Kapitel 12

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Das Dorf war nicht mehr zu retten, dass hatte die junge Frau längst erkannt. Sie hatte nur noch eine einzige Chance, dem ganzen ein Ende zu bereiten. Doch plötzlich erzitterte der Boden, seine Präsenz rauschte durch sie hindurch wie ein Lauffeuer. „Hier hast du dich also versteckt, ja?" sie hörte sein belustigtes Lachen. „Ich frage mich, wie du damit klarkommst." Die Türe flog aus ihren Angeln, der Dolch in ihrer Hand zitterte. „Das all die Leute sterben, weil du hier bist." Er hatte Recht. Sie hatte ihre Todesschreie gehört, ihr Blut gerochen, dass an ihren Händen klebte, aus ihrem blonden Haar auf den Boden tropfte. Er hatte Recht.

Sie war schuld.

Sie war nicht in der Lage, ihn zu besiegen. Sie war nicht das ersehnte Ende, war nicht stark genug. Immer und immer wieder wiederholte sich der Prozess und er jagte ein jeden von ihnen bis in den Tod und darüber hinaus. Warum nur war sie nicht das Ende? Reichte es nicht? Stumme Tränen liefen ihr über das Gesicht, mischten sich mit dem Blut zu ihren Füßen.

Als er ihren Kopf von ihrem Körper trennte, spürte sie, wie ihr Lebensfaden riss.

Nein, sie war nicht das Ende. Sie musste das Schicksal, die Aufgabe, weitergeben.

In die Zukunft.

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Verschwitzt riss ich die Augen auf und fuhr von dem Sofa auf. Hektisch befühlte ich meinen Hals, doch es war alles in Ordnung. Es hatte sich so echt angefühlt, für einen Moment hatte ich das Gefühl gehabt, was immer es war, hätte mir tatsächlich den Kopf abgerissen. Diese Angst, die ich gespürt hatte, diese Ohnmacht. Mein Gesicht war tränennass, die Schatten, die durch das dunkle Wohnzimmer tanzten, jagten mir mit einem Mal eine Heidenangst ein. Verängstigt tapste ich durch das Wohnzimmer, bis ich schließlich den Gang entlangrannte und vor Satorus Schlafzimmertüre stehen blieb. Ich klopfte dagegen und schon öffnete sie sich. Satorus Augen wurden groß, als er mich im Licht der Nachttischlampe sah. „Hast du geweint?" er zog mich zu sich ins Zimmer und schloss die Türe, ehe er mich in die Arme nahm. Trotzig schüttelte ich den Kopf, was leider nichts daran änderte, dass mir die Tränen weiterhin ungehindert über das Gesicht liefen.

„Kann ich bei dir schlafen?" würgte ich schließlich hervor und hob den Blick. „Ich ... ich glaube ich kann nicht mehr allein sein heute Nacht." Er nickte bloß. Ich musste ihn geweckt haben. Dafür sprachen die wirren Haare und der schlaftrunkene Ausdruck in seinem Gesicht. Satoru holte mein Schlafzeug aus dem Wohnzimmer und drapierte es neben seinem, bevor er sich wieder ins Bett legte. Schnell tat ich es ihm gleich und als er das Licht wieder ausschaltete, schaffte ich es nicht, wieder einzuschlafen. Ich wälzte mich einige Zeit hin und her, kämpfte gegen die Tränen und die Eindrücke, die der Traum hinterlassen hatte. Doch plötzlich, aus dem Nichts, erklang eine mir fremde Melodie. Sie erfüllte binnen Sekunden das ganze Zimmer und nahm mir mit einem Schlag meine Ängste. Ich hatte das Gefühl, dass sie direkt bis an meine Seele kam, sie berührte und heilte. Liebliche Töne und sanfte Melodien schwebten durch das Zimmer, noch nie in meinem Leben hatte ich eine schönere Melodie gehört.

Ein schöneres Seelenlied.

Als ich mich zu Satoru umdrehte, saß er neben mir im Bett und sah mich an. Er kratzte sich verlegen im Nacken. Hatte er seine Unendlichkeit aufgehoben? Er musste sie bei unserem Kuss schon aufgehoben haben, anders hätte ich ihn gar nicht berühren können. Aber ich hatte die Seelenlieder nicht an und war zu abgelenkt gewesen, um es zu realisieren. Ungläubig rutschte ich näher an ihn heran, streckte meine Hand aus, um ihn zu berühren. Ich spürte seine warme Haut unter meinen Fingern, als ich mit ihnen über seine Wange fuhr und ihm schließlich die weißen Haare aus dem Gesicht strich. Sein Seelenlied wurde etwas lauter, betörte mich schon fast, ich hörte Freude und Zuneigung. Meine Hand verweilte wieder an seiner Wange, er schloss die Augen. „Warum?" fragte ich leise. „Ich weiß auch nicht." Er öffnete die Augen und sah mich an. „Ich hatte das Gefühl, dass es dir helfen würde." Ich rutschte näher an ihn heran und nickte. „Das hat es. Danke." Er lächelte, Verlegenheit mischte sich unter seine Melodie. Ich schmunzelte. „Jetzt sag nicht, dass ist dir unangenehm." Satoru lachte leise. „Sagen wir ungewohnt. Ich weiß zwar nicht, was du hörst, aber deinem Gesicht nach zu urteilen scheint es viel zu verraten."

„Willst du es hören?" meine Frage schien ihn zu überraschen. Doch dann nickte er. Mein Faden kam aus mir heraus, ich setzte mich auf Satorus Schoß, ehe der Faden uns komplett einhüllte und begann, zu summen. Sein weißes Licht ließ Satorus Augen noch mehr leuchten, ich hatte das Gefühl, in dem Blau seiner Augen zu ertrinken. Nein, ich wollte es sogar. In ihnen ertrinken und nie mehr zurückkommen. Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen und schlang dann meine Arme um seinen Hals. „Du musst genau hinhören." Der weiße Ring in meinen Augen reflektierte sich in seinen und als die Melodie seiner Seele erklang, wurden seine Augen immer größer. Noch nie hatte ich jemanden an meiner Welt, der Welt der Seelen, teilhaben lassen. Ich hatte nie das Gefühl gehabt, es mit jemandem teilen zu können. Aber bei Satoru war das anders. Ich vertraute ihm.

„Hörst du das? So klingt deine Seele." Er lächelte, seine Finger wickelten sich um eine Strähne meines braunen Haares, mit der anderen Hand zog er mich näher an sich heran. Ich griff in den Faden, zog einen dünnen Strang heraus und hielt ihn an sein Ohr. „So klingt Freude." Ich holte die nächsten beiden Stränge. „Und so klingen Zuneigung und Verlegenheit." Er ließ die Stränge durch seine Finger gleiten. „Das sind die Gefühle, die du gerade spürst." Flüsterte ich und lächelte. „Wie klingt deine Seele?" fragte er leise, seine Finger strichen jetzt flüchtig über meine Wange. „Ich würde sie gern hören, dich hören, Kira." Mein Herz machte einen kleinen Satz, seine Melodie ging fließend in meine über, es gab keinen hässlichen abgehackten Übergang. Es war, als wären unsere Melodien vor langer Zeit zusammen erschaffen und dann getrennt worden, nur um sich jetzt wieder zu einem vollständigen und perfekten Lied zusammenzufügen. Satoru lauschte einige Momente lang, doch plötzlich zog er mich weiter auf seinen Schoß, sodass ich meine Beine um ihn schlingen konnte. Seine Lippen fanden meine, mein Faden summte aufgeregt, unsere Seelenlieder schwollen an zu einer mitreisenden Harmonie, die sich in mein Gedächtnis brannte.

„Etwas Schöneres habe ich noch nie gehört, Kira."

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Hach, wie romantisch, da geht mir gleich das Herz auf! :D

Ich hoffe, euch auch!

Eure Erin xx

Strings of Fate (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt