Da Harry mir noch des Öfteren dabei zustimmte, dass blau machen am nächsten Tag vermutlich das Beste für mich wäre, war das Ganze beschlossene Sache. So schlief ich ungefähr eine Stunde nach dem Telefonat mit meiner Mutter ein und stand erst am nächsten Tag nach dem Mittag auf. Bis auf eine kurze Unterbrechung, in der ich mich bei Steve krank meldete, schlief ich zwar durch, fühlte mich aber kein bisschen ausgeruht. Obwohl man meinen sollte, dass ich in irgendeiner Weise Lust dazu mich zu bewegen hätte verspüren sollen, wollte ich nichts mehr als nur in meinem Bett unter tausenden von Decken zu verschwinden und ein Buch zu lesen was letztendlich auch das war, was ich den Tag über machte. Ich verlor mich derartig in "Eine wie Alaska" von John Green, dass ich gar nicht mitbekam, wie schnell es wieder Abend wurde. Vermutlich hätte ich davon so auch keine Notiz genommen, denn ich war gerade an einem sehr Spannenden Punkt. Miles, die Hauptfigur, und der Leser kamen gerade zur großen Wende des Buches, doch bevor ich diese lesen konnte, riss mich der schrille Klingelton meines Handys aus der Welt von Culver Creek. Ohne auf mein Display zu sehen nahm ich abwesend ab und hielt das Telefon an mein Ohr, während ich versuchte weiterzulesen.
"Hallo?", meldete ich mich und hielt einen Finger an die Stelle, an der ich nun zu lesen aufhörte.
"Hey du.", antwortete die Person am anderen Ende der Leitung und veranlasste mich so dazu, mein Buch endgültig zu schließen. "Wo bist du gerade?"
"Harry?", fragte ich verwirrt und setzte mich ein wenig auf. "Ist alles okay?"
"Ja, alles gut.", gab er schnell zurück. "Wo bist du?"
"In meinem Bett, aber-", murmelte ich, plötzlich wieder müde, wurde aber direkt unterbrochen.
"Geh zu deiner Tür.", verlangte er.
"Wieso?", erkundigte ich mich durcheinander und versuchte, aus seinen Satzfetzen einen Sinn zu lesen.
"Ist eine Überraschung.", erklärte er. "Schau erst nach, dann sage ich es dir."
"Wehe das was da ist, ist es nicht wert, dass ich aufstehe.", drohte ich mittlerweile ein wenig genervt und kroch langsam aus meinem Bett. Barfuß tappste ich über die Fliesen meines Schlafzimmers und den Laminat im Flur, während ich mir eine Strickjacke überzog. Unter den vielen Decken hatte es gereicht, ein Top und eine Pyjamahose zu tragen, doch in meinem Apartment war es verglichen dazu eiskalt. Was mochte der junge Brite schon wieder angestellt haben, dass er mich sogar deswegen anrief? Normalerweise beschränkten wir uns auf Textnachrichten, da Telefonate ziemlich teuer waren und durch die Zeitverschiebung immer mindestens einer von uns jemanden in seinem Umfeld damit stören würde. Außerdem hatte er sich seit er mich zum Krankfeiern überredet hatte nicht mehr gemeldet, was also war jetzt so wichtig, dass ich zur Tür kommen musste?
"Noch da?", hakte Harry über das Telefon nach und brachte mich dazu, die Augen zu verdrehen.
"Himmel, ja.", stöhnte ich und fuhr mir durch die Haare. "Lass mich wach werden."
"Es ist acht Uhr abends.", bemerkte er ein wenig amüsiert und machte mich nur noch rasender.
"Mir egal.", murmelte ich und fuhr mir noch einmal durch die Haare. An meinem Ziel angekommen tat ich, was Harry verlangt hatte. Noch ein wenig schlaftrunken und verwirrt versuchte ich zu verstehen was, oder wer, da gerade vor mir stand während er mich nur angrinste. Harry.
Er sah an diesem Tag wieder blendend aus, denn über eine schwarze Skinny Jeans und ein weißes T-Shirt hatte er eine dunkelblaue Jacke mit Pelzkragen gezogen während er seine großen Locken unter einem gleichfarbigen Beanie versteckte. Lässig wie immer lehnte er an der Wand des Hausflurs; eine Hand in der Hosentasche, die andere noch immer mit dem Handy an seinem Ohr.
"Und, bin ich es wert das Bett zu verlassen?", erkundigte er sich grinsend und legte zeitgleich mit mir auf, um dann auf mich zuzukommen und mich in seine langen Arme zu schließen.
"Was tust du denn hier?", flüsterte ich total geplättet und schlang die Arme fest um seine Taille. "Es ist so schön dich zu sehen."
"Ich bin hier, um dich zu entführen.", antwortete er flüsternd und deutete mir an leise zu sein, damit die Nachbarn nichts mitbekamen. So schnell, aber auch vorsichtig, wie möglich schob er mich zurück in mein Apartment und schloss dann die Tür hinter sich. "Wir fahren weg."
"Was?", platzte ich hervor und sah ihn geschockt an. Worauf wollte er hinaus?
"Lass uns wegfahren. Raus aus der Stadt, weit weg von all den Menschenmassen, Steve, Selena und allen, die dir sonst weh tun.", fuhr er fort und legte den Schlüssel in meine Hände. "Keine Angst, wir sind spätestens Montagmorgen zurück und keiner wird was merken. Du brauchst eine Auszeit, du hast sie dir verdient. Ich meine-"
"Okay.", willigte ich ein und überraschte damit wahrscheinlich ihn und mich selbst gleichermaßen. "Wo willst du hinfahren?"
"Das ist der Haken.", bemerkte er und lächelte schief. "Das bleibt eine Überraschung."
Ich wusste zwar nicht, wieso ich mich so schnell überzeugen ließ, doch wahrscheinlich spielte die Aussicht auf ein Wochenende ohne jede Meckerei, weit weg von hier, eine große Rolle dabei. Noch immer nicht ganz bei Sinnen nickte ich nur, um ihm zu zeigen, dass ich verstanden hatte und sah dann zu ihm hoch.
"Gib mir zwanzig Minuten um meine Sachen zu packen und mich fertig zu machen.", murmelte ich und ging ohne ein weiteres Wort zurück in mein Schlafzimmer, um irgendwelche Pullover und Hosen in eine Tasche zu stopfen. Dabei versuchte ich nicht darüber nachzudenken, was für ein großer Fehler das sein könnte oder wie groß das Ausmaß an Ärger sein würde, wenn Steve davon etwas mitbekam; ich versuchte mich vollkommen auf Harry zu konzentrieren, der den ganzen Weg gereist war, nur um mir ein Wochenende fern ab meiner Probleme anzubieten- die Auszeit, die ich mir so sehr gewünscht hatte.
Harry POV;
Ich konnte selbst als sie mit gepackten Sachen vor mir stand noch nicht ganz glauben, dass sie eingewilligt hatte. Es war schwer die ganze Euphorie in mir zu unterdrücken, doch ich wusste, dass ich es versauen würde, wenn ich das nicht tat. Also redete ich mir immer wieder ein, dass ich cool bleiben und meinen Fokus auf sie legen musste.
"Bereit?", erkundigte ich mich leise und nahm ihr das Gepäck ab.
"Frag mich das, wenn ich im Auto sitze und keinen Rückzieher mehr machen kann.", murmelte sie und grinste leicht während sie mich aus der Wohnung schob und die Tür hinter mir verschloss. "Wo steht dein Auto?"
"In einer Nebenstraße.", gab ich zurück und folgte ihr die Treppen hinunter.
Sobald wir das Haus verließen, sagte keiner von uns mehr ein Wort. So unauffällig wie möglich schlichen wir uns hinter das Haus und die drei Straßen entlang bis wir schließlich mein Auto, welches zwischen einem schäbigen alten Haus und einem Baum beinahe nicht auffiel, erreichten. Während Taylor auf dem Beifahrersitz Platz nahm verstaute ich ihre Tasche im Kofferraum und stieg dann auch ein. Da Tay bereits leicht zu zittern begann, schaltete ich die Heizung an, zog meine Jacke aus und legte sie ihr auf den Schoß.
"Für den Fall, dass dir während der Fahrt noch kälter wird.", erklärte ich auf ihren fragenden Blick hin und startete dann den Wagen. Zur Antwort nickte sie nur leicht und schloss die Arme um den Stoff, während sie sich gegen die Fensterscheibe zu ihrer Rechten lehnte. Sie wirkte geschafft und kaputt, müde vom Leben und all den schönen Dingen, die sonst in ihrem Umfeld waren. Alleine sie war der Grund dafür, dass ich, nachdem ich sie so sehen musste, nicht sofort zu ihrem Arschloch von Manager fuhr und ihm mal gehörig einschärfte, wie man Taylor zu behandeln hatte.
Kurz nachdem wir losgefahren waren, während ich in die nächste Straße bog, begann auch sie wieder zu sprechen: "Du machst dich aber nicht strafbar oder?", erkundigte sie sich ein wenig besorgt und sah zu mir. "Ich meine, du hast deinen Führerschein mittlerweile, oder nicht?"
"Keine Angst, ich hab das blöde Ding endlich.", gab ich grinsend zurück. "Keine Sorge."
"Okay.", flüsterte sie kaum merklich, aber sichtlich ruhiger, und richtete ihren Blick wieder auf die vorbeiziehenden Häuser.
Ich versuchte sie so gut wie möglich zu schützen, indem ich jede mögliche Nebenstraße nutzte, um nur wenige Strecken auf den Hauptstraßen zurücklegen zu müssen. Sie schien sich aber erst zu entspannen, als wir nach ungefähr dreißig Minuten irgendeine Stadt namens Paramus oder sowas erreichten. Dort kamen wir an einer Ampel zum Stehen, wo sie sich auch wieder aufrecht hinsetzte, nachdem sie seit Beginn des Trips immer weiter ihren Sitz hinunter gerutscht war.
"Uns hat niemand gesehen.", versuchte ich sie zu beruhigen. "Und jetzt wird uns auch niemand mehr sehen, es ist schon dunkel."
Als würde sie es sonst nicht erkennen deutete ich mit dem Finger auf die Windschutzscheibe und wollte somit beweisen, dass es Nacht war. Sie nickte leicht und atmete tief ein und aus, ehe sie sich zur mir drehte und die Füße anzog.
"Wielange fahren wir noch?", fragte sie leise und blinzelte unter den blonden Strähnen, die ihr durch ihre Mütze ins Gesicht hangen, durch.
"Keine Ahnung. Ich denke vier Stunden.", schätzte ich laut und fuhr wieder an, als die Ampel umschaltete.
"Weißt du überhaupt, wo wir hinfahren oder wartest du einfach bis wir ein Hotel außerhalb New Yorks finden?", hakte sie ironisch nach und ließ so sogar ein kleines Lächeln sehen.
"Ich weiß, wo wir ungefähr hinmüssen.", gab ich zurück und richtete meinen Blick auf den Highway, den wir kurze Zeit später erreichten. "Doch hier braucht man ja allein eine verdammte Stunde, um aus einer Stadt hinauszukommen."
"Denkst du wirklich nicht, dass uns noch jemand erkennt?", hakte sie wieder nach und erschlug somit meinen Versuch, ihre Laune ein wenig zu verbessern. Seufzend schüttelte ich den Kopf und sah dann aus dem Augenwinkel, wie sie meine Jacke überzog und sich dann wieder gegen die Fensterscheibe lehnte. Ohne ein weiteres Wort ging es auf den Highway, wobei ich mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen konnte, während "Robbers" die Stille zwischen uns füllte.
Es dauerte nicht lange, bis Taylor wieder einschlief. Sie hatte ihre Beine angewinkelt und ihre Arme fest um ihre Taille geschlungen, während sie sich immer weiter ausbreitete, sodass ihre Füße mittlerweile über die Sitzbank zwischen uns gerutscht waren und an der Seite meines Oberschenkels ruhten. Mit dem Kopf lehnte sie noch immer an der Fensterscheibe und zitterte mit dieser durch die Bewegung des Autos. Sie wirkte ruhig, ausgeglichen und friedlich; das verdammte Gegenteil zu dem, wie sie wach ausgesehen hatte. Es machte mich so wütend, zu wissen wie viel Leben eigentlich in ihr sein konnte und wie die Menschen, mich nicht ausgenommen, es ihr immer wieder bereitwillig nahmen.
Da ich mir irgendwann nicht mehr sicher war, ob sie wegen der Kälte oder der Vibration des Autos zitterte und ich einfach wusste, dass sie hungrig sein würde, sobald sie aufwachte, fuhr ich bei der nächsten Tankstelle raus und hielt an. Bevor ich ausstieg und tankte, was wie ich feststellte auch notwendig wurde, holte ich vom Rücksitz eine Wolldecke und legte sie über Taylor, dann füllte ich meinen Tank auf und ging in die Raststätte. Da mir auffiel, dass ich keine Ahnung hatte, was sie gerne aß, holte ich mir zunächst einen Energy Drink und bestellte einen Kaffee. Es war bereits Mitternacht geworden und ich hatte festgestellt, dass ich mich ein wenig verschätzt gehabt hatte. Vor uns lagen sicher noch zwei Stunden Fahrt, wobei wir dort angekommen noch dieses verdammte Haus finden mussten. Während ich überlegte, mit ihr in irgendeinem billigen Hotel abzusteigen, schweifte mein Blick nach draußen zu den Autos wo ich feststellte, dass auf dem Beifahrersitz meines Jaguars leer war. Im gleichen Moment fasste mir aber eine zarte Hand an die Schulter, woraufhin ich herumfuhr und Taylor sah.
"Verdammt, erschreck mich nicht so.", sagte ich etwas lauter als gedacht und sah sie ein wenig zusammenzucken, was mich sofort besänftigte. "Sorry."
"Schon gut.", murmelte sie und wickelte meine große Jacke um ihren zierlichen Körper. "Was machst du hier?"
"Ich musste tanken und brauche Koffein.", antwortete ich nüchtern und hielt ihr meinen Kaffee unter die Nase. "Hast du Hunger?"
"Ja, ein wenig.", erwiderte sie noch immer etwas müde und deutete auf den Kaffee. "Kannst du mir auch einen bestellen? Ich hole uns ein paar Snacks."
Ich hasste es, wenn man mir etwas auftrug, doch bei ihr ließ ich dieses Gefühl gerne über mich ergehen. Also tat ich, was sie wollte und schaffte es trotzdem, sie vor der Kasse abzufangen und so für alles zu zahlen. Etwas angekratzt schnappte sie ihren Kaffeebecher und eine Packung Müsliriegel und stolzierte zurück zum Auto, wo sie sich auf den Sitz fallen ließ. Wortlos folgte ich ihr mit all den Sachen und legte sie auf ihren Schoß, in erster Linie um sie aufzuregen, in zweiter, damit sie mich später beim Fahren nicht störten. Wie ich erwartet hatte verdrehte sie zuerst die Augen, nahm dann aber einen Schluck von ihrem Kaffee und legte den Kopf in den Nacken.
"Wie lange sind wir schon gefahren?", erkundigte sie sich leise und klemmte den Becher zwischen ihre Knie, um die Sandwiches, die sie ausgesucht hatte, öffnen zu können. Sie reichte mir eins, steckte das Verpackungspapier in ihre Handtasche und biß dann von ihrem ab.
"Drei Stunden, ein bisschen mehr. Keine Ahnung.", murmelte ich mit vollem Mund und sah auf die Uhr.
"Und wie lange müssen wir noch fahren?", fragte sie weiter.
"Zwei vielleicht. Ich weiß es nicht.", beteuerte ich und fand ein Grinsen auf ihren Lippen.
"Aber du weißt, wo wir hinfahren?", hakte sie zum zweiten Mal an diesem Tag ironisch nach und nahm einen Schluck ihres Kaffees.
"Ja, verdammt.", bestätigte ich und trank meinen Kaffee aus. "Wollen wir weiter?"
"Mh-hm.", machte sie mit vollem Mund und schnallte sich an. Kaum hatten wir jedoch den Highway wieder erreicht und sie ihren Mitternachtssnack beendet, schlief sie trotz des Kaffees wieder ein und so setzte ich meinen Weg nur durch Musik und ihren leisen Atemrhytmus begleitet fort. Zeitweise sah ich zu ihr hinüber, nur um sie anzusehen. Die Ruhe in ihrem Gesicht und die Art, wie sie so zusammengekuschelt auf dem Sitz saß, ließen mich glauben, dass es doch noch Gutes auf der Welt gab. Taylor war hier, bei mir, in meiner Jacke und schlief- sie fand den Frieden mit der Welt, den sie gesucht hatte, in meinem Auto, bei mir.
Taylor POV;
Am nächsten Morgen weckte Harry mich in dem er sanft an mir rüttelte, sodass ich ohne mich zu erschrecken, die Augen öffnen konnte. Müde blinzelte ich ihm entgegen und lächelte leicht, als er mich breit angrinste und ich den Duft von Kaffee und verbrannten Sandwiches vernahm.
"Guten Morgen.", begrüßte er mich leise und setzte sich neben mich auf ein Bett.
"Morgen.", murmelte ich und sah mich, völlig perplex von meiner Umgebung, um. Offensichtlich war ich nicht mehr in seinem Wagen, sondern in einem großen Schlafzimmer. Sowohl der Boden, als auch Zimmerdecke und Wände waren mit hellem Holz ausgestattet, wobei die Möbel aus dem gleichen Material, nur eine Spur dunkler, waren. Direkt neben dem Bett, in dem ich lag, war ein großes Fenster aus dem helles Licht hereinfiel und auf der anderen Seite war ein Schrank und direkt daneben eine Tür. "Wo sind wir?"
"Ist ein Ferienhaus der Familie oder so.", gab er zurück und folgte meinen Blicken durch den urigen Raum, bevor er nach einem Tablett griff und es auf die leere Seite des Doppelbetts stellte. "Ich habe mich am Kochen versucht, aber für mehr als diese verbrannten Käsetoasts hat es nicht gereicht."
"Es ist perfekt.", bemerkte ich und beugte mich über die duftende Mahlzeit. Auch wenn diese Art von Toasts, und vor Allem ihr Geruch, unerwünschte Erinnerungen an unsere vergangene Beziehung wachrüttelten, wollte ich seinen Versuch mir etwas Gutes zu tun, nicht heruntermachen. "Danke."
"Ich habe übrigens auch nicht hier geschlafen. Mein Schlafzimmer ist gegenüber. ", fügte er hastig hinzu und stand wieder auf, um seinen Punkt zu verdeutlichen. Er tat mir fast schon leid, da er sich bei all der Mühe die er sich augenscheinlich gab, auch noch immer versuchte zu rechtfertigen.
"Ist schon gut. Setz dich und iss mit mir.", versuchte ich ihn zu besänftigen und richtete mich etwas mehr auf. Seufzend, aber lächelnd, ließ er sich wieder auf der Matratze nieder und füllte für jeden von uns eine Tasse mit Kaffee. Meinen versetzte er mit zwei Löffeln Zucker und einem Schuß Milch, seinen trank er schwarz- als hätte es nie eine Zeit gegeben, in der er das nicht für mich getan hatte. Entschlossen dazu, diese Gedanken abzuschütteln, nahm ich eins der Sandwiches und hielt es feierlich hoch. "Guten Appetit und auf ein schönes Wochenende."
"Darauf stoße ich an.", erwiderte er und stubste meinen Toast mit seinem an.
Während des gemeinsamen Frühstücks und der damit einhergehenden Unterhaltung wurde Harry immer lockerer und nahm auch seine gewöhnlichen Ausdrucksarten wieder an, machte Witze und zog mich auf. Es war schön, einfach mit ihm hier zu sein, nicht aufs Handy sehen zu müssen und die Atmosphäre des schönen Zimmers aufzunehmen. Als wir mit dem Essen fertig waren ließ Harry mich duschen während er das Geschirr nach unten brachte und ein wenig Holz hackte, was er erst jetzt tun konnte, da ich über Nacht noch seine Jacke angehabt hatte. Frisch und heiß gewaschen stieg ich aus dem Duschbecken und zog eine schwarze Leggins kombiniert mit einem dunkelblauen Pullover an. Dann föhnte ich meine Haare und überschminkte vorrangig die Narbe in meinem Gesicht, die nicht blasser zu werden schien. Mein Spiegelbild machte mir mittlerweile fast schon Angst, da die dunklen Augenringe und die rissigen Lippen das, was eh schon grässlich war, nicht unbedingt besser machten. Da ich schon dabei war bedeckte ich auch diese mit den nötigen Kosmetikartikeln und verließ, als ich beschlossen hatte, dass ich zumindest gesund aussah, mein Schlafzimmer und folgte der großen Treppe nach unten ins Erdgeschoß. Dort stand ich direkt in einem großen Wohnzimmer, welches fast noch süßer eingerichtet war, als mein Schlafzimmer. Überall hingen Bilder, es gab einen steinernen Kamin und davor ein ledernes Sofa. Die Wand auf der gegenüberliegenden Seite bestand überwiegend aus Fenstern, durch welche man auf eine Veranda blicken konnte. Auf dem Boden lag ein dunkelroter Teppich mit Ornamenten und auf dem Couchtisch standen Kerzen, die vermutlich für den zimtartigen Geruch verantwortlich waren.
Harry kam gerade mit einem Korb voller Holz von der Veranda herein und grinste mich mit roter Nase und gleichfarbigen Wangen an, während er Schuhe und Jacke auszog.
"Na?", begrüßte ich ihn und schlang meine Arme um meine Taille. Es war wirklich erstaunlich kalt hier im Gegensatz zu New York; mich fror trotz all der Stoffschichten, die ich am Körper hatte. Harry schien zu bemerken, dass mir nicht ganz warm war und nickte mir nur zu während er sich vor den Kamin kniete und das Holz hinein schichtete.
"Gleich wirds hier nicht mehr so verdammt kalt sein.", erklärte er und machte sich bald daran, ein Feuer zu entfachen.
"Wieso ist es hier nur so kalt und in New York nicht?", dachte ich laut und setzte mich hinter ihm auf das Sofa. Gerade als ich mich in eine der Wolldecken kuscheln wollte drehte sich Harry mit einem ungläubigen Gesicht zu mir um und deutete zu den Fenstern.
"Hast du noch nicht rausgesehen seit wir hier sind?", fragte er verwirrt und hielt mir direkt seine Hände hin, um mich hochziehen zu können, als ich perplex den Kopf schüttelte. "Dann wird dir das vielleicht gefallen."
Als ich schließlich mit Harry hinter mir vor den Fensterscheiben stand und in einen großen Garten, umringt von blattleeren Bäumen und unterstrichen durch einen großen See im Hintergrund, sah, verstand ich was er meinte. Überall lag eine dicke Schneeschicht, ob auf der Veranda oder dem Gras- alles war voll damit. Wenn Harrys Fußstapfen vom Holzhacken nicht wären, könnte man fast glauben, eine perfekt weiß glitzernde Decke läge über dem Gelände. Völlig überrumpelt, aber auch begeistert, betrachtete ich die perfekte Szenerie während mir durch das langsam aufglühende Feuer auch endlich ein wenig warm wurde. Es war ein schöner Moment; die Aussicht, Harrys Gesellschaft, die Wärme und die Tatsache, dass ich all meinen Problemen ganz fern war.
"Wow.", flüsterte ich gefasst und trat, gefolgt von Harry, einen Schritt näher an die Scheibe und versuchte, jede Kleinigkeit dieses perfekten Bildes vor meinen Augen genauestens aufzunehmen. "Wie schön."
"Hm-mh.", machte Harry, wobei ich bemerkte, dass ich seinen schweren Atem in meinem Nacken spürte. Davon zunächst erschrocken, dann aber gefasst, drehte ich mich zu ihm und lächelte schwach während ich einen Schritt zurücktat.
"Können wir nachher rausgehen?", fragte ich und deutete auf die Landschaft hinter mir. "Also ich meine, eine Runde spazieren oder eine kleine Wanderung machen?"
"Klar.", hauchte er und fuhr sich dann durchs Haar. "Lass uns nach dem Mittag losgehen."
Bis dahin verkrochen wir uns unter Wolldecken auf dem Sofa und sahen uns auf Harrys Laptop verschiedene Filme an. Ich wusste nicht was es war, doch irgendwas versuchte mich in seine Nähe zu ziehen. Immer wieder verspürte ich das Verlangen danach, mich an ihn zu lehnen und Halt in ihm zu suchen, mich bei ihm vor der Welt zu verstecken und von ihm geschützt zu werden. Doch ich widerstand all dem und blieb schön auf meiner Seite der Couch, damit nichts passieren konnte, was ich noch bereuen würde. Mittags schoben wir uns je eine Tiefkühlpizza in den alten Ofen und als wir diese gegessen hatten, machten wir uns langsam für unseren Spaziergang fertig. Nachdem ich mein Make Up aufgefrischt hatte, zog ich noch einen Pullover und meinen Wintermantel über, legte mein Handy in den Schub meines Nachttischs und ging dann nach unten, wo ich in meine Stiefel schlüpfte. Harry war schon lange fertig und so konnten wir gleich losgehen. Zunächst gingen wir einen Weg, der hinter dem Haus am See entlang führte und kamen so zu einem Waldstück, welches wir spontan betraten. Überall war es so ruhig und idyllisch, dass ich beinahe vergaß, was für Probleme ich eigentlich alle hatte. Harrys Anwesenheit verstärkte diesen Eindruck komischerweise, obwohl er der Grund für die meisten dieser Missstände war, denn er sprach fast ununterbrochen von irgendwelchen Dingen. Er erklärte mir, wo genau wir uns befanden und so erfuhr ich, dass wir in Burlington, Vermont, waren und gerade am See Champlain entlang gegangen waren. Außerdem erzählte er mir, dass das Haus in dem wir untergebracht waren, seinem leiblichen Vater gehörte und es eins der Dinge war, die er seinen Kindern geschenkt hatte, um sein Gewissen zu beruhigen. Ähnlich wie mein Vater meldete sich Harrys nicht oft oder kümmerte sich in irgendeiner Weise um seine Kinder, nur im Gegenteil zu meinem schickte Harrys ihm regelmäßig irgendwelche Geschenke. Alles in Allem reichte das, um einige Stunden mit Gesprächsstoff zu füllen, denn obwohl er so tat, als würde ihn das alles nicht interessieren und nur an ihm vorbeiziehen, wusste ich, dass es nicht so war. Also ließ ich ihn reden, und reden und reden, hörte zu und gab immer wieder einen Kommentar ab. Dann erzählte ich meine Sichtweise von all dem und so kamen wir schließlich zu einem Schluss, den kein Kind je schließen müssen sollte: Väter, die sich nicht kümmerten, waren einfach scheiße.
Kein Geschenk der Welt konnte das gut machen, und nicht einmal zu versuchen, irgendwie wieder Kontakt aufzunehmen, war noch beschissener.
Da wir beide bemerkten, dass dieses Thema die Laune zum Nullpunkt drückte, wechselten wir es bald und sprachen wieder über andere Sachen. So kamen wir auf Ed, unsere bevorstehenden Touren und irgendwelche Geschichten über Louis und ihn bei den Proben, bei denen immer mindestens einer Mist gebaut hatte. Ich lachte so viel wie schon lange nicht mehr, und darüber war ich froh. Nein, in diesen Momenten war ich nicht nur froh, sondern glücklich.
Es machte mich glücklich mit Harry an diesem Ort zu sein, durch den kalten glitzernden Schnee zu spazieren, über ganz banale Sachen zu lachen und dabei nicht erkannt zu werden. Es machte mir Spaß, mit ihm zu reden, ihm zuzuhören und seinem schönen Gesicht dabei zuzusehen, wie es nur noch schöner wurde, wenn er lachte. Es machte aus mir einen anderen Menschen, als ich die letzte Zeit gewesen war; es machte mich zu der Taylor, die ich eigentlich war.
Und das war etwas, was ich so lange vermisst hatte- mich selbst.Schon komisch, dass man manchmal vor Allem davon laufen musste, um sich selbst wiederfinden zu können.
(A/N: Hallo ihr Lieben. <3 Da bin ich schon wieder mit einem neuen Kapitel und ich hoffe natürlich, dass es euch gefällt! Zugegeben, es ist vielleicht eine etwas unerwartete Aktion von Harry gewesen, aber hey- ohne spontane Abenteuer ist das Leben doch irgendwie langweilig, oder? :-) Lasst mir doch bitte eure Meinung zu dem Wochenendtrip mit Harry da und vergesst nicht zu voten, wenn es euch gefallen hat- ihr könnt euch sicher sein, dass ich mich über jedes einzelne Vote freue! :-) Anyways, ich wünsche euch allen eine recht angenehme Woche und haltet die Ohren steif; Montag haben wir schon geschafft. <3 )
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all you had to do was stay
Fiksi Penggemar"Es war nie leicht, und auch, wenn es so schwer war, war es das immer wert." Nachdem Harry Taylor betrogen hat, geht für sie eine Welt unter. Sie vergräbt sich in Selbstmitleid und Einsamkeit, bis ihre Freunde sie schließlich dazu bringen, zurück in...