Kapitel 6

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Als ich endlich aus dem Gebäude gefunden hatte, stellte ich fest, dass der Nachmittag mittlerweile fließend in den Abend übergegangen war. Prima. Eigentlich sollte ich jetzt in einer beheizten Zelle liegen und Kantinenfraß essen. Stattdessen stand ich wieder auf der Straße und das obendrein noch übel zugerichtet. Aber hier an der Akademie würde ich ums Verrecken nicht bleiben. Zum einen war hier die Gefahr am größten, dass mich Zero oder meine Familie fand und zum anderen konnte ich diesen klugscheißenden weißhaarigen Typen mit seinem selbstgefälligen Grinsen nicht mehr ertragen. Die Genugtuung, dass er recht hatte, würde ich ihm sicher nicht geben.

Ich humpelte über die weite Grünfläche Richtung Ausgang, in der Ferne sah ich einige weitere junge Jujuzisten stehen, die mir nachsahen. Wenn das kein Walk of Shame war, dann weiß ich auch nicht. Also humpelte ich etwas schneller und sah zu, dass ich hier wegkam. Im Bus angekommen meldete sich mein Hunger wieder zu Wort. Ich hatte seit jetzt sicher zwei Tagen nichts mehr gegessen und der Hunger wandelte sich langsam in Schmerz. Aber da ich nicht nur keine Bleibe, sondern auch kein Geld hatte, stöpselte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren, ignorierte den Schmerz und sah durch die schmierige Scheibe dem regen Treiben auf Tokyos Straßen zu. Ich war ganz unten angekommen, dass wurde mir jetzt schmerzlich bewusst. Und nachdem ich nicht wusste, wohin ich sollte, blieb ich so lange in dem beheizten Bus sitzen, bis mich der Busfahrer kurz nach Mitternacht bat, auszusteigen, damit er Feierabend machen konnte.

Die kühle Nacht empfing mich, linderte etwas die Hitze in meinem Kopf, als ich aus dem Bus stieg und ihm hinterher sah, wie seine Lichter immer kleiner wurden und er schließlich in der Nacht verschwand. Hoffentlich war die Hitze kein Fieber. Ich sah mich um, der Busfahrer hatte mich in der Nähe eines Flusses rausgelassen und als ich einige Schritte gegangen war, wusste ich auch, warum. Hier hatten einige Obdachlose ihre Zelte aufgestellt. Nun, letztlich war ich das jetzt auch, nicht wahr? Eine obdachlose Jujuzistin. Klang wie der Anfang eines schlechten Witzes, über den niemand lachen würde. Mir zumindest verging das Lachen, als es anfing, stark zu gewittern und ich binnen Sekunden bis auf die Unterwäsche durchnässt war. Ich musste mir schnell einen Unterschlupf suchen und nachdem ich mich nicht zu einem fremden Obdachlosen in ein Zelt legen wollte, humpelte ich runter an den Fluss zu einer kleinen steinernen Brücke, unter der dank dem schlammigen Boden niemand Schutz gesucht hatte. Ich dagegen hatte keine Wahl.

Der Schlamm schmatzte, als ich mich hineinsinken ließ und meine Jacke enger um mich zog. Sicher würde sich die Schnittwunde in meinem Bein durch den Schlamm entzünden, aber das war jetzt auch egal. Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die dicke Mauer hinter mir und starrte auf den Fluss, der stetig vor sich hinplätscherte und eifrig vom Regen gefüttert wurde. Ich zuckte zusammen, als es blitzte und der Himmel für einen Moment Taghell war. Aus dem Rucksack zog ich meine letzte Wasserflasche und leerte sie in einem Zug, die Hitze in meinem Kopf nahm sicher, aber stetig zu und vernebelte mir den Geist. Mit letzter Kraft zog ich meinen Lebensfaden aus mir heraus. Dank meines Zustandes war er nicht allzu dick aber alles, was ich in dem Moment hatte. Also wickelte ich mich vollständig darin ein und hoffte, dass der Schlaf vor der Sepsis kam, ehe ich die Augen schloss. Dann bekäme ich es zumindest nicht mit.

„Du bist wirklich die störischste Person, die ich je kennengelernt habe." Ertönte nach einer Weile eine Stimme neben mir. „Schläfst lieber verletzt hier im Dreck als in einem Bett, unverletzt." Neben mir, ebenfalls im Schlamm, saß plötzlich der weißhaarige Mann und blickte auf das Wasser. Zumindest nahm ich das an, er trug ja die Augenbinde. Warum eigentlich? Ich rutschte so gut es ging von ihm weg und zog den flackernden Faden enger um mich. „Verzieh dich." Nuschelte ich erschöpft, was ihn lachen ließ. „Das hättest du wohl gern." Er wand sich mir zu, stand dann auf und schulterte meinen Rucksack. „Du hast jetzt die Wahl. Du kommst mit mir, oder ich bleibe die ganze Nacht hier und leiste dir Gesellschaft." Grummelnd zog ich die Augenbrauen zusammen. „Gibt es auch eine Option, die deine Gesellschaft nicht beinhaltet?" wie die, in er einfach gehen und mich in Ruhe lassen würde. Er lächelte. „Ich fürchte nein." Während er sprach, riss der wolkenverhangene Himmel an einer kleinen Stelle auf. Das Mondlicht, dass jetzt durch den Spalt fiel, ließ sein weißes Haar schimmern wie frisch gefallenen Schnee.

„Warum kümmert es dich?" ich konnte nicht glauben, dass ich diese Frage stellte. Aber es interessierte mich wirklich und lenkte mich von meinem schlechter werdenden Zustand ab. „Sollte es mich denn nicht kümmern, wenn eine fähige junge Frau unter einer Brücke im Schlamm ihr Leben aushaucht?" ich lachte rau. „Ich sterbe nicht." „Heute Nacht vielleicht nicht. Aber wenn alles so bleibt wie es jetzt ist, dann schon." Es folgte eine weitreichende Geste. Das das zum jetzigen Zeitpunkt noch eine Übertreibung war wusste ich natürlich. Aber ich wusste auch, dass seine Prognose binnen einiger Tagen Realität werden würde. Ich hasste es, wenn er recht hatte. Und noch mehr hasste ich, dass er ganz genau wusste, dass ich wusste, dass er recht hatte. Als ich keine Anstalten machte, mich zu bewegen zog er mich kurzerhand unter der Brücke hervor und hob mich hoch, ehe er durch den Regen losging. Wütend trommelte ich an seine Brust. „Lass mich sofort runter du Arsch! Ich kann laufen!" ein tiefes Lachen ertönte. „Ja, die Humpelei hab ich gesehen. Das nennst du laufen? Tz tz tz."

Trotz meines lautstarken Protestes hatten wir schnell die Straße erreicht, an der mich der Mann kurzerhand auf dem Rücksitz eines Wagens ablegte und auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Hinter dem Steuer saß der schlaksige Mittdreißiger, der sich mir als Ijichi vorstellte. Mit einem gewissen Maß an Schadenfreude nahm ich seine ausgestreckte Hand, schüttelte sie und verteilte so den Schlamm auch auf seiner Hand. „Kira. Freut mich sehr." „Die Freude ist ganz meinerseits." Sagte Ijichi und wischte sich den Schlamm mit einem Taschentuch von der Hand. „Zur Akademie?" fragte er, doch mein selbsternannter Retter schüttelte den Kopf. „Zu mir. Shoko kann sich um den Rest morgen kümmern." Der Mann streckte sich. „So lang bis morgen ist es ja nicht mehr." Sagte er glucksend, als Ijichi losfuhr. Dankbar drehte ich die Heizung hoch und sah den Weißhaarigen dann durch den Spiegel an. „Mit wem hab ich denn das Vergnügen?" ich deutete auf ihn. „Du kennst meinen Namen, da ist es nur fair, wenn ich deinen kenne." Natürlich hätte ich den Namen aus dem Lebensfaden lesen können. Aber ich konnte den Mann mit einem Mal nicht mehr berühren, je näher meine Hand ihm kam, desto langsamer wurde sie.

„Ich bin Satoru Gojo." Da klingelte es irgendwo bei mir, mein Vater hatte den Namen einige Male erwähnt. Die Gojos waren eine der großen Jujuzistenfamilien, ähnlich wie die Zenins.

Interessant.

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Eure Erin hier!

Ich wollte eigentlich schon früher hochladen aber irgendwie hatte Wattpad eine Fehlermeldung vorhin!

Lasst mir gern Feedback da, würde mich freuen!

Eure Erin xx

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt