Kapitel 36

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Noch nie in meinem Leben war ich so angespannt gewesen wie in dem Moment, in dem wir auf das Gelände der Akademie bogen. Einige der Gebäude standen noch in Brand, überall verteilt lagen Trümmer. Der Himmel über unseren Köpfen rumpelte, als er seine Schleusen öffnete und sich weiße Schneeflocken zu dem glühenden Feuer gesellten und Zero dabei halfen, es zu löschen. Schnell hatte ich die Seelenlieder all meiner Freunde ausgemacht. Nur das verworrene von Yuji und Sukuna konnte ich in all dem Chaos nicht hören. Der Großteil war verletzt und nachdem von der Tokioer Akademie nicht mehr viel stand, wurden sie allesamt kurzerhand in Richtung Kyoto abtransportiert. Egal, in welche der vier Himmelsrichtungen ich auch stürmte, ich konnte den Jungen nicht hören. Er war weg. Yuji war wirklich weg. „Ich werde mit nach Kyoto fahren." Nanamis Stimme drang dumpf an meine Ohren, er unterhielt sich mit Satoru. „Kommt nach, wenn ihr hier fertig seid."

Lange irrte ich allein über das zerstörte Gelände, dass über und über geflutet war mit Residuen, Blut und Kampfspuren. Ich konnte auch die Abwesenheit der Finger wahrnehmen. Mein Weg führte mich in den angrenzenden Wald. Die Stille hier war ohrenbetäubend und doch still. Die Äste der Bäume knarrten unter der Last des Schnees, der auch unter meinen Stiefeln knirschte, als ich immer tiefer in den Wald lief und weiterhin verzweifelt nach Yujis Lied suchte. Doch ich hörte nichts, nur das Ächzen der Bäume und das Knacken der Flammen in meinem Rücken, die gegen Zeros Löschaktion ankämpften. Als ich drauf und dran war, immer tiefer in den Wald zu laufen, um Yuji zu suchen, hielt Satoru mich schließlich zurück und zog mich in seine starken Arme. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. „Das hat keinen Sinn, Kira. Der Junge ist weg." Zum ersten Mal hörte ich ein Zittern in seiner Stimme, sein Gesicht war eine angespannte Maske.

„Was machen wir denn jetzt?" meine Worte verwandelten sich in der kalten Winterluft in weiße Schlieren, die zwischen uns in den dunklen Himmel aufstiegen und verschwanden. „Sie werden Sukuna entfesseln. Satoru!" verzweifelt krallte ich meine Finger in seine Jacke und blickte zu ihm auf. „Leute werden sterben! Und ..." schnell löste ich mich von ihm und sah mich um, die Welt begann, zu schwanken, die Flammen an den Wänden verformten sich zu grausigen Fratzen, im Knacken des Feuers meinte ich, Sukunas hämisches Lachen zu hören. „Und ich kann nichts tun. Ich ... ich kann das nicht!" verzweifelt reckte ich die Arme in die Luft, dem sternenlosen Himmel entgegen, mein Faden zitterte unter meiner Angst und meiner Hilflosigkeit, bis schließlich die Tränen aus mir herausbrachen und ich in den kalten Schnee sackte. Schon war Satoru an meiner Seite, kniete sich vor mich in den Schnee und nahm meine Hände in seine. „Kira. Sieh mich an." Sanft hob er mein Kinn an, sein Blick traf meinen. „Du bürdest dir zu viel auf. Lass dir Zeit." Wütend schüttelte ich den Kopf. „Wir haben aber keine Zeit!" meine Stimme überschlug sich, echote von den Trümmern der Häuser wieder. Satoru zog mich an sich, seine Finger fuhren liebevoll durch mein Haar, als er mich an sich drückte.

„Wenn du nicht bereit bist, bist du nicht bereit. Das ist einfach so und lässt sich von jetzt auf gleich nicht ändern. Jeder hat seine Zeit, zu strahlen, die Zeit, in der er sein volles Potenzial findet." Als ich den Blick hob, las ich Zuneigung und Verständnis in seinem blauen Blick, ein warmes Lächeln lag auf seinen Lippen, als er die Hand hob und mir die Schneeflocken von der Wange wischte. Vorsichtig zog er mich auf die Füße, durch den Rauch der Flammen, die langsam unter Zeros Wassermassen verschwanden, sah ich das Blau seiner Augen strahlen. Der Wind zauste ihm das weiße Haar, als er mir ein umwerfendes Lächeln schenkte. „Du bist stark, Kätzchen. Vergiss das nicht." Seine Daumen strichen über meine Handrücken und mit einem Mal erklang Satorus Seelenlied, als er seine Unendlichkeit aufhob. Fast sofort fühlte ich mich geborgen und sicher, es war, als würde sein Lied mir die Last von den Schultern nehmen. Warm fanden seine Lippen meine, schmeckten nach zuhause und Geborgenheit. In Satoru hatte ich all das gefunden, dass ich wohl schon immer gesucht hatte. Rau und voller Liebe erklang seine Stimme, als er sich von mir löste.

„Ich liebe dich, Kira." Seine Augen funkelten. „Ich hoffe, dass das alles kein Traum ist."

Mein Herz setzte einen Schlag aus.

„Passt auf!" brüllte Zero, bevor er von den Füßen gefegt und blutend in den glühenden Trümmern liegen blieb.

Blut spritzte, bedeckte mich von oben bis unten, Satorus Griff an meinen Händen wurde immer schwächer, das Licht in seinen Augen wurde dunkel, bis er schließlich in sich zusammensackte und sich der Schnee blutrot färbte. „Wie jämmerlich." Ungläubig starrte ich auf Satorus Blut an meinen Händen, wie es aus meinen Haaren zu Boden fiel. Rote Augen bohrten sich vom Waldrand aus in meine, als sich Sukuna aus den Schatten der hohen Bäume schälte, die Hände in den Hosentaschen. Seine Präsenz, die der 20 Finger, raste wie eine Flutwelle über den Platz, Yujis Lied war nur noch schwach zu vernehmen. „Da hatte ich doch glatt vor, dich und deinen kleinen Freund hier mit einem Hieb zu zerteilen." Ein teuflisches Grinsen trat auf sein Gesicht. „Damit ihr zusammen sterben könnt." Ein theatralischer Seufzer folgte. „Was für ein großherziger Gedanke von mir." Sukuna berührte seine Brust und bleckte grinsend die Zähne, als er eine Verbeugung andeutete. „Aber so ist es dann doch amüsanter." Ein gequälter Schrei kam über meine Lippen, als ich neben Satoru auf die Knie fiel, verzweifelt nach seinem Lebensfaden suchte. „Nein! Nein! Nein!"

Doch er war nicht auffindbar.

Genau wie sein Seelenlied.

Leer starrten seine blauen Augen in den Himmel, immer mehr Blut floss aus seinem zerteilten Körper, dessen Hand ich schluchzend fest umklammert hielt. „Du musst dich schrecklich fühlen." Sukuna war an mich herangetreten, schwenkte in einer Hand meinen Dolch und riss mit der anderen brutal meinen Kopf an den Haaren herum. Er beugte sich zu mir herunter und leckte mir genüsslich die Tränen von den Wangen. „Er hat seine Unendlichkeit nur aufgehoben, um dich trösten zu können." Er grinste, tauchte einen Finger in Satorus Blut und malte damit Linien auf mein Gesicht. „Letztlich bist du schuld, dass er jetzt tot ist, kleine Kira." Lachend hob der den blutigen Daumen an seine Lippen und leckte das Blut ab. „Ich glaube, ich lasse dich noch etwas mit dieser Schuld durch den kurzen Rest deines Lebens stolpern." Grob riss er mich an den Haaren wieder herum. „Ich kann es riechen. Die Schuld. Sie tropft dir aus jeder Pore." Ich sah, wie er Gänsehaut bekam. Aber nicht aufgrund der Kälte. Sondern weil er die Situation genoss. Schon fast liebevoll strich er mir mit seinen Nägeln durch das Haar. „Und dann, wenn du an der Schuld zerbrochen bist, werde ich wiederkommen." Ein unheilvoller Schimmer trat in die roten Augen. „Und dann werde ich dir nur zu gern dabei zuhören, wie du darum bettelst, dich endlich wieder mit unserem toten Freund hier zu vereinen." Er stupste Satoru grob mit dem Fuß an und ließ mich dann los, sofort plumpste ich in den kalten Schnee, hielt Satorus Hand nach wie vor umklammert.

Sukuna verschwand rückwärts wieder im Wald, sein Lachen hallte von den Bäumen wider.

„Ich freue mich darauf."

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Nach einer längeren Pause bin ich wieder zurück!

Kuss Kuss

Eure Erin

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt