Da meine Mutter vor lauter Tränen kaum zum Atmen kam, brachte ich sie erst einmal ins Wohnzimmer und platzierte sie dort auf meinem Sofa. Während ich ihr einen Tee machte, konnte sie sich schon ein wenig beruhigen. Eingekuschelt in eine meiner Decken saß sie schließlich, als ich wieder zu ihr kam, auf der Couch und starrte vor sich hin.
"Hier", flüsterte ich und gab ihr die Tasse. "Trink ein wenig, das hilft."
"Danke", murmelte sie, nahm direkt einen großen Schluck und lehnte sich dann gegen meine Schulter. "Tut mir leid, dass du mich so sehen musst, nur wusste ich auch nicht wo ich sonst hin sollte. Ich wollte raus aus Nashville, weg von ihm und weg von-"
Weiter konnte sie nicht sprechen; entweder waren ihr die Worte ausgegangen oder es tat zu sehr weh, den Satz zu beenden. Ich hatte bereits eine Vermutung, und auch wenn es schmerzte daran zu denken, wusste ich irgendwie, dass ich damit richtig lag.
"Seiner Neuen?", vervollständigte ich ihre Worte leise und hoffte, trotz allem falsch zu liegen.
"Ich habe die beiden erwischt", murmelte sie mit zittriger Stimme. "In unserem Bett, während er dachte, ich wäre arbeiten."
Ohne ein weiteres Wort legte ich einen Arm um sie und drückte sie so fest ich konnte. Ich wusste genau wie sie sich fühlte, und auch wenn ich Rick nie gemocht hatte und es absehbar gewesen war, dass er sie verletzte, war ich doch immer der Hoffnung gewesen, mich ihn ihm zu täuschen. Um meiner Mutter Willen, versteht sich.
"Das hast du nicht verdient, Mum", flüsterte ich ernst und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Zunächst schnaubte sie nur ein wenig auf meine Aussage hin, dann liefen ihr wieder die Tränen über die Wangen, bis sie schließlich einschlief. Seit der Trennung von meinem Vater hatte meine Mutter so viele Beziehungen gehabt, und jede hatte sie auf eine andere Weise enttäuscht. Sie hatte all das nicht verdient; sie war in meinen Augen einer der besten Menschen dieser Welt und sollte eigentlich mit Glück nur so überschüttet werden. Doch das war wohl ein weiteres Phänomen unserer Menschheit; je besser eine Person und ihr Charakter waren, desto schlimmer die Erfahrungen, die sie machte.
Als sich der Tag langsam dem Ende neigte und sie noch immer nicht aufgewacht war, beschloss ich, Abendessen zu machen. Es gab das Selbe wie immer, wenn sie wegen Herzschmerz zu mir kam: Pancakes mit Schokoladensoße. Zugegebenermaßen, beim Ersten Mal hatte ich noch nicht viele Rezepte einfach so im Kopf gehabt und ihr deswegen welche gemacht, mittlerweile hatte sich dieses Gericht aber bei uns eingebürgert. Auch, wenn ich wusste, dass sie bereits am nächsten Tag wieder auf den Beinen sein und neuen Lebensmut geschöpft haben würde, wollte ich ihr meine ganze Aufmerksamkeit schenken. Meine Mutter mochte eine starke Frau und ein wundervolles Vorbild sein, doch wenn ihre Fassade bröckelte, brauchte sie jemanden, der sie wieder zusammensetzte, und da bisher jeder einzelne Mann, den sie in ihr Leben ließ, scheiterte, tat ich es, und meine Geheimwaffe waren eben Pancakes.
Mit den, diesmal wirklich gut gelungenen, fertigen Pfannkuchen ging ich schließlich wieder zu ihr und weckte sie. Sie freute sich über den süßen Trost und bedankte sich mit einem schwachen Lächeln. Ehe ich mich neben sie kuschelte, legte ich noch ihren Lieblingsfilm, "Die nackte Kanone" mit Leslie Nielsen ein und als dieser dann lief, saßen wir zusammen in meinem unfertigen Wohnzimmer und aßen unser Heart-Break-Food. Ich hatte nie verstanden, was sie an diesem Film so unglaublich spannend fand, vor allem, da sie ihn schon mindestens tausend Mal gesehen hatte. Es war jedoch immer wieder aufs Neue schön zu sehen, wie sie bei den gleichen Stellen zu schmunzeln oder gar lachen begann, egal welcher Mann ihr in den einzelnen Fällen weh getan hatte, und wie sie jedes Mal, wenn Reggie Jackson von einer schwarzen Frau erschlagen wurde, einschlief. Noch nie hatte ich den Film ohne sie zu Ende gesehen, und damit fing ich an diesem Tag auch nicht an. Also schaltete ich meinen Fernseher aus und schlich mich so leise wie möglich in mein Schlafzimmer, um selbst zu Bett zu gehen.
Am nächsten Morgen musste ich bereits sehr früh aufstehen und mich für die Arbeit fertig machen, da meine Tänzer und ich mit der Gestaltung der Tourchoreographien beginnen mussten.
Als ich in Jogginghose und schwarzem Top durch die Wohnung tappste und meine Sachen packte, schlief meine Mutter noch tief und fest, also hinterließ ich ihre eine kurze Nachricht und teilte ihr mit, dass ich so bald wie möglich wieder nach Hause kam. Außerdem schrieb ich noch dazu, dass sie sich bitte ein wenig Ruhe gönnen sollte und ich ihr ein paar Badesachen in die Badewanne gestellt hätte.
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all you had to do was stay
Fanfiction"Es war nie leicht, und auch, wenn es so schwer war, war es das immer wert." Nachdem Harry Taylor betrogen hat, geht für sie eine Welt unter. Sie vergräbt sich in Selbstmitleid und Einsamkeit, bis ihre Freunde sie schließlich dazu bringen, zurück in...