Ich erzählte Harry nicht von Rogers Postkarte. Wieso denn auch? Sie war vermutlich sowieso nur ein weiterer seiner Scherze und Harry würde sich entweder sorgen oder, noch schlimmer, ihm würde wieder eine Sicherung durchbrennen. Er hatte sich schon so lange so gut im Griff - das konnte und wollte ich nicht provozieren. Zu meinem Glück fragte er auch nicht weiter nach, weswegen ich die Karte in meinem Schreibtisch verschwinden ließ und das Thema nicht mehr ansprach. Nach dem schönen, gleichzeitig aber wirklich anstrengenden, Tag warfen Harry und ich uns nur noch aufs Sofa und ließen den Abend mit ein paar Serien ausklingen. Wir genossen einfach die Stimmung und Nähe des anderen, wobei wir beide unsere Handys völlig vergassen. Zumindest glaubte ich das, da Harry seines keines Blickes würdigte.
Auch für den kommenden Tag stand nichts auf dem Plan, außer, dass Harry bei mir war und wir die letzte Zeit vor unseren Tourneen genossen - immerhin würden wir uns sehr lange Zeit nur selten sehen. Doch als ich von einem lauten Klingeln geweckt wurde, fand ich genau ihn wieder weder neben mir im Bett, noch in einem der anderen Räume meiner Wohnung. Es kam mir wirklich ein wenig komisch vor, dass er nie bei mir war, wenn ich aufwachte. Unwillkürlich kamen mir Austins Worte wieder in den Kopf, welche versuchten, mir ein schlechtes Gefühl zu geben, doch ich wollte mich nicht von ihnen beeinflussen lassen. Vielleicht war Harry nur schnell zu Gemma und Anne gefahren und hatte vergessen, mir Bescheid zu geben. Oder er holte uns Frühstück, oder er plante wieder irgendetwas für den Tag. Ich vertraute Harry.
Als ich die Tür öffnete, spürte ich einen kleinen Hoffnungsfunken in mir versiegen, als nicht er, sondern Selena vor mir stand. Doch wie gewohnt schob ich diesen kleinen Schmerz schnell zur Seite und verkreuzte meine Arme vor der Brust. Seit meinem Geburtstag hatte ich nichts mehr von ihr gehört, und jetzt tauchte sie plötzlich unangemeldet vor meiner Tür auf. Zwar freute ich mich, sie zu sehen, doch angesichts der Umstände hielt sich das eher in Grenzen.
"Können wir reden?", erkundigte sie sich und holte zwei Coffee-to-go-Becher hinter ihrem Rücken hervor, welche sie mir als Friedensangebot entgegenstreckte.
"Komm rein", murmelte ich und navigierte sie ins Esszimmer, wo sie sich sofort auf dem Stuhl an der Tafelspitze niederließ. Ich schnappte wir, ehe ich zu ihr ging, noch Harrys Hoodie und zog ihn über das graue Shirt, welches ich zum Schlafen trug. Im Esszimmer nahm ich auf dem Stuhl neben ihr Platz und ergriff den Kaffee, den sie mir hinhielt. Eine ganze Weile sagte keine von uns etwas, bis sie schließlich laut seufzte und eine ihrer braunen Haarsträhnen hinter ihr Ohr schob.
"Es tut mir leid", erklärte sie. "Und zwar alles. Dass ich nie für dich da war, wenn es um Harry ging, obwohl ich genau das hätte sein müssen. Du warst immer für mich da, wenn ich mit Justin Probleme hatte, und ich nie für dich. Es tut mir einfach leid."
"Schon gut", gab ich lächelnd zurück und legte eine meiner Hände auf ihre. Mehr als das wollte ich eigentlich gar nicht hören, weil das der einzige Grund dafür war, dass ich überhaupt verärgert war. "Ich bin froh, dass du hier bist."
"Also ist alles wieder gut?", hakte sie schon etwas fröhlicher nach, woraufhin ich nickte.
"Ja, na klar. Ich habe dich vermisst", antwortete ich leise.
"Ich dich auch", murmelte sie und nahm mich über den Tisch hinweg in den Arm, was ich glücklich erwiderte. Selena hatte mir wirklich gefehlt, auch wenn ich es mir die meiste Zeit nicht zugestanden hatte - sie war eben trotz allem meine Beste Freundin. Selena brauchte nie viele Worte, um mich milde zu stimmen, wenn ich verärgert war - das war eine der Eigenschaften unserer Freundschaft, die ich sehr schätzte. Augenblicklich bekam ich das Gefühl, dass ab da vielleicht ja wirklich alles gut ging; mit Harry an meiner Seite und der Unterstützung meiner Freunde konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. "Und jetzt erzähl mir alles, was ich verpasst habe."Ich tat, was sie verlangte, und berichtete ihr von jedem Auf und Ab zwischen Harry und mir. Sie hörte mir gespannt zu, und obwohl sie ein wenig enttäuscht darüber wirkte, wie es zwischen mir und Adam zu Ende gegangen war, machte sie keinen blöden Kommentar über Harry. Sie schien sich sogar ein bisschen zu freuen, als ich ihr sagte, dass wir wieder zusammen waren. Als ich geendet hatte, wünschte sie uns, oder eher mir, viel Glück mit der Sache und erzählte dann von ihrer Beziehung mit Justin, welche wieder einmal kurz vor dem Aus stand. Sie kam einfach nicht mehr mit seinen Allüren zurecht; vor allem, weil er mehr trank und rauchte, als je zuvor. Ich konnte nicht verstehen, wie er eine so tolle Frau, wie Sel es war, so schlecht behandeln konnte, war aber auch die Letzte, die sich dazu einen Kommentar leisten konnte. Männer wussten anscheinend nicht wirklich, was sie hatten, bis sie es endgültig verloren. Nachdem wir einander unsere Beziehungsprobleme aufgeschwatzt hatten, ging unser Gespräch wieder in eine alltägliche Richtung - so sprachen wir über das Weihnachtsfest und den Grund dafür, dass Sel überhaupt in New York City war. Natürlich hatte es mit einem neuen Job zutun, für dessen Casting sie dringend hier her musste. Wie sie mir mitteilte, wollte sie ihren Fokus im neuen Jahr auf die Schauspielerei legen und so viele Filme wie möglich drehen.
"Was machst du eigentlich an Silvester?", erkundigte sie sich lächelnd und lehnte sich zurück. Gerade als ich mit den Schultern zuckte und ihr antworten wollte, dass ich eigentlich noch keine Pläne für das Ende des Jahres 2012 hatte, antwortete jemand anders für mich.
"Wir werden in London feiern", gab Harry tonlos zurück und kam durch die Esszimmertür geschneit, als wäre es das Normalste der Welt. In seiner Hand trug er eine große Papiertüte mit der Aufschrift Dunkin Donuts, welche er vor mir platzierte.
"Wo warst du?", fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen, während er seine dunkelbraune Lederjacke von seinen Schulter striff.
"Frühstück holen", murmelte er und drückte mir einen Kuss ins Haar, ehe er wieder aus dem Zimmer ging. Unwillkürlich stand ich auf, warf Selena einen entschuldigenden Blick zu, und folgte ihm dann in den Flur, wo er seine Schuhe auszog.
"Seit wann feiern wir Silvester in London?", hakte ich nach und verschränkte meine Arme vor der Brust, weswegen er spielerisch die Augen verdrehte.
"Ich wollte dich heute zu mir einladen, und bin einfach davon ausgegangen, dass du mitkommen willst", antwortete er und erhob sich. "Hast du wohl etwas dagegen?"
"Nein, natürlich nicht", murmelte ich und ließ mich von ihm in eine Umarmung ziehen. "Tut mir leid. Es ist nur, dass ich die ganze Zeit nicht wusste, wo du warst, und dann bestimmst du so etwas einfach."
"Schon gut", gab er zurück und küsste mich abermals ins Haar, ehe wir uns von einander lösten und gemeinsam zurück ins Esszimmer gingen. Selena tippte auf ihrem Handy herum, welches sie direkt wegsteckte, als wir uns setzten.
"Ich wusste nicht, dass wir Besuch haben, deswegen habe ich nur für zwei eingekauft", erklärte Harry mit gleichgültigem Unterton und öffnete die süß duftende Tüte, um das Frühstück zu verteilen. Ich hoffte, dass Selena Harrys Abneigung gegen sie nicht so offensichtlich vorkam wie mir, denn er gab sich keinerlei Mühe, diese zu verstecken.
"Selena kann meins haben, ich mag doch das Zeug von den großen Marken nicht so", warf ich ein und schob ihr den Bagel, der für mich bestimmt war, zu. "Ich esse einfach Müsli."
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all you had to do was stay
Fanfic"Es war nie leicht, und auch, wenn es so schwer war, war es das immer wert." Nachdem Harry Taylor betrogen hat, geht für sie eine Welt unter. Sie vergräbt sich in Selbstmitleid und Einsamkeit, bis ihre Freunde sie schließlich dazu bringen, zurück in...