Kapitel 3

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Ab hier konnte sehr wohl viel schief gehen.

Den Tiefpunkt hatte ich erreicht, als die Handschellen klickten, der Polizist mich unsanft auf die Rückbank des Streifenwagens schob und geräuschvoll die Türe schloss. Zugegeben, so hatte ich mir den Abend nicht vorgestellt. Aber angesichts der Tatsache, dass die drei Tage im Hotel ausgelaufen waren und ich bis jetzt weder einen Job noch eine zweite Bleibe gefunden hatte kam mir eine Nacht auf dem Revier plötzlich nicht mehr allzu schlimm vor. Seufzend ließ ich den Kopf gegen die kühle Scheibe sinken. Kira, du hast es mal wieder geschafft. Du stolperst von einer misslichen Situation in die Nächste, nur um von der in eine noch Misslichere zu kommen. Quasi vom Regen in die Traufe. Prima, die nächste Stufe nach der Traufe war dann wohl ein Sturm, der sicher schon irgendwo auf mich wartete.

Die Fahrertür öffnete sich, der Polizist stieg ein, schnallte sich ordnungsgemäß an so wie es sich für einen Hüter des Gesetzes gehört, setzte den Blinker und fuhr los. „Junge Dame." Er justierte den Rückspiegel so, dass er mich sehen konnte. „Das man stielt, weil man Hunger hat, ist nichts, was ich nicht verstehe." Fast wie auf ein stummes Signal hin knurrte mein Magen. „Dennoch ist es falsch." Ich aktivierte die Seelenlieder und hörte neben dem Mitleid klar Amüsement aus seinem Lied heraus, als er weitersprach. „Und den Verkäufer beim Erwischt werden als herzlose Sau zu titulieren ist sicher nichts, was der Situation hilft." Es gelang ihm erstaunlich gut, sein Grinsen zu unterdrücken. Ich setzte mein süßestes Lächeln auf und hob in einer beschwichtigenden Geste meine gefesselten Hände. „Aber Officer, ich bin lediglich ein Opfer meiner Umstände." Was ja nicht mal gelogen war. „Das sind wir alle irgendwie, nicht wahr?" meinte er und richtete seinen Blick wieder auf die Straße. „Das ist erstaunlich tiefgründig für einen Polizisten." Ich beugte mich etwas vor und fuhr wie beiläufig mit meinen Händen über seine Schulter, um seinen Lebensfaden aus ihm herauszuholen.

Wenn ich schon in einer Zelle schlafen würde, würde ich seine Gefühle zumindest dahingehend manipulieren, dass es die Beste wäre. Mein Rücken verlangte nach den drei Nächten Hotelbett, sofern man es denn Bett schimpfen wollte, eine weiche Matratze. Also maximierte ich das Mitgefühl in seinem Lebensfaden, schob noch etwas Verständnis und Hilfsbereitschaft mit rein. Als ich sah, dass er genau das, was ich wollte, in seine Vorsätze aufnahm, schickte ich den Faden zurück in seinen Körper. Et voilà! Mein Ticket in eine bequeme Nacht. Natürlich hätte ich ihn auch dazu bringen können, mich hier rauszulassen. Doch wo hätte ich hingesollt? Für mich gab es heute Nacht keinen Ort, also konnte ich genauso gut in den Knast für die Nacht. Sieg auf ganzer Linie. Kannst stolz auf dich sein, Kira.

Ehe ich vollständig im Selbstmitleid versinken konnte, knackte plötzlich das Funkgerät, bevor einer der Kollegen auf der Dienststelle mehrere Codes durchgab und dann die Anweisung, „sich sofort dort einzufinden" gefolgt von einer Adresse. „Wie es aussieht, machen wir noch einen kleinen Abstecher." Sagte Hamamoto. Ja, der Name des Polizisten war mir nicht entglitten. Der springt einen quasi an, wenn man Lebensfäden in der Hand hält. Ich zuckte bloß mit den Schultern und ließ mich in den Sitz sinken. Sollte mir recht sein. Hier im Auto war es wenigstens schön warm.

20 Minuten später, die Gegend war mit jeder Minute menschenleerer geworden, bogen wir auf den Vorplatz eines großen umzäunten Gebäudes ein. Erst dachte ich, dass wäre wirklich ein Gefängnis, doch auf dem Schild, dass wir eben noch passiert hatten, stand was von Erziehungsanstalt. „Keine Sorge, die ist nicht für dich." Hamamoto musste meinen Blick bemerkt haben, er drehte sich zu mir um und lächelte. „Dafür musst du weit mehr anstellen als Diebstahl und Beleidigung." Ich tippte mir an meinen imaginären Hut und grinste. „Ist notiert, Officer." Kopfschüttelnd stieg der Polizist aus und öffnete das Fenster ein Stück, damit ich nicht erstickte. Ich kam mir vor wie ein Hund, der im Auto gelassen wurde, wenn Herrchen shoppen ging. Ich wühlte mich also durch die Fächer in der Türe in der Hoffnung, einen Prospekt oder irgendwas anderes gegen die Langeweile zu finden. Doch das Weinen aus der Menschentraube, die sich vor dem Tor gesammelt hatte, ließ mich hellhörig werden. Ich drückte mir die Nase an der Scheibe platt, um zu sehen, was da los war.

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt