Gut sechs Monate zuvor.
Célia saß im Bus und sah ihre hellblonde Freundin Elli an der nächsten Haltestelle bereits stehen. Sie war sehr schmal und manchmal hatte Célia aufgrund ihrer eigenen Figur ein wenig Komplexe sich neben ihr zu befinden. Die Blondine hatte halt typische Modelmaße, während bei ihrer eigenen Statur dennoch Kurven vergleichsweise vorhanden waren.
Das passte nicht zu dem Trend, wie eine Frau auszusehen hatte.
Speck auf den Rippen war out und gerade erst den 90ern entsprungen, war immer noch eine Kate-Moss-Figur angesagt. Das verkörperte Elli bis aufs Letzte.
Auch wenn viele für J-Lo oder so schwärmten, hatte Célia schon ein kleines Bäuchlein, sobald sie saß. Dementsprechend wollte und konnte sie sich nicht mit einer Latina vergleichen.
Aber so war die Gesellschaft. Passte man nicht zu dem Trend, war man praktisch Außenseiter statt mit dabei. So kam sie sich auch oft in Ellis Gegenwart vor. In ihrer Anwesenheit war sie ... ihre Begleiterin ... doch gesehen wurde sie nicht.
Eher übersehen.
Die Typen sprachen immer ihre Freundin an ... zudem verkörperte Elli das typische Blondinen-Klischee. Ob gespielt oder nicht, da war sich Célia nicht so sicher, dennoch standen die Jungs auf das blonde Dummchen.
Sie selbst war es nämlich nicht und hatte immer gute Noten gehabt. Zurzeit machte sie ihr Abitur.
Hässliches Streber-Entchen wurde sie schon betitelt. Oder ... fette Kuh, weil ihre Beine Speck besaßen, statt Stelzen zu sein.
Im Grunde fühlte sie sich unwohl ... dennoch sah man es ihr nicht oft an. Das verdrängte sie, so gut sie nur konnte. Des Nachts weinte sie jedoch, weil sie nicht mal ein einziges Date gehabt hatte. Nie hatte sie vernommen, dass getuschelt wurde, der und der Typ würde auf sie stehen.
Célia war deshalb bisher ohne sexuelle Erfahrung ... und auch dafür schämte sie sich, weshalb sie oft log, was das betraf.
»Wie seh' ich aus?« Elli kam zu dem Viererplatz, wo Célia saß, und drehte sich in ihrer Hüftjeans mit Ketten versehen und kurzem Top.
»Sieht schön aus.« , antwortete sie und nahm ihre Tasche, die sie sofort vor ihrem Bauch hielt, um ihren Speck zu verdecken. Sie linste heimlich zu ihrer Freundin, als sie sich setzte, deren Bäuchlein flach blieb, nachdem sie sich schräg gegenüber platziert hatte.
Warum sah sie nicht so aus?
»Wolltest du nicht Locken machen?« Elli zeigte auf Célias rotblondes Haar.
»Hmm ja, aber ... irgendwie ... nein.«
»Bin mal gespannt, ob die zwei Typen wieder da sein werden.« , sagte sie. »Welcher gefällt dir denn mehr?«
»Eigentlich ... keiner.« , log sie, wie sie oft. Isoliert betrachtet fand sie Marcel, einer der zwei schon recht süß. Aber Célia war auch klar, dass er, sowie Angelo, der andere des Zweiergespanns, beide je ein Auge auf Elli gerichtet hatten. Wozu also noch einen auswählen, wenn keiner der zwei sie wählen würde?!
Sie lehnte den Kopf an die Scheibe und richtete kurz ihr Dekolleté. Wenigstens eine Sache, worum sie von Elli beneidet wurde, denn diese war flach wie ein Brett. Eigentlich fand Célia das richtig schön und passend zu dem Rest ihrer Figur, aber die Blondine hatte bereits mit ihrem Vater gesprochen, der ihr zu Weihnachten eine Brust-OP bezahlen wollte.
Dann würden bestimmt noch mehr Jungs auf sie abfahren.
War Célia deshalb neidisch? Irgendwie schon. Es ging ihr nicht um Elli generell ... Célia wollte endlich bemerkt werden. Gesehen werden. Gewollt werden. Geliebt werden.
»Ich find' ja beide hässlich, aber die geben gut aus.« , sprach ihre Freundin weiter und betrachtete sich in einen kleinen Handspiegel, den sie bei hatte.
So lief es auch meist. Elli gefiel keiner, dennoch flirtete sie, knutschte ... oder ging sogar noch einen Schritt weiter.
Nachdem beide nach dem Bus die restliche Strecke mit der U-Bahn gefahren waren, gingen sie nun in der Dunkelheit Richtung ihrer mittlerweile Stamm-Disco. Seit sie fünfzehn geworden sind, waren sie eigentlich jedes Wochenende dort.
Célia richtete abermals ihr Dekolleté und zeigte den Türstehern die VIP-Karte, die sie besaßen, statt sich anzustellen.
An der Garderobe gaben sie alles Weitere ab und sahen sich erst einmal um, ehe sie sich etwas Alkoholisches besorgten. Die Blicke, die auf Elli gerichtet waren, bemerkte eher Célia, statt jene, um die es ging, die winkend Richtung Marcel und Angelo durch die Menge flanierte.
Die Rotblonde folgte stumm und wartete, bis beide Jungs erst einmal herzlichst ihre Freundin begrüßten. »Hey, ich dachte schon, ihr kommt heut nicht.« , meinte Angelo und empfing Célia mit einem Handschlag. Auch Marcel schüttelte lediglich ihre Hand und sah dabei jedoch nur Elli an.
Wie Licht zog sie die Motten an.
Warum konnte sie selbst nicht auch mal scheinen?
Célia trank an ihrem Bier und drehte sich in eine andere Richtung, als sie mit einem Jungen zusammenstieß. »Oh 'tschuldigung.« , sagte sie und blickte in grüne Augen.
Wow, was hatte er für schöne Augen. Dazu sein dunkles Haar und ... Célia versuchte, ihre Mimik zu kontrollieren. Er würde doch eh auf Elli abfahren.
»Hey Max, das sind die zwei.« , sprach Marcel und zog seinen Freund mit sich. »Das ist Elli.«
Célia sah dabei zu, wie er ihrer Freundin die Hand reichte und lächelte.
Wie unsichtbar sie sich doch fühlte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie auch nicht zu dritt waren, sondern noch vier weitere Jungs in unmittelbarer Nähe standen. Alle begrüßten Elli, die die Aufmerksamkeit mehr als nur genoss.
Célia nahm einen großen Schluck ihres Bieres, als dieser Max plötzlich nähertrat. »Und wie ist dein Name?«
»Ehm ... Célia.« , sagte sie und bemerkte, dass sie rot wurde.
Er lächelte. »Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Max.«
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Eigentlich wollt' ich nie ein Liebeslied schreiben (Band 1)
FanficBAND 1 (Triggerwarnung: beinhaltet verstörende Handlungen, die von manchen als verletzend wahrgenommen werden oder eventuell Traumata reaktivieren könnten) Die unscheinbare 18-jährige Célia hat bisher ein langweiliges Leben geführt, bis sie das ers...