James x Aidan II

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- Aidan -

James ist ein interessanter Mann. Zwar hätte ich es aus seiner perfekten Aussprache und der feinen Kleidung schließen können, aber dennoch hat es mich überrascht, dass es sich bei dem Haus seiner Schwester um ein riesiges Anwesen auf einem noch größeren Parkgelände handelt.

Von Philipp, dem Butler seiner Schwester May, habe ich erfahren, dass er der Earl of Swindon ist, was ihn zu einem der einflussreichsten, reichsten Männer der Gegend macht. Etwas, worüber er selbst kein einziges Wort verloren hat. In den zwei Tagen, die ich jetzt schon bei ihm wohne, habe ich einiges über den attraktiven, schwarzhaarigen Earl gelernt.

Zum Beispiel passen seine verschlossene Miene und die schmalen Lippen nicht zu dem sanften Ausdruck seiner dunklen Augen.

Er spricht nicht viel und ich kann mir gut vorstellen, dass er auch sonst nicht viel Gesellschaft hat, einfach weil ich ihn mir auf Gesellschaftsjagden und Soirées nicht vorstellen kann. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es daran liegt, dass er schlicht keinen Wert darauf legt.

Außerdem humpelt er minimal. Meistens kann er es gut kaschieren, aber sein linkes Knie trägt sein Gewicht nicht mehr. Eigentlich halte ich mich mit echten Gefühlen in meinem Beruf zurück, um keine falschen Signale zu senden, aber ich mag ihn ehrlich. Er ist gut zu mir, hat mir jede Freiheit zugesichert, die ich mir nehmen möchte, und behandelt mich tatsächlich wie einen Gast, der bei ihm zu Besuch ist.

Und ist er einsam. Seine ganze Gestalt hat in ruhigen Momenten eine Traurigkeit, die mich nicht loslässt. Ich bin hier, um ihm diese zu nehmen, aber schon jetzt will ich es nicht nur des Geldes wegen tun, sondern weil ich das Bedürfnis dazu habe.

Deswegen klopfe ich jetzt an die schwere Tür der Bibliothek, bevor ich eintrete und meinen Blick durch den riesigen Raum schweifen lasse. An einem großen Schreibtisch sitzt der Earl, eine schmale Brille auf der geraden Nase und den Kopf über ein Dokument gebeugt, das von einer Kerze beleuchtet wird.

Mit einem leisen Räuspern lenke ich seine Aufmerksamkeit auf mich, sodass seine dunklen Augen zu mir hoch zucken.

"Aidan", murmelt er erfreut und lässt das Papier sinken. Die Art, wie er den Klang meines Namens unterbewusst auf der Zunge verweilen lässt, hat mir von Anfang an Herzrasen beschert.

„Ich hoffe, ich störe nicht bei etwas Wichtigem?", frage ich vorsichtig, denn ich weiß, dass er ab und an Briefe erhält von seinen Vertretern im Forst und der Viehzucht, die er besitzt, und dass er auf diese so schnell wie möglich antwortet.

Jetzt jedoch schüttelt er den Kopf. "Nein, ich bin so gut wie fertig."

Erleichtert lächle ich. "Gut, das wollte ich hören. Wir gehen jetzt spazieren, es hat frisch geschneit."

James nimmt meinen Befehl mit einem schiefen Grinsen und hochgezogenen Augenbrauen. Als er jedoch nicht den Anschein macht, sich bewegen zu wollen, schlendere ich zu seinem Schreibtisch und beuge mich lasziv über die lederbezogene Tischplatte, um ihm die Brille von der Nase zu ziehen. Dann greife ich seinen Arm und zwinge ihn sanft auf die Beine.

"Komm jetzt, sonst wird es dunkel!"

Widerstandslos folgt er mir. Ich habe sogar das Gefühl, dass er die spielerische Stimmung zwischen uns genießt. Wir packen uns in warme Mäntel und Schals und verlassen das Haus in Richtung des Parks, der zum Anwesen gehört.

In gemütlichem Tempo schlendern wir die verschneiten Wege entlang, nur das Knirschen unserer Schritte durchdringt die Stille. Irgendwann fragt James:

"Darf ich dich etwas persönliches fragen?"

Waves - Oneshots BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt