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Ich betrat das Haus von Polly, als sie mir öffnete. „Alles in Ordnung?", fragte sie. „Dein Neffe hat sie nicht mehr alle." Sie blickte mich erstaunt an. „Wieso? Was hat er getan?" „Ihm wäre es wohl gerade recht, wenn du und Arthur eine Kugel im Kopf hätten." „Oh Schätzchen. Das darfst du nicht ernst nehmen. Er liebt seine Familie. Das würde er niemals tun, glaub mir." „So klang es aber nicht." „Ich weiß." Sie schenkte mir ein mildes Lächeln. „Ich bin bei dem Knall, was auch immer das war, so zusammengeschreckt, dass ich Tee über dein Buch geschüttet habe. Es tut mir leid." „Schon okay, ich habe es bereits begutachtet und die Tropfen sind mir aufgefallen. Ich habe mich schon gewundert. Aber das trocknet und dann ist es wieder wie neu, mach dir darüber keine Sorgen." Ich lächelte dankbar. Ich wünschte ihr eine gute Nacht und zog mich in Tommys Zimmer zurück. Dort las ich in dem Buch bis mir die Augen zufielen.

Tommy

Ich hatte nach vier Gläsern bereits genug und entschied, den Heimweg anzutreten. Kurz darauf war ich auch schon vor Polly's Haus angekommen und schloss die Tür auf. Auf der Treppe angekommen, konnte ich sehen, dass unter meinem
Türspalt noch Licht durchschien. Also war Evelynn noch wach. Dann konnte wenigstens mit ihr reden um mich für meinen Ausbruch zu entschuldigen. Ich öffnete die Tür und da lag sie. Auf meinem Bett, das Buch auf ihrem Dekolleté, die Augen geschlossen und friedlich schlafend. Die Kerze brannte noch auf dem Nachttisch. Sie war nicht einmal zugedeckt. Der Anblick hatte etwas so friedliches an sich, dass es auch mich beruhigte. Ich musste lächeln. Ich nahm das Buch vorsichtig aus ihrer Hand, legte ein Stück Papier als Lesezeichen hinein, klappte es zu und legte es auf die Stelle meines Nachttisches, wo sonst meine Opiumpfeife lag. Als nächstes deckte ich sie vorsichtig zu. Dann blies ich die Kerze aus und der Raum wurde in Dunkelheit getaucht. Ich versuchte, mich in der Dunkelheit zurechtzufinden, stieß jedoch mit dem Fuß gegen die Liege, die ein lautes, klapperndes Geräusch machte. Im Bett regte sich etwas. „Hallo?", kam es verschlafen von dem Mädchen in meinem Bett. „Shhh... Ich bin es, Tommy." Keine Antwort. Vermutlich war sie wieder eingeschlafen. Oder aber sie strafte mich mit Schweigen. Ich legte mich auf die Liege und starrte aus dem Fenster bis ich endlich Schlaf fand.

Keuchen weckte mich. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es von der Liege kam. Ich zündete schnell die Kerze an, um etwas sehen zu können. Ich sah im nächsten Moment, wie sich Tommy auf dem Bett wand und das Gesicht immer wieder schmerzvoll verzog, Schweißperlen auf der Stirn. Seine Augen waren jedoch geschlossen. Er musste einen Albtraum haben. Ich war schnell bei der Liege und legte meine Hand auf seine Wange. Doch was als nächstes passierte, damit rechnete ich nicht. Statt sich wie erwartet zu beruhigen, legte er seine Hände um meinen Hals und drückte zu.

Arthur

Nebenan polterte es. Tommys Zimmer. Waren die beiden etwa dabei, miteinander zu schlafen? Doch als ich Röcheln statt Stöhnen vernahm, wusste ich dass das nicht sein konnte. Schnell war ich auf den Beinen und Sekunden später stieß ich die Tür von Tommys Zimmer auf. Und der Anblick, der sich mir bot, glich einem Schreckensszenario. Auf dem Boden lag Evelynn, bewusstlos und mit deutlichen Würgemalen am Hals. Tommy lag seelenruhig im Bett, die Augen geschlossen. Mir entfuhr ein Schrei, der Tommy aufweckte. „Du verdammter Bastard hast sie einfach erwürgt? Bist du denn völlig wahnsinnig?"

Tommy

Ich verstand gar nicht, was Arthur meinte und richtete mich auf. Dann sah ich, dass Evelynn auf dem Boden lag, tot. Mein Herz hörte auf, zu schlagen. Ich nahm wie in Zeitlupe wahr, dass Arthur sich wutentbrannt auf mich stürzte und dass Polly und John ebenfalls das Zimmer betraten. John stellte sich zwischen Arthur und mich und Polly überwand die wenigen Schritte zu Evelynn mit einem Satz und sank neben ihr auf die Knie. Sie legte die Finger auf Evelynns Halsschlagader und sagte: „Sie lebt noch. Zu deinem Glück, Thomas." Doch ich wusste, dass sie mir niemals verzeihen würde, was ich gerade getan hatte. Auch wenn es nie meine Absicht war, ihr wehzutun.

Me and the devilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt