Kapitel 4

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Erst eine Nacht später ging es mir etwas besser; die Kopfschmerzen und alles andere was seit der Party weh getan hatte, war besser geworden, und was die ganzen Fragen und Spekulationen anging - die verbannte ich aus meinem Kopf. Auch wenn mich brennend interessierte, was passiert war - ich würde es sowieo niemals erfahren, wieso also kostbare Lebenszeit damit verschwenden?

Nach dem Aufstehen beschloss ich, außerhalb zu frühstücken - immerhin gab es in New York genügend Cafés, die ich besuchen wollte. Eines davon befand sich in unmittelbarer Nähe meines Apartements, nur ein paar Straßen weiter, und so auch zu Fuß erreichbar. Es sah wirklich genauso aus, wie Brit es beschrieben hatte, als sie mir ihre Empfehlung dafür aussprach: Klein, mit nur wenigen Tischen, geziert von einer hellblauen Tapete und einer Kaffeetheke im Stil der 80er-Jahre, und ein echter Insidertipp, da es am Ende einer kleinen Nebenstraße, und somit recht versteckt, lag.
Ich bestellte mir einen Kaffee mit Milch und lies mich dann auf einer der roten Sitzbänke am Fenster nieder. Mit einem Stift bewaffnet packte ich dann mein Tagebuch aus, um die Geschehnisse der vergangenen Tage nieder zu schreiben; mit der Atmosphäre eines Cafés wie diesem und dem dazu gehörigen Duft ging dies immernoch am Schönsten.

Ich bemerkte erst, dass sich jemand zu mir gesetzt hatte, als ein Muffin in mein Sichtfeld geschoben wurde. Erschrocken blickte ich auf und schloss gleichzeitig mein Büchlein; die Unfassbarkeit über den mir gebotenen Anblick versuchte ich gar nicht erst zu verstecken. Seine Haare waren wie immer zur Seite gedrückt und umrahmten seinen Kopf so gewissermaßen, er trug ein weißes Shirt und darüber eine braune Lederjacke, welche seine harten Gesichtszüge zu betonen schien. Was machte er hier, und wieso sah er so gut aus wie eh und je?

"Hey", begrüßte er mich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und zog seine Hand wieder zurück. Alles an ihm erinnerte mich an Vergangenes; an tiefe Gefühle, an Trauer, an Glück und Tränen, an ihn. An seine Nähe, die Enttäuschungen die er immer mit sich gebracht hatte, an sein Lachen. Ehe ich es merkte, hing ich schon wieder meinen Gedanken nach und hatte ihn währenddessen vermutlich wie eine Verrückte angestarrt. Ohne ein Wort griff ich nach meiner Tasche und dem Tagebuch, legte zehn Dollar für die Bedienung auf den Tisch und erhob mich, um möglichst schnell das Lokal verlassen zu können.
"Soll das jetzt so weiter gehen? Dass du mich schlägst wenn du betrunken bist und ansonsten ohne ein Wort gehst?", brach er fragend die Stille und hielt mich so an Ort und Stelle.
"Ja, außer der Tatsache dass ich dich nicht geschlagen habe, vermutlich schon", antwortete ich daraufhin möglichst ruhig und gefasst. Was war alles passiert, als ich betrunken gewesen war?
"Die einzige Tatsache hier ist, dass du wirklich heftiger zuschlägst als ich gedacht hätte, und dass du mir eins meiner Shirts versaut hast", gab er zurück, weswegen ich mich ungläubig zu ihm drehte.
"Das auf deinem Shirt war ich?", hakte ich nach, wobe ich bereits Schuldgefühle in mir aufkommen spürte. Verdammt.
"Ja. Und das auf dem Badezimmerboden und in der Küche auch", erklärte er etwas verwundert. "Weißt du denn gar nichts mehr von dieser Nacht?",

Und so schnell hatte er es geschafft; ich saß ihm wieder gegenüber, glühte vor Scham und hörte mir an, was ich alles angestellt hatte, während ich besoffen gewesen war. Er erzählte mir teils lachend, teils ernst, wie ich mich immer wieder gegen seine Hilfe gesträubt hatte, dann aber total dankbar gewesen war, als er mir hinterher gewischt hatte. Außerdem schien ich viel geweint und ihn angeschrien zu haben, was er doch für ein mieser Mensch wegen all dem sei, was er mir angetan hatte, und dass ich ihn immer vermisst hatte.
Mist. Wieso hatte ich mich auch betrinken müssen? Mir hätte klar sein müssen, dass das nicht gut gehen würde - das wäre es aber auch nicht, hätte ich nur Wasser getrunken. Die Idee an sich, auf eine Party zu gehen, auf der auch er sein würde und es hinzubekommen, war reines Wunschdenken von mir und Ed gewesen.
Glücklicherweise, mehr oder weniger zumindest, nahm Harry mir all das nicht übel und fand es eher witzig. Bald schon wechselten wir das Thema und redeten über Ed und Ellie, welche sich an diesem Abend mehr als nahe gekommen waren, New York und meinen Umzug. Ich wusste nicht, wie, aber irgendwie schaffte er es immer wieder, mich zum Reden zu bringen und eine vertraute Atmosphäre zwischen uns zu schaffen - beinahe hätte ich vergessen, dass zwischen uns eigentlich Funkstille herrschen sollte. Die Zeit verging und ehe ich mich versah, war es schon Mittag und ich eine halbe Stunde zu spät für mein Treffen mit Brit. Erst lies ich zu, dass wir ein Gespräch führten und dann ließ ich auch noch meine Beste Freundin wegen eben diesem so lange warten. Wunderbar.

all you had to do was stayWhere stories live. Discover now