiner Stimme ist unbeschreiblich. Niemals, egal um welche unmenschliche Summe es in Derricks Karriere ging, hat er so geklungen wie jetzt gerade.
"Und das wäre?"

Der Dread dreht sich um und schaut seine Tochter fast schon besorgt an. Egal was er getan hat und was er noch vor hat, die Liebe auf seinem Gesicht ist echt. Und die Warnung ist es ebenfalls.
"Stell' keine Fragen die dein Weltbild für immer verändern könnten. Vici, ich gebe dir jetzt einen Rat, von Vater zu Tochter...", sagt er und nähert sich ihr. Er legt seine kräftigen Hände auf die Schultern seiner Tochter und streift ihr etwas über ihre Haare. Für einen Moment fühlt es sich so an, als wäre Vici wieder seine kleine Tochter, welche er im Krankenhaus in den Armen hielt.
"Wenn die High fällt und die Katakomben sich öffnen...lauf.", murmelt er. Die Pupillen der Dread ziehen sich zusammen.
"Was?"
"Nimm deine kleine Chambler und hau ab aus diesem gottverlassenen Dorf. Wenn es wirklich stimmt, was ich mir habe sagen lassen, dann wird hier bald die Hölle losbrechen."

Vici schaut ihn verwirrt an und sieht einen Hauch der Angst in den Augen ihres Vaters. Doch sie gibt nicht nach - nicht einmal im Traum.
"Nein. Ich verlasse nicht die Leute die mir eine zweite Chance gegeben haben. Ich lasse nicht zu, dass du gewinnst. Nicht nach Los Angeles...und ganz sicher nicht nach Mom.", flüstert sie und ein Schimmern funkelt in den Augen des Mayors.
"Deine Mutter hat sich für Los Angeles entschieden. Das war und wird nie meine Schuld gewesen sein.", grummelt er, woraufhin die Dread gleichgültig nickt.
"Klar, was auch immer du sagst.", zischt sie und verlässt das Büro, in welchem sie ihren Vater mit einer Kriegserklärung zurücklässt.

--- Mifflin Street ---

Nova wandert über die Straßen der Stadt, auf direktem Weg zur Grimwood Mansion. Nach Damian und Hollys Entdeckung in der High, planen die Freunde, zusammen mit Cleve, einen Gegenschlag, der Derricks Vorhaben von der Zerstörung der High beenden könnte. Doch das Schicksal plant einmal mehr etwas anderes für die junge Novaliana.
"Denkst du wirklich du kannst ihn aufhalten? Er ist Victorias Vater. Du weißt wie es ausgeht, wenn man sich mit dieser Familie anlegt.", lächelt Scarlett, welche ebenfalls neben der Chambler entlang spaziert und sich über die aufkommende Gefahr lustig macht. Eine gewöhnliche Routine des Terrors, tief im Verstand von Nova.
"Mir ist egal wer er ist, oder wo er herkommt. Er schadet dieser Stadt und das lasse ich nicht geschehen. Nach allem was in diesem Jahr passiert ist, schulde ich es dieser Stadt. Und ich schulde es Ricky.", antwortet sie leise, so dass niemand es hören kann. Die toten Herbstblätter fegen ihr entgegen.

"Ricky? Du bist immer noch nicht über ihn hinweg? Ich meine, diese warme klebrige Perfektion von Blut vergisst man nicht so schnell, aber es wird langsam Mal Zeit, oder?", lächelt die dunkle Hälfte der Chambler hämisch.
"Fick dich.", flucht Nova.
"Ach, komm schon, ich verarsch' dich doch nur. Ich habe Ricky auch noch nicht vergessen. Er war heiß."
Nova bleibt stehen und schaut Scarlett an und kann nichts weiter tun als sie zu belächeln.
"Weißt du was? Ich hatte einmal wirklich Angst vor dir. Ich wusste nicht wer du bist und was du mir alles antun kannst, aber jetzt...jetzt wo du mit mir reden kannst und ich dein grässliches Gesicht jeden Tag sehen muss...Gott.", flüstert sie,
"Jetzt frage ich mich, wie ich dich je' fürchten konnte."
Scarlett schaut sie überrascht an, aber bevor sie etwas sagen kann ist sie verschwunden, denn das Hupen eines knorrigen Oldtimers unterbricht die beiden. Nova schaut auf die Straße und erblickt den Plymouth von Natasha, welche mit runtergelassenem Fenster die Chambler fröhlich anschaut.

"Nova! Hi!", begrüßt die zwielichtige Hill sie. Nova lächelt etwas und lehnt sich nach unten.
"Hi, Miss Hill...ich war gerade auf den Weg zu Ihnen nach Hause.", antwortet Nova ihr freundlich. Es ist ihr mehr als unangenehm der Mutter von Ricky zu begegnen, aber einen Verdacht auf Natashas wahren Absichten hegt sie nicht mit einer Faser ihres Körpers.
"Ich kann dich mitnehmen. Ich habe noch viel zu tun, aber ich fahre an der Mansion vorbei.", bietet die Hill ihr an, doch Nova setzt ein falsches Lächeln auf.
"Nein, alles gut. Ich laufe lieber. Ich bin sowieso gut in der Zeit.", lehnt sie ab, woraufhin Natasha lächelnd nickt.
"Nein, nein, du verstehst nicht. Du sollst einsteigen. Das war kein Vorschlag.", antwortet sie in einem fast schon fröhlichen Tonfall. Nova runzelt ihre Stirn und bemerkt die überstrichenen Lichter der Plymouths. Natasha hebt eine Waffe an und zielt auf Nova.
"Es war ein Befehl.", grinst sie düster. Der Blutdruck der Chambler schießt in die Höhe.
"Also...was sagst du?", lacht die Hill verrückt.

DEADLY LOVE - Für immer und ewig...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt