»Dag, vielleicht hast du den Brief auch nur falsch gewertet. Wahrscheinlich ist sie auch nur zurück zu ihren Eltern, und ...«
»Nein.« , er unterbrach Vincent, der gerade seinen Wagen wendete. »Sie will nicht mehr leben. Ich deute es nicht falsch.« Ihre Zeilen hatte er nicht mitgenommen, somit hatte sein bester Freund weiterhin nur die Information, die Dag ihm gegeben hatte.
Sie suchten Célia bereits seit einer halben Ewigkeit.
Dag war mit seinem Latein am Ende. Wo war sie?
»Hat sie denn ... irgendeinen Hinweis geliefert, wie ... also, ich meine, ... müssen wir zu einer Brücke, Hochhaus ... was hat sie vor?«
»Woher soll ich'n das wissen?!« , brüllte er Vincent ungewollt an.
Der nahm es nicht persönlich. Er verstand, wieso Dag so reagierte. Sie suchten schon lange, und falls Célia wirklich vorgehabt hatte, es durchzuziehen, würde sie keineswegs warten.
Das war sicher.
Es sei denn ... dieser Brief war lediglich ein Hilferuf. Wenn sie gefunden werden wollte, dann ... nein. Würde unter der Voraussetzung nicht der Hinweis fehlen, wo sie sich aufhielt?
Vincent hatte ein Scheiß Gefühl. Marina hatte er ebenfalls angerufen und sie suchte ebenso mit zwei Freundinnen nach Célia. Genau wie Alessandra mit Froggy an anderer Ort und Stelle nach der Irgendwie-Freundin von Dag Ausschau hielt.
Jeder war unterwegs. Jedoch bisher ... ohne jegliche Spur.
Vincent ging schließlich auf die Bremse. »So jetzt lass uns in Ruhe nachdenken. Es nützt nichts, wenn wir blind umherkurven.« , sprach er ruhig und geduldig. Auch wenn er selbst mehr als nervös war, wollte er dies nicht rüberbringen. Einer musste einen klaren Kopf behalten. Strategisch denken.
Dag rieb sich die Stirn und schüttelte den Kopf. »Mir fällt nichts ein. Ich weiß nicht, wo sie sein könnte.«
»Sie ist ... verzweifelt. Du kennst sie am besten. Welche Wege würde sie einschlagen?« Seine Stimme blieb ruhig.
Sein Kopfschütteln behielt er dennoch bei. »Ich hab kein'n Plan. Mein Kopf ist leer.«
»Sie ist zu Fuß unterwegs. Ich würde sagen, dass sie keinen Marathon läuft, um ...« Vincent schluckte den Rest hinunter. Er wollte Dag keinen weiteren Stich versetzen.
»Du meinst also, wir sollen zurück und meine Umgebung besser durchkämmen?«
»Oder ich schick' Marina dahin, und wir ...«
»Ihr Auto.« Dag sah starr durch die Windschutzscheibe und Vincent folgte sofort seinen Blick mit der Erwartung, den Wagen zu sehen. Doch da war er nicht.
»Was meinst du?«
»Sie würde sich nicht von einem Hochhaus fallen lassen oder so. Sie würde sich zurückziehen. Sie steht nicht gerne im Mittelpunkt. Sie will nicht gesehen werden.«
»Ihr Auto steht noch da?« Vincent wendete erneut und fuhr bereits ohne eine Antwort erhalten zu haben ein wenig schneller.
»Ja. Eigentlich schon. Denke.«
Dags Handflächen waren nass, als sie schließlich und endlich in die Straße einfuhren, wo Célias Wagen stand. Sein Herz raste ungewöhnlich stürmisch. Als würde er sich auf einer Achterbahn befinden und wissen, das es gleich tief und rasendschnell bergab gehen würde. Nur ohne die Euphorie. Eine Fahrt ins Ungewisse.
Vincent hatte noch nicht gehalten, als der Lockenkopf bereits die Autotüre öffnete und nach draußen sprang und dabei fast hinfiel. Er rannte los. Sein Herz pochte wie wild. Da war wieder dieses beschissene Gefühl in ihm. Sein Magen rebellierte, als er eine Person im Wagen ausmachen konnte. Er öffnete die Türe und hatte das dringende Bedürfnis sich zu übergeben, als er Célia regungslos dort vorfand. »Ruf 'nen Krankenwagen.« , rief er Vincent voller Panik entgegen.
Die Spritze in ihrer Vene schmiss er weg. Wie von Sinnen rüttelte und schüttelte er Célias Körper. Nichts. Dag zog sie daraufhin aus dem Auto und legte sie auf den Boden. Unter Tränen fühlte er ihren Puls. Nichts. Er checkte ihre Atmung. Nichts.
Hilfesuchend sah er zu Vincent, der gerade mit dem Telefonat bei der Rettungsdienststelle beschäftigt war.
»Célia?« Dags Stimme zitterte. »Bitte. Werd' wach.« Er berührte ihre Wange und begann dann mit einer Herz-Rhythmus-Massage und abwechselnder Mund-zu-Mund-Beatmung.
»Der Krankenwagen ist unterwegs.« Vincent kam zu ihm. »Atmet sie ... n- ...?«
Dag schüttelte den Kopf und hielt seine Konzentration bei, indem er weiter zählte und im Wechsel die Wiederbelebung von Luft und Pumpen durchführte.
Es kam ihm endlos lange vor.
Zu lange.
Das Blaulicht, das eintraf, bekam er nur wie ein Schleier mit. Auch die Worte, die an ihn gerichtet wurden, damit er beiseitetrat.
Irgendwie wurde er weggeschoben, oder getragen, rückblickend wusste er es nicht mehr so recht.
»Bitte Célia. Bitte.« , flüsterte er mit Blick auf sie gelenkt, während die Rettungskräfte alles taten, um sie zurückzuholen.
Marina und ihre Freundinnen kamen ebenfalls an, genau wie Alessandra, die mit Froggy sogar in der Nähe gewesen war.
Dags Augen, die eh unentwegt Tränenflüssigkeit abgaben, wurden schreckhaft groß, als er das Kopfschütteln des Notarztes vernahm und wie die Sanitäter aufhörten, irgendwas für Célia zu tun.
Vincent versuchte, ihn festzuhalten, doch vergeblich. Dag riss sich los, ließ sich auf die Knie fallen und schrie immer wieder den Namen seiner Freundin.
Er konnte es nicht glauben.
Es war zu spät.
Er konnte sie nicht retten.
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Eigentlich wollt' ich nie ein Liebeslied schreiben (Band 1)
FanficBAND 1 (Triggerwarnung: beinhaltet verstörende Handlungen, die von manchen als verletzend wahrgenommen werden oder eventuell Traumata reaktivieren könnten) Die unscheinbare 18-jährige Célia hat bisher ein langweiliges Leben geführt, bis sie das ers...