»Und sie hat nichts gesagt?« Vincent, der auf Dags Couch saß, sah dem Lockenkopf nach, wie er mit der Kippe zwischen den Lippen hin und her watschelte.
»Nein.« , antwortete er schließlich.
»Und du hast nicht gefragt?«
»Sie war völlig fertig. Sie hat gezittert, als ich sie vor der Türe gefunden habe. Und glaub mir Vinne, das war nicht wegen der Kälte.«
»Ja aber ... kommt sie wieder? Und ... die andere Frage ... wohin geht sie tagsüber?« , hakte er weiter nach.
»Ich weiß es nicht.«
»Ja, was weißt du dann?« Vincent wurde ungewollt etwas lauter.
»Das sie mich braucht.« , antwortete sein bester Freund im Kontrast dazu leise aber bestimmend.
»Und ... warum du?«
Dag zuckte mit den Schultern und nahm einen Zug, ehe er die Kippe im Aschenbecher ausdrückte. »Ich hab' keine Ahnung. Vielleicht war ich genau da, als sie jemanden dringend nötig hatte.«
»Und ... du hast mit ihr gemeinsam im Bett geschlafen?«
Dag nickte. »Ja. Ich weiß das hört sich komisch an, aber glaub' mir, wenn ich sage, ich konnte regelrecht spüren, wie sie ... lockerer wurde.«
»Weil sie eingeschlafen ist. Da ist es normal, dass ...«
»Nein. So meine ich das nicht.« Dag schüttelte den Kopf. »Du verstehst mich nicht.«
»Da hast du schon Recht. Ich versteh' dich auch nicht. Ich hab' einfach Angst, das du dich ausnutzen lässt ... wozu auch immer. Diese ...« Er überlegte, wie sie hieß.
»Célia.« , beantwortete Dag es, als wüsste er, dass Vincent nach dem Namen gesucht hatte. »Ihr Name ist Célia.«
»Diese Célia hat eine Anlaufstelle ... tagsüber. Du bist ihre Zuflucht ... nachts. Da stimmt etwas nicht.«
»Natürlich stimmt da etwas nicht. Ihr geht es nicht gut.«
»Dag, ich will nur, dass du aufpasst. Vielleicht ist das irgendeine Masche. Vielleicht ... raubt sie dich eines Nachts aus, und ...«
Dag lachte. »Was will sie mitnehmen? Meinen selbstgemachten Vorhang? Oder meinen IKEA-Tisch?«
»Spinner. Aber ... Dag, wenn sie nicht mal sagt, was los ist, dann ...«
»Ich werd' sie fragen.«
»Wann?« , schoss es aus seinem besten Freund heraus.
»Wenn sie wiederkommt.«
»Falls.«
»Sie wird wiederkommen.« , gab Dag in einem sehr leisen Ton von sich, ehe er sich im Schneidersitz auf den Boden hockte.
»Ich weiß nicht. Ich hab' kein gutes Gefühl. Das du helfen willst, gut und schön. So bist du. Und ... das werfe ich dir auch nicht vor. Aber ... pass auf.«
»Was soll schon passieren?«
Beide schwiegen sich an. Es war einige Sekunden mucksmäuschenstill.
»Warum hat sie gekotzt?« , fragte Vincent, der sogar darüber im Bilde war, nachdem er überlegte, ob es sinnvoll sein würde, weiter das Thema des ihm fremden Mädchens zu ermitteln.
»Ich weiß es nicht. Hab' keine Untersuchung durchgeführt Herr Stein.«
»Nein, aber es könnt ja sein, dass sie aufgrund dessen etwas gesagt hat.«
»Nein.«
»Musst du heute Abend nicht arbeiten?« , fragte Vincent, als ihm dieser wichtige Aspekt auch noch einfiel.
»Hab' mich schon krank gemeldet.«
»Wegen ihr?«
Dag nickte. »Ja wegen ihr.«
»Du setzt deinen Job aufs Spiel für eine junge Frau, die du nicht kennst?«
»Ich will einfach hier sein, falls sie kommt.«
»Ich finde, bevor du so etwas entscheidest, solltest du mehr über sie in Erfahrung bringen. Du kannst schließlich nicht alles in eine Ecke deponieren.« Vincent blieb bei seiner Meinung. »Du weißt nicht, in was du dich da begibst ... und ob es das alles wert ist.«
»Vinne, das ist ein Tag jetzt. Du machst, als hätte ich gekündigt.«
»Wer weiß, welch' spontane Ideen dir sonst noch so in den Kopf schießen werden.«
»Ich hab' dir das nicht erzählt, damit ...«
»Ich weiß Dag. Und ich find deine Hilfsbereitschaft ja auch nicht schlecht. Dennoch hab ich so ein Scheiß seltsames Gefühl. Sie kam aus dem Nichts. Und jetzt ... kuschelt ihr in einem Bett.«
»Wir haben nicht gekuschelt ... und selbst wenn?! Wie hast du denn bitte schön Marina kennengelernt?«
»Das ist doch etwas völlig anderes.«
»Nee. Du bist ja sogar ...«
»Stopp.« Vincent hielt beide Hände nach oben. »Ich wollt' dich nicht anfeinden oder so.«
»Ja ich weiß. Ich dich auch nicht.«
»Ich mach' mir halt auch Gedanken, wieso sie ... hier ... du musst auf jeden Fall mit ihr reden, falls sie wiederkommt.« , sagte Vincent. »Du kannst nicht Tag der offenen Türe für jedermann spielen. Du musst schon wissen, wem du da die Türe öffnest.«
Dag nickte. »Ich weiß.«
»Tu mir einfach den Gefallen, wenn es ... zu ... achte auch auf dich. Am Ende des Tages muss es auch dir gut gehen.«
Er nickte abermals und wiederholte dieselben Wörter. »Ich weiß.«
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Eigentlich wollt' ich nie ein Liebeslied schreiben (Band 1)
FanfictionBAND 1 (Triggerwarnung: beinhaltet verstörende Handlungen, die von manchen als verletzend wahrgenommen werden oder eventuell Traumata reaktivieren könnten) Die unscheinbare 18-jährige Célia hat bisher ein langweiliges Leben geführt, bis sie das ers...