Kapitel 21

273 21 1
                                    

Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, hob ich schwach den Kopf, alles drehte sich. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie viel Blut Shoko mir abgenommen hatte, aber anscheinend war es nicht allzu wenig gewesen, wenn ich schon kaum den Kopf heben konnte. Satoru setzte mich am Sofa ab und ging wortlos weiter in Bad, wo ich kurz darauf hörte, wie er Wasser in die Wanne ließ. Er hatte entschieden, dass es Zeit war, zu gehen und ich war ihm dankbar dafür. Noch länger hätte ich Megumis blasses Haut, durch die man die Venenäste hatte sehen können, nicht ansehen können, ohne dass die Schuld mich mit Haut und Haar verschlungen hätte. Als Satoru mich aus dem Zimmer getragen hatte, hatte Shoko noch nichts sagen können. Ob der Junge wieder werden würde.

Mit einem leeren Ausdruck in den Augen starrte ich an die Decke, selbst zum Weinen fühlte ich mich zu schwach, immer wieder flackerte meine Sicht aufgrund des Blutverlustes. Megumis trockenes Blut, dass nach wie vor an meinen Händen und in meinem Gesicht klebte, brannte sich in meine Haut. Ich würde mich niemals wieder mehr nicht schlecht fühlen, wie ein Nichtsnutz.

Wie eine Versagerin.

Die Badezimmertüre öffnete sich, ich hörte Schritte und schon hatte Satoru mich hochgehoben. Er hatte die Augenbinde abgenommen, Sorge flackerte in seinen blauen Augen, als er mich ansah und hinter uns die Badezimmertüre schloss. Sofort hüllte mich der warme Dampf ein, linderte etwas das Zittern. Satoru setzte mich auf dem kleinen Hocker ab und half mir aus meiner Kleidung, mein Shirt und die Hose warf er gleich in den Mülleimer. Die waren nicht mehr zu retten. Meine Lederjacke legte er zur Seite. „Mal sehen, was man da machen kann." Er strich mir sanft über das Knie und schenkte mir ein kleines Lächeln. Er wusste, dass ich an dieser Jacke hing. „Sie hatte meiner großen Schwester gehört ..." schluchzte ich und streckte meine Hand danach aus, doch Satoru fing meine Hand ab, verschränkte meine Finger mit seinen. „Ist okay, Kira. Ganz ruhig." Doch seit dem Vorfall war Hana nicht mehr da. Auch das war meine Schuld, darum hatte mein Vater meinen Dolch ja erst weggesperrt.

Dabei war es doch ein Versehen gewesen ... ich hatte das nicht gewollt ...

Ich war ein Kind gewesen.

Satoru setzte mich vorsichtig in das heiße Wasser, doch ich war zu schwach, um mich selbst aufrecht zu halten und fiel vorn über ins Wasser. Sofort fischte er mich wieder heraus, zog sich kurzerhand selbst bis auf die Boxershorts aus und setzte sich hinter mich in das warme Wasser. Mit sanften Bewegungen wusch er mir das Blut von der Haut und aus den Haaren, bis sich das Wasser um uns herum rötlich verfärbte. Ich schloss die Augen und ließ mich gegen seine Brust sinken, seine starken Arme schlossen sich um mich, würden mich nicht loslassen. Sein Lied füllte das Badezimmer, die sanften Töne lullten mich ein und ließen mich sicher fühlen. Lange saßen wir in einvernehmlicher Stille in der Badewanne, Satorus Finger malten kleine Muster auf meine Oberarme, bis er mir schließlich die nassen Haare hinter das Ohr strich. „Willst du mir von deiner Schwester erzählen?" fragte er sanft und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah ihn an. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war noch klein, fünf oder vielleicht auch schon sechs. Hana und ich, wir waren an der alten Mühle gewesen. Sie hatte meinen Dolch aus Vaters Schreibtisch gestohlen, damit ich üben konnte." Meine Stimme zitterte, als ich fortfuhr, ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals.

„Sie hatte mich an der Hand, als wir über den kleinen Fluss gelaufen sind, in der anderen Hand hatte ich meinen Dolch. Du musst wissen, dass der Dolch bis dahin eine gewöhnliche Waffe gewesen ist. Aber sie war meine." Ich seufzte, mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Und als an dem Tag meine Fluchtechnik erwacht ist, ist sie auf den Dolch übergesprungen und hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist." Ich streckte die Hand aus, sah die kleine Brücke quasi vor mir. „Dort auf dem Brückengeländer, da saß eine Eidechse. Also habe ich mich von Hana gelöst, ich wollte die Echse berühren, um an ihren Faden zu kommen. Dieser Drang war urplötzlich da und ich habe ihm nachgegeben. Also bin ich der Echse nachgelaufen, über die Brücke, bis ich sie endlich hatte."

Tränen tropften mit einem leisen Platsch von meinem Kinn in das warme Badewasser. „Ich hab ihren Faden mit dem Dolch durchtrennt, doch die Echse ist einfach weitergelaufen und Hana hinter mir von der Brücke in den Fluss gestürzt." Meine Hand begann, zu zittern. „Ich hab meine Schwester getötet, Satoru. Und jetzt ... jetzt stirbt Megumi vielleicht auch ..." die Schluchzer ließen meinen Körper zittern, immer schneller liefen mir die Tränen über das Gesicht. Seitdem hatte ich meinen Dolch nur für Missionen bekommen und ihn danach sofort wieder abgenommen bekommen. Zero hatte meinen Vater jedes Mal weichgeklopft, damit ich ihn samt meiner Waffe begleiten konnte. Seit dem Tag war mein Vater anders geworden. Kühl, distanziert.

Satoru vergrub sein Gesicht an meinem Hals. „Du warst ein Kind, Kira. Nichts davon ist deine Schuld." Ich schüttelte schwach den Kopf und erntete dafür Kopfschmerzen. „Du musst dir selbst vergeben." Er stieg aus der Wanne, zog mich dann heraus und trocknete mich mit dem großen Handtuch ab, bevor er mich in seine Kleidung steckte und mich auf dem Bett in die Decke wickelte. „Schlaf etwas. Wenn du aufwachst, wird es besser sein." Mir fielen die Augen zu, als Letztes spürte ich noch, wie er mir einen Kuss gab.

Ich träumte schlecht in jener Nacht, wilde Bilder jagten mich durch die Dunkelheit, durch meine Ängste. Ich träumte seit langem Mal wieder von Hana, begleitet von dem toten jungen Mann und der toten jungen Frau. Es war, als würden die drei mir etwas zurufen, durch die Schatten hindurch, doch je weiter ich auf sie zu rannte, desto weiter entfernten sie sich von mir, ihre Worte hingen tonlos zwischen uns in der Leere, bis sich die Leere mit dem Blut meiner Schwester und dem der beiden toten Leuten füllte, in dem ich langsam, aber sicher ertrank.

Das Blut war überall. An meinen Händen, in meinem Gesicht, in meiner Lunge.

Ich atmete Blut.

Ich schmeckte Blut.

Ich war das Blut.

----------------

Und noch ein Kapitel für all meine Lieblingswattys da draußen :D

Danke, dass ihr alle so fleißig meine Story lest, sie kommentiert und für sie votet!

Das freut mich so ungemein, dass könnt ihr euch gar nicht vorstellen!

Viel Liebe für euch von

Eurer Erin xx

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt