Dean x Jesse

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- Dean -

Ich bin ein schwieriger Charakter.

Ich denke, so kann man mich beschreiben. Ich bin selten freundlich, vergebe noch seltener und die meiste Zeit damit beschäftigt, die Wut, die ununterbrochen in meinen Adern rauscht, an meiner Umwelt auszulassen.

Das macht Probleme, stimmt. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich diese Probleme brauche, denn es sind Probleme, die ich selbst geschaffen habe. Ich kann sie also auch lösen, was sie von allen anderen Problemen in meinem Leben unterscheidet - nämlich, dass ich ganz ausnahmsweise mal nicht nichts dafür kann, dass sie mir ununterbrochen das Leben zur Hölle machen.

Dementsprechend läuft auch mein Alltag ab. Ich wache morgens auf, muss mich jedes Mal zusammenreißen, um nicht den Kopf meines Bruders Clay auf die Tischplatte zu schlagen oder meinem Vater auf den Teller zu kotzen, und verpisse mich dann in die Schule.

Dort bin ich wahrscheinlich noch unerträglicher, denn ich tue alles in meiner Macht Stehende, um die Leute von mir fern zu halten. Sogar die Lehrer habe ich so weit, dass sie ihren pädagogischen Mist sein lassen und sich einfach eingestehen, dass sie mich nicht mögen.

Gut, und so bringe ich Tag um Tag rum, bis ich mich endlich ins Bett werfen, an die Decke starren und mich freuen kann, dass ich wieder einen Tag hinter mich gebracht habe.

Die einzige Ausnahme in all dem Scheiß, den ich euch hier gerade vor die Füße gesetzt habe, ist Jesse.

Wagt es bloß nicht, ihn Jessi oder so einen Scheiß zu nennen - Er heißt Jesse. J E S S E. Für die Dämlichen, die es immer noch nicht gerafft haben: Es wird "Yesse" ausgesprochen.

Jesse ist der einzige Mensch, den ich noch nicht davongejagt habe. Fragt mich nicht, wieso, denn ich habe sicherlich schon das ein oder andere Mal Dinge getan, bei denen ich an seiner Stelle das Handtuch geschmissen hätte, um es bildlich auszudrücken.

Trotzdem ist er seit ich denken kann an meiner Seite und ich liebe ihn dafür.

Beispielsweise bin ich gestern nach einem verflucht langen und verflucht anstrengenden Tag mit einer Klausur, die mich fast zur Weißglut gebracht hat, aus der Schule gekommen. Draußen auf dem Parkplatz hat mein Bruder mit seinem fetten Arsch auf der Motorhaube meines Autos gehockt und mir mit missmutiger Miene entgegen gestiert...

...

"Was willst du?", knurre ich ihn dann an, was für meine Verhältnisse noch human ist. Aber Clay der Spast verzieht nur den Mund und hebt anklagend sein Smartphone.

"Ich will, dass du endlich mal anfängst, dein Handy auch zu benutzen, um zu telefonieren - Kurz: Geh ran, wenn ich dich hundertmal anrufe!"

Gereizt puste ich mir eine schwarze Haarsträhne aus der Stirn und funkle ihn an. Clay jedoch ist schon an mich gewöhnt und zeigt mir nur den Mittelfinger. Dann rückt er endlich mit der Sprache raus:

"Du musst mich mit nach Hause nehmen, Zoe hat mich versetzt."

Gehässig verziehe ich den Mund, weil mich seine selbstmitleidige Trauermiene tierisch nervt. "Du Armer. Wir müssen aber noch auf Jesse warten, er kommt mit zu uns."

Dann schweigen wir uns eine Weile an wie die sturen Esel, die wir sind, und ich hätte mich beinahe wieder etwas beruhigt, wenn nicht dann mein Smartphone geklingelt hätte.

Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, wer mich da anruft und warum, hätte ich Clays vorwurfsvollen Blick eiskalt ignoriert und wäre wie immer nicht drangegangen.

Waves - Oneshots BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt