Kapitel 37

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Wie ferngesteuert folgte ich Sukunas Spur durch den Wald. Ich hätte gern etwas gefühlt, irgendetwas. Aber als ich Satorus kalte Hand aus meiner gelöst und ihm einen Kuss auf die Stirn gedrückt hatte, hatte sich ein Schalter in mir umgelegt. Die Tränen, dieser bestialische Schmerz in meiner Brust, der Knoten, der mir das Atmen schwer gemacht hat. Sie alle waren plötzlich weg gewesen. Und dabei hatte ich bis dato alles gefühlt. Verlust, Schmerz, Unglauben. Liebe. Ich liebe Satoru. Hatte ihn geliebt? Nein. Ich liebte ihn nach wie vor. Tot oder nicht. Ich liebte ihn. Das alles hatte sich so irreal angefühlt, seit ich in Tokyo angekommen war. So, als hätte ich für einen Moment all das gehabt, was ich mir mein Leben lang gewünscht hatte, nur um dabei zusehen zu müssen, wie es mir wieder brutal entrissen wird. Und ich mit all diesen Gefühlen zurückgelassen wurde, dazu verdammt, sie für den Rest meines Lebens zu spüren und nicht vergessen zu können. Schreiend hatte ich im Schnee gelegen, meine Trauer in den dunklen Himmel geschrien. Aber all das, all diese Eindrücke, waren mit einem Mal verschwunden. Womöglich hatte der Schock den Schalter in mir umgelegt.

Also war ich aufgestanden und Sukunas Spur gefolgt. Ich hatte Satoru verloren. Da konnte ich nicht auch noch Yuji verlieren. Ich würde alles in meiner Macht Stehende tun, um den Jungen zu retten. Sein Lied war noch zu hören gewesen. Zwar schwach, aber es war da gewesen, in Sukunas Lied eingesperrt. Ich würde ihn retten.

Mein Weg führte mich blind durch den Wald, ich hatte keine Ahnung, wohin Sukuna gegangen sein könnte. Mir fröstelte, der Schnee wurde dichter, machte es schwer, im nächtlichen Wald etwas zu sehen. Die Flammen, die den Wald bis eben noch erhellt hatten und die Zero nicht hatte löschen können waren mittlerweile vom Schnee erstickt worden. Ich hatte an Zeros Seelenlied herausgehört, dass er nur bewusstlos war. Er würde zurechtkommen, brauchte mich gerade nicht. Wie lange ich durch den Wald irrte, kann ich nicht sagen. Ich hatte kein Ziel und doch schien es mich überall hinzuziehen. Doch da, vor mir, Bewegung. Hinter einem der Bäume trat Kiko hervor. Neugierig beäugte er mich, hob dann einen Stock auf und reichte ihn mir. Ich wusste gleich, was der Junge von mir wollte. Ich sollte mich an dem Stock festhalten und ihm folgen. Also griff ich nach dem anderen Ende und ließ mich von dem toten Jungen durch die kalte Nacht führen. Kiko schien genau zu wissen, wo es hinging, zielstrebig führte er mich aus dem Wald auf die Stadt zu, durch die Menschenmassen hindurch, die mir in ihrem Alltagstrott keine Beachtung schenkten.

Lange folgte ich dem Jungen, sicher eine Stunde liefen wir durch das nächtliche Tokyo. Immer wieder überraschte es mich, dass die Stadt nie zu schlafen schien, immer und überall war Leben. Kiko führte mich etwas abseits der Stadt, in einen kleinen Park. Es war der Park, in den ich an meinem ersten Tag in Tokyo geflohen war. Auf einmal blieb Kiko stehen und deutete nach vorn, auf den Weg vor uns. Und tatsächlich. Dort, unter einer Straßenlaterne, stand Sukuna, den Rücken zu mir. Der Schnee fing sich seinem hellen Haar, als er sich grinsend zu mir umdrehte und es sich auf der Parkbank neben sich bequem machte. Sukunas Blick wanderte amüsiert zwischen mir und Kiko hin und her.

„Die Kinder, natürlich. Die vergessen schnell." Er fuhr sich selbst mit einem Finger exakt an den Stellen entlang, an denen Kikos schreckliche Verletzung zu sehen war. Die Hand des Jungen verkrampfte an dem Stock, als er sich hinter mir versteckte und an mir vorbei zu Sukuna sah. „Ich bin überrascht. Ich hatte dich nicht als so zäh eingestuft." Fuhr der Fluchkönig im Plauderton fort, ehe er in den Himmel sah. „Du hast Glück, dass Winter ist." Sein Blick fraß sich jetzt in meinen, ein Schmunzeln verlieh ihm Yujis jungenhaftes Wirken. „So verrottet dein Freund nicht so schnell." Blinde Wut raste durch mich hindurch, wütend stapfte ich auf ihn zu und wurde von seiner Fluchtechnik erfasst, dir mir die Stirn aufschlitzte. Blut floss mir sofort in die Augen, als ich einige Schritte nach hinten stolperte. „Du bist mutig. Mutig, aber naiv." Er lachte. „Wie der Bengel. Das muss man fast respektieren." Wieder konnte ich Yujis Lied hören, schwach summte es.

Er stand wieder auf und wand sich zum Gehen. „Wir sehen uns wieder, Kirama Akuma. Ich freu mich schon auf mein Geschenk." Über seine breite Schulter warf er mir einen rotglühenden, herausfordernden Blick zu, kurz bevor meinen Dolch vor mir klirrend auf den Boden fiel. Er hatte ihn mir zurückgegeben. Ich wollte ihm grade nach, sah, wie sich die Zeichen und Augen aus dem Gesicht des Fluchkönigs zurückzogen und er sich der modernen Welt anpasste. Und auch, wenn er aussah wie Yuji wusste ich, wen ich wirklich vor mir hatte. Also rannte ich Sukuna nach, doch je schneller ich wurde, desto weiter entfernte er sich. „Yuji!" schrie ich laut seinen Namen, immer und immer wieder, bis ich Blut in meinem Mund schmeckte. Das Lied des Jungen schwoll kurz an, fast so, als hätte er mich gehört, als wolle er mir zeigen, dass er noch da war. Das er nicht aufgab. Yuji war ein Kämpfer. Und ich würde ihn retten. Ein letztes Mal schwoll sein Lied wieder an.

Und dann war Stille.

Ich legte noch einen Zahn zu, rannte so schnell ich konnte und versuchte, Sukuna mit meinem Faden zu erreichen. Doch vergeblich. Mit einem Mal wurde ich von den Füßen gerissen, hart schlug ich am Boden auf und sah durch das Fußgewirr um mich herum dabei zu, wie Sukuna in der Menge vor dem Parkausgang verschwand. Grob wurde ich auf die Füße gezogen und blickte geschockt in das Gesicht von Hamamoto, dem Polizisten von der Erziehungsanstalt.

„Frau Akuma. Sie stecken bis zum Hals in der Scheiße."

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Und noch ein Kapitel!

Ich muss die lange Pause schließlich wieder gut machen!

Eure Erin xx

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt