Kapitel 33

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Lange hatten Satoru und ich an dem Abend überlegt, wie viel Wert Kikos Worten beizumessen war. Doch zu einer echten Lösung waren wir nicht gekommen. War es nur ein Kinderspiel gewesen? Oder war es wahr, hatte der Junge wirklich etwas gehört oder gesehen, dass uns alle in Gefahr brachte? Die Konsequenz aus all dem wäre fatal. Es würde bedeuten, dass wir eine Ratte in unserer Mitte hatten. Jemanden, dem man vertraut hatte. Ein Verbündeter, der uns allen in den Rücken gefallen war. Und so sehr ich diesen Gedanken abends im Bett auch drehte und wendete, ich konnte mir bei keinem meiner Freunde vorstellen, dass er uns verraten würde. Wir alle riskierten jeden Tag zusammen unsere Leben für die Bevölkerung und auch füreinander. Diese Gemeinschaft, die wir hatten. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und uns als Familie bezeichnen. Das alles war doch etwas wert, oder nicht? Für mich zumindest war es alles. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir alle jemandem unter uns so egal waren, dass er oder sie uns als ihre Figuren auf dem Schachbrett des Krieges herumschob, ungeachtet der Konsequenzen für jeden einzelnen von uns.

„Du solltest schlafen." Satoru setzte sich neben mir auf und blickte auf mich herunter. „Es ist spät." Ich zog die Decke enger um mich und starrte an ihm vorbei aus dem Fenster. „Was machen wir jetzt bloß?" Satorus blaue Augen schimmerten, als er nachdachte und sich verschlafen durch die weißen Haare fuhr. „Viel können wir erstmal nicht tun fürchte ich." Er sah ebenfalls aus dem Fenster, der Halbmond schwebte über den hellen Lichtern der Stadt. „Wir haben keine Anhaltspunkte." Er legte sich wieder hin und zog mich an sich. „Also müssen wir die Augen und Ohren offenhalten, um welche zu bekommen." Fuhr er fort und hauchte einen Kuss auf meine Wange. „Und wenn wir sie haben, dann haben wir auch unseren Verräter." Er vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. „Du wirst sehen, Kira. Es wird alles gut werden. Das verspreche ich dir."

Wir hatten beschlossen, noch niemanden in unsere Vermutungen einzuweihen, auch wenn uns natürlich klar war, dass weder Yuta, Panda noch Megumi dumm waren und sich sicher ihren Teil zu der Sache dachten. Aber keiner von den dreien sprach mich darauf an, als wir an der Akademie ankamen, und auch sonst schienen sie niemandem davon erzählt zu haben, zumindest fragte niemand nach dem gestrigen Tag. Nur Nanami fragte mich, wie es mir nach dem missglückten Versuch gestern ging und ob die Toten sich nicht vielleicht von sich aus noch einmal auf mich zugekommen waren. Mir fiel auf, dass das Verheimlichen unserer Gedanken wohl doch nur auf Zeit klappen würde, es waren bereits zu viele Leute involviert oder wussten davon. Kopfschüttelnd stand ich vor Nanami. „Mach dir nichts draus, Kira. Ich bin mir sicher, dass klärt sich alles auf, wenn die Zeit reif ist." Meinte der Blonde und rückte seinen Anzug zurecht, bevor er mit Satoru in Richtung Hauptgebäude verschwand.

„Na du siehst ja scheiße aus." Begrüßte Shoko mich, als ich in ihr Labor kam und mir ein Bier aus ihrem Medikamentenschrank nahm. Das die Luft hier drin vor lauter Rauch stand fiel einem mit der Zeit kaum noch auf, dennoch öffnete ich zur Sicherheit das Fenster. „Schlecht geschlafen?" fragte sie dann und aschte in die bereits zu volle Nierenschale. „Irgendwie schon." Shoko sah mich prüfend an. „Du machst dir zu viele Gedanken. Seit du von den Toten zurück bist wirkst du so rastlos." Hilfesuchend reckte ich die Arme gen Himmel. „Ich weiß einfach nicht mehr, wo mir der Kopf steht." Nervös wickelte ich eine meine Haarsträhnen um meinen Zeigefinger. „Mein Leben lang hatte ich das Gefühl, eine Bürde mit mir herumzutragen. Ich dachte bis vor ein paar Tagen noch, dass diese Bürde der Tod meiner Schwester war." Mitleid stahl sich in Shokos Augen. Ich hatte ihr eines abends voller Tränen und Bier von Hana erzählt, zu viel getrunken und mir anschließend meine Trauer aus dem Körper gekotzt.

„Das ich mir diese unsichtbare Bürde selbst auferlegt habe. Und jetzt hat sich herausgestellt, das nicht ich mir das alles auferlegt habe, sondern die Toten. Oder das Universum?" ich machte eine wegwerfende Handbewegung und trank einen Schluck. „Ist ja auch wumpe jetzt. Fakt ist, dass ich vor einer unlösbaren Aufgabe stehe." Shoko nickte, als sie in ihrem Kittel nach neuen Zigaretten suchte und das Fenster schloss. „Du meinst, Sukuna austreiben?" mein Schweigen war Antwort genug. „Ja, dass ist in der Tat ... problematisch, wo er ja in Yuji sitzt." Fuhr meine Freundin fort, ich hörte ihr Feuerzeug klicken. „Mal ganz davon abgesehen, dass dir früher oder später die Zeit abläuft. Und Flüche ... naja die sterben ja bekanntlich nicht an Altersschwäche." Shokos Witz zeigte nicht die erwünschte Wirkung. Ich wusste, dass sie sich alle Mühe gab, die Stimmung etwas zu lockern. Hilflosigkeit raste wie ein Lauffeuer durch mich hindurch. Ich hatte mich in den letzten Tagen oft gefragt, ob ich nicht eigentlich dankbar für diese Aufgabe sein musste. So viele Leute wünschten sich eine Aufgabe in ihrem Leben, eine Aufgabe, die Einfluss hatte und hohe Wellen schlug. Die ihnen einen Lebenssinn gab, einen Grund für ihre Existenz. Aber die Wahrheit war, dass ich so gar nicht dankbar für all das war. Das ich das Gefühl hatte, früher oder später alles opfern zu müssen. Die Toten hatte alle das größtmögliche Opfer dafür gebracht, dass ich jetzt hier sitzen und Trübsal blasen konnte. Sie hatten ihr Leben gelassen in der Hoffnung, in der Zukunft zu siegen. Sie alle hatten ausnahmslos für mich den Weg geebnet. Die Frage war bloß, ob ich als Letzte in der Reihe denselben Preis würde zahlen müssen wie sie. Oder ob sich der Preis für den endgültigen Sieg in etwas anderem niederschlagen würde. In etwas Grausameren.

Wäre ich bereit, mein Leben zu lassen? Ohne Zweifel.

Aber wäre ich bereit, die Leben meiner Freunde zu opfern? Wie viel waren einzelne Leben wert im Angesicht eines höheren Wohls? Ich konnte und wollte es mir nicht anmaßen, den Wert einzelner Leben zu bestimmen. Das stand mir nicht zu.

Auf ex leerte ich mein Bier und angelte mir ein Zweites aus dem Kühlschrank. „Kira?" fragte Shoko besorgt und lehnte sich neben mich an den Kühlschrank. „Bitte sprich mit mir." Leer starrte ich in den Kühlschrank. „Da gibt es nichts zu sagen." Diese Gefühlskälte, die sich in mir breit machte, jagte mir Angst ein. „Ich werde rein gar nichts tun." Ich würde Yuji nicht opfern, sobald er alle Finger in sich aufgenommen hatte. Die Hohen hatten das zwar vor, aber ich bezweifelte, dass Sukuna oder gar Satoru es ihnen leicht machen würden. Oder ob die Hohen es überhaupt konnten, jetzt, wo es mich gab. Die einzige Person, die Sukuna möglicherweise austreiben konnte. Der Gedanke ließ mich schmunzeln. Das Abwenden von Yujis Hinrichtung wäre doch dann tatsächlich die eine einzige Situation, in der Sukuna und Satoru an einem Strang ziehen würden. Ich leerte das Bier in einem Zug und verließ ohne ein weiteres Wort Shokos Labor. Sollte Yuji sterben müssen, dann wäre es so. Aber eins war sicher.

Er würde es nicht durch meine Hand.

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Kapitel 33 right up!

Ich hoffe, ihr mochtet es! Kiras Kampf mit sich selbst wird auch immer schwerer :D

Eure Erin xx

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt