Célia sah zu Dags Fenster hinauf. Das Licht war aus. Dennoch hatte sie Panik, dass er wach war.
Sie sah auf den Block in ihrer Hand, den sie sich ebenfalls von dem geklauten Geld besorgt hatte.
War es richtig, das zu tun?
Ihre Entscheidung war selbstverständlich gefallen, aber war der jetzige Schritt, was Dag betraf, auch richtig?
Sie hatte so ein seltsames Gefühl, weil sie ebenfalls den Drang besaß bei ihm zu klopfen ihn zu umarmen ... zu küssen ... einfach alles.
Aber sie wusste, dass sie dann alles andere wegschieben würde. Und das durfte nicht sein. Sie musste ihm die Last nehmen.
Sie war seine Last.
Sie musste ihn befreien.
Sie musste sich befreien.
Die Türe unten ging, auch ohne das man einen Schlüssel besaß, auf. Es war ein Kniff dabei, wenn man sich kurz mit Schultereinsatz dagegen warf. So war sie im Übrigen die anderen Male hineingekommen.
Auf leisen Sohlen schlich sie die Stufen im Dunkeln hinauf. Dieses Mal achtete sie so richtig darauf, keinen Ton von sich zu geben, obwohl sie wieder weinte.
Auf der letzten Stufe machte sie halt, um sich zu sammeln, ehe sie sich rasch zu seiner Tür begab, den Block auf die dreckige Fußmatte legte und eilig den Flur und das Haus verließ.
Dag, der tatsächlich nicht schlief, sah augenblicklich zu seiner Haustüre. Waren da Geräusche? Er hatte ein Schlurfen vernommen ... oder war das eine Einbildung?
Wieder dieser Déjà-vu-Moment ... und das hoffnungsfreudige Gefühl, das sie zurückgekehrt war.
Dag stand auf. Es schien kein Licht im Flur draußen an zu sein, dennoch hatte er das Gefühl, sie zu spüren. Ohne Zeitverzug öffnete er die Türe und sah ... niemanden. Er blickte in den dunklen Flur. Keine Menschenseele.
Er atmete tief ein und aus.
Es war wohl bei allem Verständnis ein ...
Beim nächsten Schritt nach draußen, um eventuell doch besser sehen zu können, bemerkte er den Block, der auf seiner Matte lag.
Mit gerunzelter Stirn hob er ihn auf und schlug mit hundsmiserabelem Gefühl die erste Seite auf.
Hallo Dag,
Ich möchte im Voraus erwähnen, dass du dir keine Schuld geben sollst. Ich habe in der letzten Zeit so viel geweint, so viel Trauer und Angst verspürt, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Doch du warst ebenfalls da ... und hast mir immer wieder eine andere Seite gezeigt. Dafür bin ich dir dankbar.
Es ist meine eigene Schuld, dass es so weit kommen musste. Ich will, dass du das weißt. Du hast keinen Grund dazu, traurig zu sein, denn ich war nur deine Last. Auch wenn du das vielleicht nicht wahrhaben möchtest.
Ich spüre den Hass auf mich selber, weil ich dich in mein verficktes Leben gezogen habe. Das war dir gegenüber nicht fair. Du bist ein toller Mensch Dag.
Ich war es nie.
Ich bin nicht gemacht für diese Welt. Ich habe bisher genug erlebt in meinem Leben, und es reicht mir. Das Leben, welches man mir geboten hat, ist einfach zu schwer, ich kann es nicht mehr bewältigen. Mir fehlt die Kraft dazu.
Es tut mir leid, dich zurückzulassen mit dem Wissen, das all deine Bemühungen umsonst waren. Du hast so viel Energie für mich verschwendet und ich konnte dir nie etwas zurückgeben. Ich hasse mich dafür.
Du hast Besseres verdient.
Auch wenn ich es dir nicht richtig zeigen konnte, will ich, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe. Es war keine Lüge. Ich liebe dich wirklich.
Ich habe eine Bitte an dich. Schau' nicht zurück. Leb' ein erfreuliches sorgfreies Leben, ohne die Last mich weiter durch deine Lebensreise tragen zu müssen.
Werde glücklich.
In Liebe, Célia.
Dag hatte das Gefühl zu kotzen. Wie gelähmt sah er auf die Zeilen, die an ihn gerichtet waren. Es dauerte einige Sekunden, bis er aus dieser Schockstarre entfliehen konnte und er ließ alles fallen, als er zurück in seine Wohnung hechtete und sein Handy in die zitternden Hände nahm, um Vincent zu erreichen.
»Hmm.« , murmelte dieser schlaftrunken am anderen Ende.
»Sie ... sie bringt sich um. Sie ... sie ... ich muss sie finden.«
Dag hörte den lauten Knall in der Leitung, als sein bester Freund wohl aus dem Bett sprang. »Was? Was ... was redest du da?«
»Sie war hier. Ich ... wo ist meine verfickte Hose?« , schrie er rum. »Sie ... sie hat einen Brief draußen hinterlassen. Sie will sich das Leben nehmen. Vincent, du musst kommen. Ich muss sie finden. Ich muss sie aufhalten. Ich ...«
»Ich bin unterwegs.«
Dag schnappte sich seine Hose und fiel fast hin, als er diese auf die Schnelle anziehen wollte. Er nahm sein T-Shirt und rannte auf Anhieb nach draußen.
Wo sollte er sie suchen?
Er hatte keinen Anhaltspunkt, wo Célia es machen wollte.
Hinzu kam noch ... das wie.
Was hatte sie vor?
Er hatte so eine Angst, wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Er musste sie finden. So durfte es nicht enden.
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Eigentlich wollt' ich nie ein Liebeslied schreiben (Band 1)
FanficBAND 1 (Triggerwarnung: beinhaltet verstörende Handlungen, die von manchen als verletzend wahrgenommen werden oder eventuell Traumata reaktivieren könnten) Die unscheinbare 18-jährige Célia hat bisher ein langweiliges Leben geführt, bis sie das ers...