06: "Monster unter uns"

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Während die Rede gehalten wurde, stolperte Nova Chambler durch die beindruckenden dunklen Korridore der Villa, mit der Hoffnung im Herzen endlich eine Antwort zu finden, doch auf was sie wirklich stieß, hätte sie sich nie in ihren Träumen ausmalen können.

Ihre glitzernden High-Heels stapfen über den hölzernen Boden und die junge Chambler ist sich sicher in dem was sie gerade tut, dennoch lässt diese Sicherheit das Gefühl der Angst, vor dieser Villa des Schreckens, nicht verschwinden. Es ist sogar fast so, als würde diese Sicherheit die Angst verstärken...

"Hallo?", flüstert sie und schaut in einen der Korridore, welcher menschenleer ist. An den Wänden hängen wertvolle Ölgemälde - Portraits von den Vorfahren der Augustines, welche Nova förmlich in die Seele starren. Als sie bemerkt, dass niemand da ist und nach wie vor das rege Getummel von der Rede hinter den vielen Korridoren hört, tritt sie weiter voran. Bis sie an dem aktuellsten Gemälde stehen bleibt. Sie zieht sich ihren gefiederten Schal ab und schaut auf das majestätische Bild von Clifford Augustine, welcher an der Seite von seinem Neffen Thorn steht. Beide tragen einen maßgeschneiderten Anzug, in einem bordeauxroten Ton.
"Verdammte Soziopathen.", flüstert sie und spürt einen Windzug der durch den Gang huscht. Eine Gänsehaut zieht sich von ihren Unterarmen, bis hin zu ihren Rücken.
"Hallo?!", wimmert sie erneut und nähert sich einer der vielen Türen. Mit einem unangenehmen Quietschen, welches dem Schreien einer jungen Frau ähnelt, öffnet sich die Tür zu einem ovalen Raum, in dem ein stämmiger Schreibtisch steht, neben den hohen Bücherregalen und einem flimmernden Kronleuchter.
"Cliffs Büro?", fragt sich Nova selber, bis ihr einfällt, dass der Bürgermeister ohnehin den ganzen Tag im Rathaus ist und es sich nicht um sein Büro handeln kann. Die Freude überkommt sie,
"Thorn Augustines Büro...", lächelt sie und schließt die Tür hinter sich. Sie eilt zu dem Fenster und schaut hinunter auf ganz Heavensridge, beeindruckt von der Aussicht die der Familie von der Villa geboten ist.

Von hier oben scheint es für Nova so, als könnte in dieser kleinen Stadt nie etwas schlimmes passieren, oder jemand wie Ricky Hill keineswegs auf eine so grausame Art und Weise hingerichtet werden. Der Wasserturm schimmert im Licht des Mondes und die Laternen der Stadt erhellen die Straßen, während die Dunkelheit dennoch langsam über der Stadt hineinbricht, obwohl der Morgen schon bald naht.
Ihre Augen wandern erneut zu dem massiven Schreibtisch. Für einen Moment zögert sie, doch dann beginnt sie die Schubladen zu öffnen und in die Höhle des Löwen hinabzusteigen. Die Hoffnung auf Antworten ist so groß, dass Nova alles um sich herum ausblendet, sogar...

"Entschuldigung?", fragt die Stimme von Damian Price, welcher nun im Türrahmen steht. Novas Pupillen ziehen sich zusammen,
"Oh, hi!", lächelt sie mit ihrer Hand an der Schublade,
"Ich war auf der Suche nach der..."
"Toilette?", unterbricht Damian sie und lächelt breit. Seine schwarzen Haare fallen ihm etwas in's Gesicht.
"Netter Versuch, aber nein. Ich weiß wer du bist."

Nova schaut der rechten Hand von Thorn in die Augen und erkennt das Gesicht des Price' nun doch.
"Du... du bist der Typ aus der Schule. Ich kenne dich.", stellt sie fest und die Maskerade fällt endgültig.
"Und du bist Novaliana Chambler. Musterschülerin, extrem beliebt... und natürlich die Freundin von Ricky Hill.", lächelt Damian und schließt die Tür hinter sich. Jetzt sind nur er und Nova in dem Raum, während niemand auf der Feier ahnt welcher Sturm sich gerade über Heavensridge zusammenbraut. Nova runzelt ihre Stirn und zeigt auf Damian.
"Ich weiß, dass du und diese Psychos hier etwas mit dem Tod von Ricky zu tun gehabt haben. Du kannst noch so viel grinsen und lächeln, aber ich weiß wo euer Herz wirklich schlägt. Oder zumindest das was bei einem Menschen das Herz sein sollte...", wirft sie dem Price vor, da sie sich extrem in die Ecke gedrängt fühlt und noch nie zuvor in ihrem Leben in einer derart beklemmenden Situation war.
"Viele Vorwürfe für ein Mädchen im Trauerprozess. Aber ich verstehe es. Das Abstreiten kommt immer zuerst und dann langsam brodeln die Vorwürfe in einem auf."
Nova reagiert nicht auf Damian und schluckt kräftig einen enormen Kloß den Hals hinunter, um sich ein wenig zu fangen.
"Ich schlage vor du verschwindest jetzt aus dem Büro und wir verzichten auf das Einschalten der Polizei. Fair genug, oder?", zwinkert Damian und breitet seine Hände sarkastisch aus.
"Leck mich, du warst nicht einmal auf den Bildern im Flur. Du bist kein Augustine.", zischt sie frech und versucht herauszufinden um wen es sich bei Damian handelt. Der Price nickt und lehnt sich an eines der riesigen Regale,
"Du hast Recht, ich bin kein Augustine. Du hast eine gute Beobachtungsgabe, Novaliana. Gut genug um zu wissen wo man am ehesten sucht, wenn man herausfindet, dass sein Partner ermordet wurde. Hinter feindlichen Linien.", gibt er zu.

"Trotzdem muss ich dich enttäuschen, auch wenn die Blutsfehde tief sitzt, haben wir nichts mit dem Tod von deinem aufgeschlitzten Liebhaber zu tun."
Novas Wut steigt noch mehr in ihrer Kehle auf, doch wenn die junge Chambler eines in den Jahren mit ihrer Mutter gelernt hat, dann ist es Selbstbeherrschung.
"Ist das nicht genau der Satz, den ein Killer sagen würde?", fragt sie nun viel ruhiger. Damian ist amüsiert von der frechen Art und Weise der Chambler.
"Vielleicht. Aber wenn wir wirklich etwas mit dem Mord zu tun gehabt hätten, hätte kein Hinweis dieser Welt dich nur ansatzweise in das Sichtfeld des Manors geschickt. Wir sind vieles, aber keine Vollidioten."

Nova richtet sich ihr Kleid und die Spannung löst sich aus der Stimmung zwischen den beiden,
"Du hast auch wirklich für alles eine Antwort, hm?"
Der Price nickt,
"Allerdings solltest du dich eine Sache fragen: Wieso wollte der Killer, dass du zu uns gelockt wirst?"

--- Zur selben Zeit... ---

"Und mein tiefstes Bekunden gilt heute einer Familie. Einer Familie die so unfassbar viel verloren hat, aber immernoch an der Spitze steht, ohne auch nur einen Riss in der standhaften Mauer zu zeigen, die sie sich über all die Jahre aufgebaut haben!", geht Cliffs Rede langsam zu Ende und wendet sich in eine Richtung, die alles andere als angenehm für die Hills ist.

Was für alle Besucher an diesem Abend aufmerksam und freundlich schien, und nur ein unschuldiger Akt des guten Herzens zu sein schien, war in Wahrheit eine indirekte Kriegserklärung der Augustines an den Hill-Clan.

"Penbrooke und Natasha Hill!", ruft er die beiden Namen auf und die Scheinwerfer der provisorischen Bühne richten sich auf die beiden Eltern von Ricky.
"Mein aufrichtiges Beileid an Sie beide. Möge Gott Ihnen beistehen und Sie in dieser schweren Zeit unterstützen. Die Stadt und der Name Augustine steht wie immer hinter Ihnen und wird Ihnen helfen diesen grausamen Mord endlich aufzuklären und diesen Verbrecher ein für alle Mal dingfest zu machen, um dieses Monster, welches unter uns wandelt, für immer zu stoppen."

Eine sofortige Unruhe bricht in der Menge aus und erste Ausrufe wie "Mord?", oder "Es war kein Unfall?", sind aus der Menge zu hören, als Cliff mit einem schmalen Lächeln auf dem Gesicht realisiert was er nun in voller Absicht auf diese Stadt losgelassen hat. Penbrookes Augen bohren sich in die Seele von Cliff, während Thorn oben auf der Treppe steht und mit vollem Genuß beobachtet wie die Stadt, welche er einst kannte, in einem völligen Chaos verendet und die Angst ein für alle Mal die Oberhand gewinnt.
"Penbrooke...", keucht Joyce an der Seite von Natasha, da sie selber nicht fassen kann, dass Cliff einen so schwerwiegenden Fehler begangen hat.
"Penbrooke!", wiederholt Joyce, als der Familienvater nicht aus seiner Starre der Wut entkommt. Doch dann bewegen sich die Lippen des Mannes,

"Ich werde die Augustines vernichten, egal was es kostet."

DEADLY LOVE - Für immer und ewig...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt