𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 60

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Vincent tröstete Dag. »Warte erst einmal ab. Vielleicht ... will sie das ja privat klären. Schlussmachen. Du weißt schon.«

»Nein. Das macht sie nicht. Sie ist ihm total verfallen ... hörig. Egal, was ich ihr gebe, es wird nie genug sein. Sie ist wie so ein verängstigtes Tier, das sich freut, wenn der Besitzer sie ruft, der sie scheiße behandelt.« Er putzte seine Nase.

»Sie liebt dich. Sie wird wiederkommen.«

»Ich glaub' nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich das nochmal kann. Jedes Mal entgleitet sie mir wieder. Ich ... ich kann sie doch nicht immer wieder neu verlieren. Das macht mich kaputt.«

»Ich weiß.«

»Ich kann sie aber auch nicht gehen lassen. Ich weiß hundertprozentig, wenn sie wieder kommt, dann ...«

»Ich weiß.« Er unterbrach Dag. »Aber genau dann musst du mit ihr darüber reden. Du musst ihr verständlich machen, dass es dich Stück für Stück umbringt. Das sie auch mal an deine Gefühle denken soll.«

»Lieber hab' ich Schmerzen als sie.«

»Das ist nicht der richtige Ansatz Dag. Du kannst nicht jeden Schmerz auf dich nehmen. Das geht einfach nicht. Ist genau dasselbe, als würdest du dich schützend vor sie stellen, während irgendjemand euch mit mehreren Schüssen zur Strecke bringen will.« , versuchte Vincent zu verdeutlichen. »Sie wird keinen Kratzer haben, aber du wirst elendig verrecken.«

»Ich würde mich vor sie stellen. Jederzeit.«

»Das habe ich jetzt auch nicht in der Hinsicht gemeint. Natürlich will man seine Freundin schützen, aber ... du hast schon viele Kugeln abbekommen. Wie viele benötigst du noch?«

»Ich dachte echt, wir haben die Hürde geschafft. Ich hab' sie meiner Mutter vorgestellt. Nur kurz, aber ... es hat sich ...« Er heulte nun richtig. Vincent umarmte ihn. »... ich hab' so ein Scheiß Gefühl. Ich ... ich glaube, sie kommt nicht mehr wieder.«

»Ihre Sachen sind hier. Sie kommt bestimmt wieder.«

»Und dann? Fang' ich wieder bei null an? Wird das für immer so gehen? Ich hab' sie immer nur ein bisschen?«

»Nein. Deswegen solltet ihr reden. Klar schützt du sie, aber du musst auch Schutz annehmen. Das musst du ihr in aller Deutlichkeit zeigen. Sie muss wissen, wie viele Kugeln dich schon getroffen haben. Also hör auf, den Beschützer spielen zu wollen. Zeig' deine Wunden und Narben.«

»So einfach ist das nicht.«

»Vielleicht nicht, wenn du darüber nachdenkst, aber wenn du es machst, wirst du merken, dass es vieles vereinfachen wird.«

»Sie wird immer wieder zurückgehen. Ich weiß es.«

»Warte doch erst einmal ab.«

»Ich hätte sie ... nicht gehen lassen dürfen. Ich hätte ... ich hätte dieses beschissene Handy wegschmeißen müssen.« , jammerte Dag.

»Hätte hätte Fahrradkette. Es ist geschehen.« Vincent wuschelte durch seine Haare. »Sie wird wiederkommen. Da bin ich überzeugt. Nicht, weil du ihre Anlaufstelle bist, sondern weil sie dich liebt.«

»Anscheinend nicht genug.«

»Doch. Glaub' mir. Dag, du machst sie glücklich. Du bist für sie da. Sie wird das realisieren. Nur leider ... benötigt sie dafür wohl mehrere Anläufe. Das, was sie mit dem anderen hat, ist keine Liebe. Das ist Abhängigkeit. Mehr ist das nicht. Liebe ist stärker.«

»Ich liebe sie wirklich. Sie ist ... sie ist die Erste, bei der ich ...«

»Dag, sie wird wiederkommen.«

Dag wischte sich die Tränen weg. »Und warum hab' ich so ein Scheiß Gefühl?«

»Weil sie nun mal nicht hier ist. Du malst dir nun schlimme Dinge aus, aber ... sie hat gesagt, sie liebt dich. Sie weiß also, was sie für dich empfindet. Wenn sie jetzt bei ihm ist, ...«

»Er wird ihr wehtun. Egal wie, aber ich weiß er wird es tun. Und ich hab' nicht mal einen Ansatz.« , kam aus ihm heraus, während er die Nase hochzog. »Max. toll. Das ist das Einzige. Sonst weiß ich rein gar nichts über ihn. Ich hab' ihn einmal geseh'n, aber mir seine dumme Visage nicht mal gemerkt. Wenn sie jetzt meine Hilfe braucht, bin ich nicht da. Ich werde es wie immer erst zum Schluss merken.«

»Dag, warte erst einmal wirklich ab. Sie wollte einen Anfang mit dir, kein Ende.«

Er betrachtete Vincent mit verheulten Augen. »Es fühlt sich aber nicht so an. Es fühlt sich so ... ich weiß nicht ...«

»Das ist nur der Moment. Sie ist nicht hier und du weißt, wo sie gerade ist. Natürlich fühlst du dich dann nicht super.«

»Ich will sie nicht einsperren. Verstehst du. So bin ich halt nicht. Ich will sie einfach nur glücklich sehen. Ich will sie zum Lachen bringen. Ihr ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Aber ich weiß ganz genau, dass wenn sie wieder kommt, sie wie gehabt diese zerschundene gebrochene Seele sein wird. Wie lang' soll das noch gut gehen?«

»Es wird nicht einfach, aber ... ihr werdet das hinbekommen. Da bin ich mir sicher. Du hast nie aufgegeben. Ich hab' anfangs versucht, dich zurückzuhalten, aber ... du liebst sie. Es wäre dumm von mir, dich von ihr wegzudrängen. Ihr beide seid ... perfekt füreinander ... auf eure seltsame Art und Weise.«

Dag gab ein kurzes aufschnaufendes Lachen von sich. »Danke Brudi.«

»Sie wird wiederkommen. Du wirst sehen. Und dann wird alles gut.«

Eigentlich wollt' ich nie ein Liebeslied schreiben (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt