Kapitel 5 - Warum? Darum!

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Meine Panik steigerte sich mit jeder weiteren Minute, Die vorüber ging.

Warum hatte er sich auch ausgerechnet das "Flecks" aussuchen müssen...
Dort hatten sie Sicherheitskameras, er durfte einfach nicht dort rein, sonst wäre alles zu spät...

Auf dem Weg hatte ich mehrere rote Ampeln ignoriert, eine alte Lady angerempelt, war drei oder vier mal hingefallen (was, by the way, mal wieder typisch ich war) und das alles in einer Rekordzeit, immer getrieben von der Angst was passieren würde, wenn er vor mir handeln würde...

Das durfte nicht sein. Ich musste schneller sein...

Oh bitte....

Mein Herz zog sich zusammen, als ich um die Ecke bog und endlich die Bäckerei sah.
Ich blieb wie angewurzelt stehen und überflog alles mit den Augen. Die Tische, die davor standen, die Tafel mit den Preisen, die rot blinkenden Lichter der Sicherheitskameras;

Und Aarons dunkelbraunen Haarschopf.

Es war also noch nicht zu spät.

Gott sei Dank.

Ich sprintete wieder los, meine schmerzende Seite ignorierend, und rief dabei laut "Aaron. Stopp."
Ich sah wie er im Türrahmen stehen blieb und sich umdrehte. Als er mich erblickte wurden seine Augen groß und ich konnte in ihnen die leichte Panik erkennen

Kein Wunder, schließlich hat er sich wieder deiner ausdrücklichen Anweisung widersetzt. Er hat Angst dass das Konsequenzen hat.

Konnte ich mir vorstellen. Aber das war jetzt egal.
Sobald ich bei ihm angekommen war schloss ich ihn erst einmal in die Arme. "Ach man Aaron... Tu mir das nicht wieder an. Hör doch auf mich..." und dann, noch leiser flüsternd, sagte ich "hier drin gibt es Kameras".

Aaron versteifte sich, löste sich aus meiner Umarmung und sah mich mit großen Augen an. "Ich.. Ich hab das nicht gewusst....es...es tut mir so leid, Down."
Ich nickte langsam, nahm den 11-Jährigen Jungen neben mir an die Hand und lief vom Geschäft weg. "Ich weiß, Aaron. Und jetzt komm, ich hab euch Suppe mitgebracht.".

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Wehmütig saß ich da, und sah die 4 Kinder an, wie sie gierig die Suppe löffelten.
Ich selbst hatte ja auch Hunger, aber zuerst sollten die Kleinen so viel essen sie sie nur konnten; sie hatten es nötiger als ich.

Denn auch wenn ich mich um sie kümmerte, so gut es ging, hatten sie trotzdem nicht jeden Tag etwas zu essen.

An der Feuerstelle hatte ich ihnen etwas Feuer gemacht, und dort saßen sie jetzt, klein, zusammengekauert vor dem Feuer, und löffelten ihre Suppe. Ihr erstes Warmes Essen seit 14Tagen.
Ich musterte sie genauer und fragte mich, wie ich es die letzten zwei Monate nur geschafft hatte, genügend Essen für sie zu beschaffen.

Ich gab Mir jede erdenkliche Mühe, gab ihnen von meinem Essen ab, und damals hatte ich auch noch einen Job gehabt, um ihnen ab und zu etwas anderes kaufen zu können als die Reste des Lokals. Doch seit die Kleinen begannen hatten, zu stehlen, um etwas zu essen zu bekommen, hatte sich die Situation verschlechtert.

Ich hatte gewusst, irgendwann würde man die Diebe suchen; und wenn man sie finden würde, wäre alles vorbei.
Also hatte ich begonnen, so zu tun, als wäre ich der Dieb. Ich hatte den größten Teil der Beute jedes Mal zurückgebracht. Jedes Mal hatte ich gesagt , ich hätte das für eine Mutprobe machen müssen. Und als Ersatz hatte ich je nach Anteil der Sachen, den ich den Kleinen dann doch zum Essen zurückgelassen hatte, mehrere Stunden oder auch Wochen dort gearbeitet.

Doch mit der Zeit hatten sich meine "Mutproben" herumgesprochen. Ich wurde zum Gespött der Schule, wurde von allen Seiten misstrauisch beobachtet, wurde beleidigt. Auch meinen Job hatte ich verloren.
Und das alles, damit die 4 illegal eingewanderten Kinder hier nicht wieder zurück in ihr Land geschickt werden mussten, wo sie damals als Kindersoldaten gedient hatten.
Das alles, damit sie irgendwann ein besseres Leben haben werden können.
Ein hoffentlich besseres Leben als ihr altes, ein besseres Leben als das jetzige, ein besseres Leben als meins.

*
*
*

Wir lagen zusammengekuschelt in einem der 4 provisorischen Betten, die aus alten Matratzen und von mir aus dem Lokal geschmuggelten Decken bestanden.
Innerlich schmerzte es mich, die Kinder so sehen zu müssen.
Verdreckt, abgemagert, hier versteckt in einer dreckigen Absteige.

Was lief falsch in unserer Welt, dass es so etwas geben könnte?

Allein hier im Land gab es 40 000 freie Wohnungen und 18 000 obdachlose.

Fällt da was auf?
Wie durfte es so was hier geben?
Ich meine, verdammt, selbst Schwerstverbrecher hatten ein Dach über dem Kopf und bekamen regelmäßig etwas zu essen.
Und diese Kinder hier, verstoßen aus dem Land, alle eine harte Vergangenheit obwohl sie noch so jung waren... Sie hatten nichts gemacht.
Sie hatten das nicht verdient, Kein bisschen.
Keiner hatte das verdient, doch sie noch am allerwenigsten..

Wie in Trance strich ich Lea über die blonden Locken. Sie war doch erst 6 Jahre alt...

Ein kurzes schauern durchlief mich. Tiffany bemerkte es und kuschelte sich nur enger in meine Umarmung.
Sie und Lea lagen bei mir, die beiden Jungs lagen ein bisschen abseits in ihren Betten. Sie schliefen schon.

Ja, solltest du auch mal probieren wenn du morgen Nicht wieder wie ein wandelnder Zombie aussehen willst...

Egal. Ich hatte morgen sowieso keine Schule. Trotzdem! Aber... Ach egal. Es war sinnlos mit meiner inneren Stimme zu streiten.

Sie gewann eh immer.
Also wand ich mich aus den Decken, legte den Kopf der schon schlafenden Lea auf das kleine 'Kissen' und stand auf.
Tiffany, die als einzige noch wach war, stand mit auf und begleitete mich zur Tür. Dort angekommen umarmte sie mich einmal ganz fest. Sie ging mir kaum bis zum Bauch, weshalb ich in die Hocke ging, sodass wir beide auf gleicher Augenhöhe waren. Dann erwiderte ich ihre Umarmung.

"Keine Angst Tiff, ich komme morgen wieder, ich versprechs. Und dann essen wir alle zusammen, okay?"
Sie nickte, ihr Gesicht in meinen langen braunen Haaren vergraben.
Als sie sich von mir löste, sah sie mich mit ihren großen , wie auch meine braunen, Augen an.
In ihnen lag eine mir nur die zu gut bekannte Trauer, allein zu sein.
Ich drückte sie noch einmal fest an mich und verließ dann ohne ein Wort die kleine Hütte.

Nicht, weil ich ihr nichts mehr sagen wollte sondern weil ich nicht mehr konnte. Nicht ohne selbst anzufangen zu weinen und nicht, ohne sie anzulügen.

Wie paralysiert setzte ich mich ans Steuer. Es schockierte mich, die ganze Situation. Immer wieder. Besonders dieser Blick in ihren Augen; die Angst davor, allein zu sein. Die Angst, die ich doch nur zu gut kannte. Ich wollte immer bei ihr bleiben, bei den anderen drei, ich wollte ihnen ein besseres Leben geben als das, das ich seit dem Tod meiner Eltern hatte.

Als ich an der nächsten Ampel halten musste, hatte sich meine Trauer und mein Schmerz in blanke Wut verwandelt.
Der Staat wusste von solchen Fällen doch er tat nichts dagegen.

All die Leute um einen herum, die den Weltfrieden predigten und wegsahen, wenn etwas schlimmes geschah.

Ich schlug auf mein Lenkrad, um meiner Wut irgendwie freien Lauf zu lassen. Da ich aber nicht die ganze Gegend mit meinem Gehupe wieder aufwecken wollte, was womöglich mit einer Klage wegen Ruhestörung geendet hätte, und die Ampel noch immer keine Anstalten machte, auf Grün zu springen, blickte ich einfach zornig aus dem Fenster, und beschimpfte alles, was mir in den Weg kam.

Dumme Ampel.

Dumme Bank.

Dummes Fahrrad.

Blöder Baum.

Blöde Männer, die das Mädchen in die Gasse zerrten.

Blöder Blumento.. Moment. Was?

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Heyy :D da bin Ich wieder :D

So, jetzt ist endgültig gesagt, was Down macht und weshalb sie das macht :)
Das Kapitel hier ist ein bisschen kürzer, aber dafür wird das nächste wieder länger :)
Ich hoffe ihr könnt euch jetzt irgendwie besser in die Liebe Down reinversetzen. :)
Dankee fürs Lesen :)

~~Lisa~~

Gerechter DiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt