𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 38

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Dag lag in seinem Bett und konnte nicht schlafen. Er hatte ein extrem ungutes Gefühl im Bauch. Seine Gedanken kreisten nur um Célia.

Hätte er sie vielleicht suchen sollen?

Doch wo?

Berlin ist nicht gerade als kleines Dorf bekannt.

Wenn man keinen Anhaltspunkt besaß, ging das schlecht.

Aber was dann? Was hätte er sagen sollen? Er konnte sie ja nicht primitiv packen und herschleppen.

Es lag an ihr. Er konnte sie nicht zwingen.

Aber ... vielleicht musste sie ja tatsächlich auf irgendeine Weise gezwungen werden. Nicht böswillig. Einfach um ihr Gutes zu tun. Er war doch nicht schlecht für sie. Niemals hatte er Böses im Sinn gehabt.

Wie von der Tarantel gestochen setzte er sich auf, als er ein Geräusch draußen im Hausflur vernahm. Konnte das sein? War das ... Célia? Oder bildete er sich den Ton einfach nur ein, weil er hoffte, sie würde wiederkommen und abermals im Flur sein?

Dag lauschte.

Doch ... da war irgendjemand. Das war keine Einbildung.

In dem Moment, als er einen Fuß auf den Fußboden abgestellt hatte, klopfte es plötzlich. Dag hechtete nun zur Türe und riss sie auf.

Da war sie.

Zitternd vor Kälte.

Blasser als sonst. Ihre Lippen bläulich verfärbt.

Sie trug keine Jacke.

Keine Schuhe.

»Célia.« Er packte sie. Sie war eisigkalt und zitterte extrem. Er hatte noch nie jemanden so krass zittern sehen. Dag führte sie zu seiner Couch, nahm die Decke, die dort lag und wickelte sie ein. »Ich mach' dir ein warmes Getränk. Warte.« Er ging in die Küche und blickte planlos in die Schränke, die er hatte. »Magst du ...?« Er sah auf den Tee-Beutel in seiner Hand. »... Pfefferminz-Tee?« Sie nickte, und er erhitzte Wasser in einem Wasserkocher, ehe er einen Teil in eine Tasse füllte und den Rest in eine Wärmeflasche gab. Anschließend ging er erst einmal zurück zu ihr. Er setzte sich sehr nah' neben sie und rubbelte über ihre Arme. »Wo sind deine Schuhe? Deine Jacke? Wieso bist du so kalt?«

»I--i-i-ich 'ab' nich-ts m-m-m-m-mehr.« , zitterte sie wie Espenlaub.

»Was ist passiert?« Sie schüttelte den Kopf. Dag deckte sie mehr zu, ehe er zum Fenster ging und dieses schloss. Beim Blick nach draußen stellte er fest, dass ihr Auto nirgends zu sehen war. War sie zu Fuß unterwegs gewesen? Er sah auf ihre klatschnassen Strümpfe, die er ihr nun auszog. Ihre Füße waren so eisigkalt, dass er sich vorstellen konnte, wie weh diese taten. Nachdem er diese einige Sekunden in seinen warmen Händen gehalten hatte, ging er sofort an den Schrank und holte Socken, eine Jogginghose und ein Shirt von sich heraus. »Du solltest die nasse Kleidung ausziehen. Du holst dir sonst noch den Tod.«

»Ich k-k-kann nich'.«

»Ich helfe dir okay.« Sie nickte und ihr Blick war so extrem traurig, dass er sie am liebsten direkt in die Arme genommen hätte. Vorsichtig half er ihr auf die Beine und führte sie in das Badezimmer. Dort angekommen, überlegte er, wie er beginnen sollte. Er blieb vor ihr stehen. »Ich werde dir die Hose öffnen okay? Und dann musst du mir ein wenig helfen, dass ich sie dir ausziehen kann.« Sie nickte abermals. Dag sah nur in ihr Gesicht, als er mit seinen Händen den Knopf öffnete, den Reißverschluss nach unten zog und ihre durchnässte Hose seitlich griff, um diese hinab befördern zu können. Auf den Knien half er ihr dennoch, einen Fuß nach dem anderen da herauszubekommen.

»Dag, i-i-ich ...«

»Später okay. Lass uns jetzt erst einmal dich umziehen und ein wenig aufwärmen. Alles andere kann warten.« Er streichelte sanft über ihre Wange und er war sicher ein minimales Lächeln erkennen zu können. »Ist es okay, wenn ich dir dein Shirt ausziehe? Oder bekommst du es allein' hin?« Mit zitternden Händen versuchte sie, das Oberteil in die Finger zu nehmen, schüttelte dann jedoch den Kopf. Ihre Handglieder zu krümmen tat immens weh. Dag verstand und nickte. Wieder blickte er einzig in ihre Augen, als er ihr half sich auch aus dem Shirt zu entledigen. Weiterhin mit Augenkontakt griff er blind nach einem großen Badetuch, in welches er sie wickelte. »Deine Unterwäsche ist klatschnass. Die musst du ausziehen.« Sie zitterte fortwährend und blickte in seine hellen Augen. »Soll ich das machen?« , fragte er. »Du bleibst eingewickelt in dem Handtuch. Ich werd' also nicht gucken.«

Er hatte sie nackt gesehen, als sie miteinander geschlafen hatten, dennoch war er höflich und bedeckte sie, als er ihr schließlich half ihren Slip und ihren BH auszuziehen. Célia hatte lange mit sich gerungen, als sie durch den Schnee in der eisigen Kälte getappt war. Sie wollte zu Dag. Nicht nur, weil er ihre einzige Anlaufstelle war. Sie hatte ihn benötigt. Das war es auch, was sie ihm vor ein paar Sekunden sagen wollte. Célia wollte nicht, dass er dachte, sie würde seine Gutmütigkeit ausnutzen.

Noch immer in dem Handtuch eingewickelt, half er ihr, in die Jogginghose zu gelangen, die Socken anzuziehen, und das Shirt vergaß er ebenfalls nicht. Dann ging er mit ihr zurück und brachte sie sofort in sein Bett. Er holte die Decke und legte diese auf sie drauf.

»Dag.« , kam aus ihrem Mund, als er sich entfernte, um den Tee und den Wärmebeutel zu holen.

»Ja?« Er legte den Beutel und das Aufgussgetränk auf den Nachttischschrank ab.

»D-d-denk' nicht ... falsch v-v-von mir.« Das Zittern hatte langsam nachgegeben und ihre Worte waren verständlicher.

»Ich denke nicht falsch.«

»W-w-würdest du ...?« Sie blicke ihn an, als sie abstoppte.

Dag verstand jedoch direkt und nickte. Langsam legte er sich neben sie und umarmte sie von hinten. »Gut so? Ist dir warm genug? Ich hab' noch den Wärmebeutel, und ...«

»Du und die Decke reichen mir aus.« , antwortete sie.

»Okay.« , sagte er und schenkte ihr ein wenig mehr Körperwärme, als er näher rutschte. »Schlaf jetzt etwas.«

Eigentlich wollt' ich nie ein Liebeslied schreiben (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt