Die frische Morgenluft umhüllte mich genauso wie die Schmerzen es taten. Der Unterschied zwischen diesen beiden Komponenten war allerdings die Tatsache, dass die Luft mich atmen ließen, während die Schmerzen mir das Gefühl gaben, zu ertrinken ohne überhaupt in die Nähe von Wasser zu kommen. Oder im Dunkeln zu sitzen obwohl heller Tag war.
Alles an diesem Morgen tat irgendwie weh oder lähmte mich; ich fühlte mich leer und ausgelaugt. Mein Handy vibrierte unbarmherzig, als ich es wieder einschaltete und nach und nach die Nachrichten eintrudelten, wegen denen ich es eigentlich ausgeschalten hatte. Es waren viel mehr, als ich erwartete hatte, was sogar so weit führte, dass sich das blöde Ding aufhing und erstmal gar nichts mehr ging. Verdammter Mist. Auch, wenn sich meine Einstellung zu ihnen nicht geändert hatte, wollte ich mittlerweile unbedingt herausfinden, wie diese Ella eigentlich aussah, und das konnte ich nur mit meinem Handy."So wie du aussiehst, könntest du eine Dose Bier gebrauchen." Ich sah überrascht von meinem Telefon auf, als Eds Worte mich erreichten und verkündeten, dass er neben mir stand. Er grinste etwas verschmitzt, als ich nach und nach seine Präsenz wahrnahm, und ließ sich lässig neben mir auf der Parkbank nieder, um mir eine Blechdose hinzuhalten.
"Ich darf keinen Alkohol trinken, wenn ich abends noch arbeiten muss. Das ist eine Anordnung von Steve", gab ich zurück und sperrte mein Handy. "Außerdem hatte ich noch nicht einmal ein Frühstück."
"Deshalb habe ich gesagt, dass du eine gebrauchen könntest", erklärte er und drückte mir das eiskalte Getränk in die Hand. "Das ist ein Energy-Drink."
"Oh, dann danke", antwortete ich leise und drehte die Dose zwischen meinen Fingern, sodass mir das Logo einer bekannten Softdrinkmarke auffiel. Ed war wirklich einer der besten Menschen, die diese Welt zu bieten hatte.
"Harry hat mich heute Nacht drei Mal angerufen", begann er nach einigen Momenten der Stille und öffnete, von einem Zischen begleitet, seinen Drink, um daraus einen Schluck zu nehmen und den leeren Parkplatz vor uns zu betrachten. "Wenn man seine Worte in unsere Sprache übersetzt, hat er gesagt, dass er sich Sorgen macht und dass ich dir ausrichten soll, dass das alles ein großes Missverständnis ist."
"Wenn man seine Worte übersetzt?", hakte ich ein wenig verwirrt nach und sah zu ihm auf.
"Naja, wenn man die ganzen Beleidigungen und Schimpfwörter durch weniger unanständige Wörter ersetzt", erklärte er schulterzuckend. Seine ruhige und ehrliche Art schaffte es immer wieder, mir zumindest ein schmales Lächeln zu entlocken - selbst in Situationen, wie dieser. Langsam wurde mir bewusst, dass mir keine andere Möglichkeit mehr blieb, als mich ihm anzuvertrauen. Er wusste mittlerweile, dass etwas nicht stimmte, und ich tat ihm vermutlich mit einer Lüge mehr weh, als mit der Wahrheit. Langfristig betrachtet. "Ich mache mir Sorgen, Tay. Das eine ist, wenn Harry wie ein Bekloppter mit Kraftausdrücken um sich wirft, das andere, wenn du dazu wie ein Häufchen Elend vor dich hinexistierst. Was ist da los bei euch?"
"Eleanor hat mir, als sie hier war, etwas erzählt, was mich nachdenklich gemacht hat", seufzte ich. "Also habe ich Harry darauf angesprochen. Als wir schon ziemlich am Ende der Diskussion waren, und er mir versprochen hat, dass er mir nichts verheimlicht und dass es nichts gibt, von dem ich wissen sollte, hat uns eine Frau unterbrochen. Ich meine, naja, wir sind an ganz verschiedenen Enden der Welt und, also, er-"
"Er hat schon einmal so einen dummen Fehler gemacht", vervollständigte Ed mein Gestottere, wobei ich vorsichtig, aber zustimmend, nickte. Gott, ich fühlte mich grausam, wenn ich so über Harry sprach.
"Er meinte, die beiden seien alte Freunde", sprach ich nach einigen Augenblicken weiter. "Dass ich die Einzige für ihn bin und sowas. Das Ding an der Sache ist, dass er diese Frau vorher noch nie mir gegenüber erwähnt hat."
"Und du hast Angst, dass sie mehr für ihn ist", schlussfolgerte er ruhig. "Dass er dir wieder weh tut."
"Ist das so offensichtlich?", fragte ich niedergeschlagen und fuhr mir durchs Haar, was kläglich scheiterte, weil ich meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.
"Nur, wenn man eure Geschichte kennt und nicht unter einem Stein lebt", antwortete er und nahm mir meinen Energydrink ab, um ihn zu öffnen und mir in die Hand zu drücken. "Ich kann dich verstehen, aber ich glaube nicht, dass er den gleichen Fehler zweimal macht. Weißt du denn, wer die Frau war, die bei ihm war?"
"Das ist das nächste Problem", murmelte ich und wandte mich vorsichtig zu ihm um. "Die Frau ist Ella."
"Was?", hakte er überrascht nach und betrachtete meine Gesichtszüge. Entgegen meiner Erwartungen formten seine sich währenddessen jedoch zu einem Grinsen, was ich überhaupt nicht verstehen konnte. "Glaubst du nicht, dass du da was falsch verstanden hast?"
"Für mich ist die Situation ziemlich eindeutig", gab ich schulterzuckend zurück. "Ich meine-"
"Die beiden sind wirklich schon lange befreundet. Harry hat Ella auch über die letzten Wochen oft besucht", unterbrach er mich und nahm einen Schluck seines Energydrinks.
"Wie bitte?", hakte ich nach und drehte mich so hastig zu ihm, dass ich einen guten Schluck des Zuckerwassers über meine Hose kippte. Während er mich überrascht betrachtete, wartete ich gespannt auf eine Antwort von ihm.
"Ich war meistens dabei", erklärte er. "Er hilft ihr mit den Melodien ihrer Songs und dabei, sich in der neuen Umgebung einzugewöhnen."
"Die letzten Wochen sagst du?", brachte ich etwas vor den Kopf gestoßen vor und begann, mit meiner Hand über den Fleck auf meiner Hose zu wischen. "Heißt das, dass er euch besucht hat, während ich bei ihm war?"
"Schätze schon", antwortete er verwirrt. "Deswegen war ich überrascht davon, dass du nichts von der Freundschaft der beiden wusstest. Er hat oft mit uns gefrühstückt und war dann eine Weile da."
"Weißt du, ich habe keine Lust mehr", brachte ich frustriert hervor und betrachtete meine klebrigen Hände. "Mir hat er was ganz anderes gesagt, wieso er immer so früh wach ist. Wenn ich ihm nicht reiche, dann soll er es doch einfach sagen und nicht sowas abziehen. Man kann sich doch nicht an einen Menschen binden und dann so was abziehen-"
"Tay. Tay, beruhige dich." Eds Stimme ließ mich augenblicklich verstummen, vor allem in Verbindung mit seinem ernsten Gesichtsausdruck. Erst jetzt fiel mir auf, was ich nicht nur meinem Freund, aber auch seiner Freundin immernoch unterstellte, nur, weil ich mich ein wenig unsicher fühlte. Was war nur los mit mir? "Du weißt, dass ich Harry immernoch nicht verziehen habe, was er dir angetan hat. Aber du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass die beiden Freunde sind. Ich war so oft dabei, wenn er sie besucht hat. Harry hilft ihr nur mit der Musik und so - ehrlich, Tay. Da ist nichts."
"Bist du dir da sicher?", erkundigte ich mich, um sicher zu gehen, und schloss die Augen.
"So sicher wie noch nie bei irgendwas", versprach er und sah mich ehrlich an.
"Du hast vermutlich Recht", stöhnte ich frustriert und schüttelte leicht mit dem Kopf über meine Gedankengänge. Ed war nicht der, dem ich meine Wut entgegenschleudern sollte. Nur weil mein Freund mir schon fremd gegangen war, musste ja seine Freundin es nicht auch tun. "Ich dachte nur... Ach, egal. Tut mir leid, Ed."
"Kein Ding", erwiderte er und legte einen Arm um mich, um mir ein wenig Halt zu geben. "Die Hälfte der Zeit ist beinahe rum. Dann fliegst du doch zu ihm, oder?"
"Ja, zu seinem Geburtstag", stimmte ich nickend zu.
"Das schafft ihr", redete er mir zu und sah mich aufmunternd an. "Und wenn du bei ihm bist, treffen wir vier uns mal. Dann kannst du selbst sehen, dass zwischen den beiden echt nichts ist und wie großartig Ella wirklich ist."
"Danke, Ed", flüsterte ich etwas beruhigter und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter. Er war wirklich einer der besten Menschen, die ich kannte. Er schaffte es immer, mich mit seinen weise gewählten Worten herunterfahren zu lassen und hielt mich so auch davon ab, Dinge überzubewerten oder aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Außerdem hatte er meistens Recht mit dem, was er sagte - denn er kannte sowohl mich in- und auswendig, als auch alles, was um mich herum geschah.
Als er den Schaden meines persönlichen Dilemmas weitgehend begrenzt hatte, ging unser Gesprächsthema auf ihn und Ella über. Er erzählte davon, dass seine Freundin erst vor Kurzem den großen Schritt gewagt und von irgendeiner Kleinstadt am Rande Englands nach London gezogen war. Zum Einen wollte sie näher bei ihm sein können, zum anderen hatte sie dort natürlich auch bessere Chancen, um mit ihrer Musik Erfolg zu haben. Außerdem erklärte er mir freudig, dass er nach Abschluss der ersten Hälfte unserer US-Tour mit mir nach England kommen wollte, um Ella zu überraschen. Mit jedem seiner Worte fühlte ich mich etwas sicherer mit dem, was er mir über die Freundschaft unserer beiden Partner erzähle - auch, wenn mich das Ganze trotzdem nachdenklich stimmte. Erst jetzt verstand ich, was die Reporter mir bei meiner Ankunft in New York an den Kopf geworfen hatten. Anscheinend kannten sich die beiden wirklich schon länger, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass Harry noch mehr Freunde als Ed und die One Direction Jungs hatte. Nicht, weil ich es ihm nicht wünschte; eher weil er sich, so wie ich ihn kannte, in der regelmäßigen Gesellschaft vieler Menschen einfach nicht wohl fühlte. Natürlich gab es Ausnahmen, aber ich dachte, ich hatte mittlerweile alle diese Ausnahmen kennengelernt. Außerdem wurde mir nicht klar, weswegen Harry mich anlog, wenn er nichts zu verbergen hatte.
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all you had to do was stay
Fanfiction"Es war nie leicht, und auch, wenn es so schwer war, war es das immer wert." Nachdem Harry Taylor betrogen hat, geht für sie eine Welt unter. Sie vergräbt sich in Selbstmitleid und Einsamkeit, bis ihre Freunde sie schließlich dazu bringen, zurück in...