Kapitel 5

478 24 2
                                    

Was als Nächstes geschah, passierte so schnell, dass ich dem Geschehen mit dem bloßen Auge nicht folgen konnte. Alles, was ich hörte, waren Megumis und Nobaras Schreie, der Geruch von Blut kroch in meine Nase, ehe ich nach dem Einstecken einiger brachialer Schläge die harte Wand in meinem Rücken und das Fehlen meines Dolches an meiner Hüfte spürte. Vier rotglühende Augen bohrten sich in meine, ich schaffte es nur mit all meiner Willenskraft, nicht dem manischen Zittern nachzugeben, in das mein Körper nur allzu gern verfallen wäre. So einschüchternd die Aura von dem Ding, dass mir gerade die Luft abdrückte auch war, irgendwas an ihr erschien mir vertraut. Irgendwas am hintersten Ende meines Verstandes trommelte gegen eine verschlossene Türe, von der ich noch nicht mal wusste, dass sie da war.

Bis jetzt.

Das Ding musterte mich, ehe es grinste. „Ohne deinen Dolch bist du nur eine weitere gewöhnliche Jujuzistin. Das hat sich über die Jahre scheinbar nicht geändert." der Griff an meiner Kehle wurde fester, meine Versuche, die Hand zu lösen, vehementer. „Wenn ich dich hier und jetzt töte ... dann ist es ein für alle Mal vorbei." Fuhr es fort und lachte, sah scheinbar vergnügt bei meinen jämmerlichen Befreiungsversuchen zu und deutete dann auf meine Augen. „Ich habe es gesehen. Der letzte Zyklus. Interessant. Das er so früh kommt hätte ich nicht erwartet."

Langsam wurde mir die Luft knapp. „Kennen wir uns?" krächzte ich und gab mir Mühe, die tanzenden Punkte vor meinen Augen zu ignorieren. „Normalerweise ziehe ich es vor, den Leuten erst einen Grund zu geben, mich töten zu wollen bevor sie auch wirklich zur Tat schreiten." Da er mich berührte, zog ich mit einer Hand seinen Lebensfaden aus ihm heraus, doch er schien mit einem anderen Faden derart verwoben zu sein, dass ich nichts erkennen konnte. Kacke. Heute war definitiv nicht mein Tag. Oder meine Woche. Oder einfach auch nicht mein Leben. Die Schwärze, die sich bis jetzt nur an den Rändern meines Sichtfeldes aufgehalten hatte, feierte einen schnellen Einzug. Doch mit einem Mal war der Druck an meiner Kehle samt der dazugehörigen Hand verschwunden und ich plumpste wie ein nasser Sack auf den Boden, kämpfte gegen die Ohnmacht.

„Ich möchte gar nicht wissen, wie du mit Yuji hast tauschen können." Eine neue Stimme mischte sich unter die Sprecher, eine neue fremde Stimme. Hustend griff ich mir an den Hals und versuchte ohne Erfolg, zumindest auf die Knie zu kommen. Ich spürte Fluchkraft auf Fluchkraft treffen, ehe plötzlich Ruhe war. Blinzelnd sah ich auf und blickte direkt auf eine schwarze Augenbinde. „Na das ist doch mal interessant." Mir wurde eine Hand gereicht, die ich hustend ausschlug und mich allein mit Hilfe der Wand auf die Füße kämpfte. „Ihr seid doch alle total krank." Es folgte eine entsprechende Geste meinerseits, ehe ich sowohl auf den Augenbindenmann als auch auf den schlaksigen Mittdreißiger zeigte, um zu verdeutlichen, dass ich auch wirklich sie meinte. „Ich bin raus." Ich schaffte genau einen Schritt, ehe mein Körper die weißen Fahnen, die er bis eben in weiten Bögen geschwungen hatte, zur Seite packte und es mit dem guten alten Trick „Aus- und wieder einschalten" probierte. Das Letzte, was ich sah, war der schnell näherkommende Asphalt.

Als mein Körper den Hauptschalter wieder auf Ein stellte, erblickte ich in einem Spiegel, der über meinem Kopf an der Decke hing, mein Gesicht. Und ich sah mies aus. Als hätte eine Dampfwalze mich verschluckt und wieder ausgeschissen. Ein geschwollenes Auge, etliche verkrustete Kratzer und den Würgemalen an meinem Hals nach zu urteilen könnte mein früherer Witz mit dem Sexverlies glatt wahr sein. Ich setzte mich vorsichtig auf und wurde dafür sofort mit Kopfweh bestraft. „Na, nicht so schnell. Du bist doch noch gar nicht dran." Verschwommen erkannte ich sowohl Yuji, Megumi und Nobara in Begleitung einer brünetten Frau und dem weißhaarigen Mann. Ich faste mir an den Kopf, um den Presslufthammer aufzuhalten, der grade drauf und dran war, ein Loch in meine Schläfe zu pusten.

„Mit was dran?" meine andere Hand wanderte automatisch zu meinem Hals, als ich sprach. Jedes Wort tat weh und meine Stimme war nicht mehr als ein tiefes, schwer zu verstehendes Krächzen. Nobara trat an meine Seite und nahm meine Hand. „Mit zusammengeflickt werden. Shoko ist mit uns schon fertig und wollte jetzt dich machen. Sukuna hat dich ja ziemlich zusammengefaltet." Ach wirklich? Da wäre ich jetzt von allein nicht draufgekommen. „Sukuna?" krächzte ich, stand auf und wackelte auf Yuji zu. „Ist das dein Alter-Ego oder wie muss ich das verstehen?" ich rief meinen Lebensfaden, machte ihn durch Fluchkraft sichtbar und richtete die jetzt spitzen Enden auf Yujis Kehle. „Warum sollte ich dich hier und jetzt nicht töten?" wusste ja keiner, dass das ohne den Dolch, der nach wie vor verschwunden war, nicht ging. Nur auf die altmodische Art und Weise und im Angesicht der Überzahl der anderen fiel wohl auch die Möglichkeit flach, Yuji oder wer auch immer er war, einfach den Hals umzudrehen. Der Weißhaarige griff, ohne zu zögern nach einem der Fäden und pumpte so viel seiner Fluchkraft hinein, dass ich angesichts meines Zustandes nicht lange auf den Beinen bleiben konnte und zusammenklappte wie ein Taschenmesser. „Reicht nicht der Fakt schon, dass du das ohne dein Spielzeug, dass im Übrigen gut verwahrt ist, gar nicht kannst? Zumindest nicht auf die ... Lebensfadenweise."

Ich biss die Zähne zusammen. Scheiße, woher wusste der weißhaarige Depp das denn? Er beugte sich zu mir herunter, ich konnte spüren, wie sich sein Blick durch die Augenbinde in meinen brannte. „Eine mächtige Technik, keine Frage." Er ließ meinen Faden durch seine Hände gleiten, ein Kribbeln fuhr über meine Haut, der Faden summte. „Die Frage ist, ob du ohne sie immer noch so erfolgreich bist." Ein Grinsen lag in seinen Mundwinkeln. „Und wenn ich dich so ansehe, bezweifle ich mal ganz stark, dass du je gelernt hast, dich auf dich selbst zu verlassen statt nur auf deine Technik." Mir blieb die Spucke weg. Er hatte mich innerhalb einer Minute komplett richtig eingeschätzt und obendrein noch meine Technik erraten. Gruselig und beeindruckend gleichermaßen. Und er hatte Recht. Ich hatte mich bisher immer blind auf meine Technik verlassen, mir nie groß Gedanken gemacht, was wäre, wenn ich sie mal nicht nutzen könnte. Etwa, weil ich zu verletzt wäre. Weil das bis heute nie der Fall gewesen war. Ich hatte immer die Oberhand behalten.

Diese Tatsache war schrecklich niederschmetternd. Das mag arrogant klingen, aber ich hatte mich lange für sehr sehr stark gehalten. Nicht unbesiegbar, so hoch würde ich mir nicht erträumen, zu fliegen. Aber zumindest in der Nähe. Trotzig reckte ich das Kinn, der Typ und ich waren jetzt Nase an Nase. „Was weißt du schon?" fauchte ich und hustete gleich, als sich mein geschundener Hals zu Wort meldete. „Du hast doch keine Ahnung von meinem Leben." Wackelig stand ich auf, klaubte meine sieben Sachen zusammen und humpelte Richtung Tür.

„Also halte dich da gefälligst raus."

---------------

Das nächste Kapitel, wie angekündigt!

Ich hoffe, es gefällt euch :)

Eure Erin xx

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt